Welche Rolle hat die Familie im neuen Unternehmen?
Christian Weber: Weder mein Vater noch mein Bruder, meine Tochter oder ich sind im operativen Geschäft tätig. Wir wollen uns da nicht einmischen. Das übernehmen erfahrene Manager, die wir seit langem kennen und denen wir vertrauen. Wir sehen unsere Rolle beratend und strategisch. Aber wir halten auch den Kontakt zu wichtigen Kunden und reden bei der technologischen Ausrichtung des Unternehmens mit. Und wir kümmern uns um das weltweite Immobilienmanagement für das Unternehmen.
Welche Rolle wird das Stammwerk in Markdorf im neuen Konzernverbund spielen?
Christian Weber: Die Unternehmenszentrale wird immer hier in Markdorf bleiben, aber nicht mehr in dem ausgeprägten Ausmaß wie früher. Doch hier haben wir das meiste Know-how und auch die Geschäftsführung ist ja in Markdorf angesiedelt. Markdorf wird durch die strategische Ausrichtung in den nächsten Jahren sicherlich weiter gestärkt werden. Wenn man die regionalen Branchen betrachtet, wird die Medizintechnik sicherlich ein Schwerpunkt in Markdorf sein, die großen potenziellen Kunden in Tübingen sind ja ganz in der Nähe. Für Triebwerkskomponenten für die Luftfahrt sehen wir den Leit-Standort eher zum Beispiel in Bernau bei Berlin.

Wie viele Mitarbeiter hatte das Unternehmen eigentlich vor der Insolvenz und wie viele sind es jetzt?
Christian Weber: Früher waren es etwa 1500. Im neuen Unternehmen sind noch rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Allerdings haben wir ja nicht alle Unternehmensteile weitergeführt und in den USA durch Corona ebenfalls drastisch reduzieren müssen. Dort gibt es keine Systeme wie beispielsweise Kurzarbeit.
Durch die Insolvenz sind also wie viele Stellen weggefallen?
Christian Weber: Das waren etwa 70 hier in Markdorf und rund 20 an unserem Standort in Bernau bei Berlin.

Wie stark sind Sie derzeit eigentlich von Corona betroffen?
Christian Weber: Im Automobilbereich spüren wir die Einschnitte deutlich. Mittel- und langfristig spielt das Thema Corona hier aber keine so große Rolle. In anderen Bereichen wie etwa der Luftfahrt ist aus unserer Sicht der Wiederaufholprozess natürlich schon um mehrere Jahre nach hinten verschoben.
Ein Blick in den Rückspiegel: Der Ex-Mehrheitseigner Ardian hat Strafanzeige gegen die Familie Weber gestellt. Es geht um Betrugsvorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt. Wie ist dort denn der aktuelle Stand?
Christian Weber: Es gibt aktuell keinen neuen Stand dazu. Wir sind bei diesem Thema sehr gelassen und können die Vorwürfe sehr einfach widerlegen. Das beeinflusst unsere Arbeit in keinster Weise.

Aber mit den Ermittlungen verbundene mögliche Zahlungen an Ardian haben nicht das Potenzial, die Stabilität der neuen Albert Weber GmbH zu gefährden?
Christian Weber: Da kann ich Sie und alle Mitarbeiter beruhigen: In keinster Weise.
Mit der Neugründung der Albert Weber GmbH liefen ihre bisherigen Kundenverträge aus. Wie steht es denn derzeit um Ihren Kundenstamm?
Christian Weber: Neue Kunden haben wir noch nicht dazugewonnen. Aber in einer solchen Insolvenzphase ist das auch gar nicht möglich. Aber wir werden nun auch wieder intensiv an die Akquise gehen. Was uns aber gelungen ist, wir konnten mit den vorhandenen Kunden wieder entsprechende neue Vereinbarungen treffen, die meist eine sehr viel längere Laufzeit haben als die bisherigen. Teils laufen die Verträge jetzt bis 2032. Das sind schon extrem langfristige Vertragslaufzeiten, die dem neuen Unternehmen Stabilität geben.

Wieso haben die Hersteller sie nicht einfach aussortiert und den Lieferanten gewechselt?
Christian Weber: Wir sehen das als eine Bestätigung für unsere gute Qualität in der Vergangenheit. Dazu kommt, dass es in unserer Branche nur eine handverlesene Anzahl Zulieferer gibt, die uns ersetzen könnten. Und da stellt sich dann ein Automobilhersteller natürlich auch die Frage, will ich mein Netz noch weiter ausdünnen? Damit würde er ja auch der Konkurrenzsituation schaden und könnte von den verbliebenen Lieferanten unter Druck gesetzt werden. Keiner der Automobilhersteller hat ein Interesse daran, dass Weber vom Markt verschwinden soll.
Mit welchen Produkten wollen Sie künftig in den Geschäftsfeldern jenseits der klassischen Produkte punkten?
Christian Weber: Wir werden sicher kein Hersteller von Akkuzellen. Da sind die Investitionen so gigantisch, dass ein Mittelständler das nicht stemmen kann. Bei einigen sicherheitsrelevanten Teilen, etwa Kapselungen für die Akkupaks, oder beim Thema Crash-Sicherheit haben wir uns eine Systemkompetenz angeeignet. Bei der Brennstoffzelle rechne ich mir gute Chancen für unsere Lösungen aus. Marktübergreifend wird das Thema Leichtbau immer wichtiger. Hier sind wir seit Jahren aktiv und stellen beispielsweise Karosserieteile aus Faserverbundstoffen her. Die Stückzahlen ziehen hier deutlich an. In der Medizintechnik, aber auch in der Luftfahrt, sehen wir ein Geschäftsfeld, weil die Produktion für Standard-Teile wie Implantate für künstliche Knie oder Hüften noch erhebliche Spielräume zur Automatisierung lässt. Das ist eine unserer Hauptkompetenzen, die wir seit Jahrzehnten im Automobilbereich anwenden.

Was werden Sie nun als erstes angehen, Frau Weber?
Gina Weber: Ich kommuniziere sehr offen und direkt und möchte damit mit gutem Beispiel voran gehen. Zudem bin ich sehr IT-affin und es ist mein Ziel, dass wir auch bei unseren internen Kommunikationssystemen bald schon sehr gut aufgestellt sind und damit auch unsere Mitarbeiter in der Produktion mitnehmen können. Und dass wir im Zuge dessen auch den Austausch mit unseren anderen Werken und Unternehmen optimieren. Auch in der Personalentwicklung wollen wir uns weiter verbessern, das ist für den anstehenden Transformationsprozess sehr wichtig.
Wie definieren Sie selbst Ihre Rolle im Unternehmen, Frau Weber?
Gina Weber: Meine Aufgaben betreffen Themen wie die Firmenkultur und das tägliche Miteinander, aber auch die technische Neuausrichtung unserer Kommunikationssysteme. Als Mitglied der Familie lebe ich für das Unternehmen und möchte es voranbringen und mitprägen.

Stichworte wie Unternehmenskultur und partnerschaftliche Lösungen scheinen in der neuen Albert Weber groß geschrieben zu werden. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik in Bezug auf die Themen Mitarbeiterführung, Lohnstruktur, Mitspracherechte. Soll jetzt alles anders werden?
Christian Weber: Es ist jetzt die zweite Generation der Gründerfamilie am Ruder und die dritte steht in den Startlöchern. Für die Gründergeneration standen bestimmte Themen nicht im Vordergrund, in der zweiten Generation haben wir da einen vernünftigeren Weg gefunden. Wir wollen einen Wandel der Unternehmenskultur und geregelte Verhältnisse haben.
Gehört dazu auch eine Bezahlung nach Metall-Tarif?
Christian Weber: Wir werden jetzt auch die Möglichkeit eines Haustarifvertrags diskutieren, und ich bin mir sicher, dass wir auch einen guten Weg finden.
Gina Weber: Uns ist bewusst, dass Gehalt oder ein Haustarifvertrag wichtige Themen für unsere Mitarbeiter sind. In den vergangenen Jahren sind wir stark gewachsen und bei solch einem Wachstum bleibt leider auch immer einiges auf der Strecke. Dessen sind wir uns bewusst und das wollen wir auch angehen. Gerade nach der Insolvenz ist auch viel Unsicherheit zu spüren. Zusammenhalt, kooperative Zusammenarbeit, viel Kommunikation, das werden jetzt die Themen sein, denen wir uns unternehmensintern widmen wollen und die wir nach vorne bringen wollen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Zur Person
Gina Weber (22) hat im August 2020 in der Albert Weber Finanz- und Besitzholding OHG die strategische Kommunikation für die Weber-Unternehmen und die Familie Weber übernommen. Die Tochter von Christian Weber studierte an der Hochschule Nürnberg Wirtschaftspsychologie und schloss ihr Studium im August 2020 mit dem Bachelor ab. Ihre Bachelorarbeit hatte das Thema „Unternehmenskultur in Familienbetrieben“. Nach eigener Aussage werde die Optimierung der Unternehmenskultur in der Weber-Gruppe eine ihrer künftigen Schwerpunktaufgaben sein.
Christian Weber (48) ist der älteste Sohn von Albert Weber, des Gründers des gleichnamigen Markdorfer Autozulieferers, der 2018 und 2019 rund 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete. Der Maschinenbauingenieur war von 2000 bis 2018 Technologie-Chef der Weber Automotive GmbH, des Vorgängers der Albert Weber GmbH, danach Geschäftsführer der Weber Industrie Holding GmbH. Heute ist Weber Sprecher der Unternehmerfamilie und führtmit seinem Bruder Daniel und seinem Vater die Holding, der die gesamten Immobilien der Weber-Gruppe gehören. Weder er noch die anderen Familienmitglieder sind ins operative Geschäft der Albert Weber GmbH eingebunden.