Die zweieinhalbjährige Maria kann es kaum erwarten. Im Arm ihrer Mutter steht sie am Fenster und versucht, möglichst weit auf die Straße sehen zu können. „Kommt er?“, fragt ihre große Schwester Sarah und lugt ebenfalls nach draußen. Dann verschwindet sie kurz aus der Fensteröffnung und stellt sich wieder bereit; diesmal mit einer blauen Papierrolle in der Hand. Sie hat ein Bild gemalt – als Geschenk für den Nikolaus.
Nina Schobloch, die Mutter der beiden, kommentiert: „Sie hätten heute am liebsten den ganzen Tag schon nach draußen geschaut.“ Sie zeigt sich erleichtert über den Umstand, dass in Immenstaad der Nikolaus und sein Knecht Ruprecht Kinder besuchen kommen können. „Das wäre schlimm für die Kinder, wenn es erst heißt, dass der Nikolaus kommt und er dann doch nicht kommt“, sagt sie. In ihrem Bekanntenkreis hätten sie schon darüber gesprochen, ob es möglich sei, dass das Ordnungsamt die Aktion doch noch untersage: „Wir haben ja auch von der Absage aus Friedrichshafen gehört.“

Dann endlich, kurz nach 16 Uhr, erscheint eine rot gekleidete Gestalt an der Straßenecke und ein lautes Läuten ertönt. Der Nikolaus kommt und hat gleich zwei Knecht Ruprechts an seiner Seite, einer der beiden schwingt die Glocke.
Ein Gedicht vom Nikolaus
„Grüß Gott ihr Kinder hier im Haus, wie ihr wisst, bin ich Sankt Nikolaus. Ich bin kein wilder fremder Mann; schaut mich nur einmal richtig an“, begrüßt er die beiden Mädchen. Maria braucht einen Moment, um sich an seinen Anblick zu gewöhnen. Die sechsjährige Sarah ist sogar so mutig, das selbst gemalte Bild aus dem Fenster zu reichen.

Mit einem Winken geht es weiter zur nächsten Familie. Die drei Männer gehen zügig. Unterwegs ziehen sie die Blicke auf sich und werden freundlich gegrüßt.
Da überrascht es wenig, dass es beim nächsten Halt Zaungäste gibt: Zwei Jungen aus der Nachbarschaft sind dem Nikolaus gefolgt und lugen vorsichtig und fasziniert über die Hecke des Nachbargrundstücks, während Sankt Nikolaus seine Verslein in Richtung der Familien spricht, die auf den Balkon gekommen sind. Die Geschenke legen sie danach vor der Haustür ab. Zur nächsten Station geht es mit dem Auto. Inzwischen hat ein leichter Nieselregen eingesetzt.

Familie Höhnle steht neu auf der Liste der Nikoläuse. Sie warten gespannt an der Haustür. Der Nikolaus mit seinen Ruprechts bleibt oberhalb der Einfahrt zum Haus stehen, damit der Abstand auch ganz sicher gewährleistet bleibt. Kim Höhnle verrät: „Ich war heute zum allerersten Mal selbst am Nikolaustag aufgeregt. Kinder glauben ja noch richtig an den Nikolaus und dann fiebert man doch auch selbst mit.“
„Wann ist der Nikolaus endlich da?“
Ihre dreijährige Tochter sei schon eine gute Stunde eher immer wieder zum Fenster gegangen und habe gefragt, wann der Nikolaus endlich da sei. „Ich finde es toll, dass es dieses Angebot gibt. Es ist ja sonst sehr traurig für die Kinder dieses Jahr, weil so viele Termine und Veranstaltungen abgesagt wurden.“ Und der Nikolausbesuch sei mit den Infektionsschutzmaßnahmen sehr gut umsetzbar.
Der Nikolaus, der Höhnles und die anderen Familien besucht hat, heißt mit bürgerlichem Namen Dietmar Heberle. Die Ruprechts sind Heberles Söhne Fabian und Manuel. An diesem Samstag standen auf ihrer Liste 14 Haushalte. „So ein Besuch draußen geht schneller als ein Hausbesuch“, sagt Dietmar Heberle.
Eigentlich mit weniger Rückmeldungen gerechnet
In den Vorjahren hätte jede Gruppe nur etwa sechs bis sieben Familien besuchen können, mehr sei zeitlich nicht machbar, wenn man tatsächlich nach drinnen gehe und sich mit den Kindern auch unterhalte. Eigentlich hätte er in diesem Jahr nicht viele Rückmeldungen erwartet: „Da waren wir dann doch überrascht.“ In zwei Gruppen sind sie heute unterwegs, knapp 30 Familien haben insgesamt angefragt. Normalerweise seien sie vier bis fünf Gruppen.

Eigentlich sollten er und die beiden Knecht Ruprechts nur die Glocke schwingen und die Geschenke an der Tür ablegen. So war die diesjährige Nikolausaktion auch im Gemeindeblatt angekündigt worden. Doch Heberle trägt trotzdem zumindest ein Gedicht an jedem Haus vor; manchmal führt er auch ein kurzes Gespräch mit den Kindern. „Wir haben ja eigentlich gesagt, wir laufen nur vorbei. Aber die meisten Leute wollen einen Kontakt, das habe ich schon bei den Anfragen gemerkt“, erklärt er.
Da sie während ihres gesamten Besuchs deutlich mehr als den vorgeschriebenen Mindestabstand von eineinhalb Metern einhielten, sehe er hier auch keinerlei Gefährdung: „Die Diskussion wäre müßig.“ Sorge, dass das Ordnungsamt ihnen einen Strich durch die Rechnung macht, habe er nicht gehabt: „Ich mache mir eher Gedanken übers Wetter. Für heute Abend ist noch Regen angesagt.“
Der Immenstaader ist Nikolaus aus Überzeugung. „Ich habe mit 16 Jahren wie die beiden Jungs hier als Knecht Ruprecht angefangen“, sagt er und deutet auf seine Begleiter. Damals habe noch die katholische Jugend die Nikoläuse koordiniert. In diesem Jahr habe er dann spontan angeboten, auch die Anmeldungen entgegenzunehmen. Monika Birkhofer habe diese bisher koordiniert und die Geschenke besorgt. Letztere Aufgabe habe sie auch in diesem Jahr übernommen.