Hubert Volz hat die Entwicklung der Schule Schloss Salem über lange Jahre mitverfolgt. Aber nicht etwa als Lehrer oder Schüler, er ist der Sohn des damaligen Heizers und Hausmeisters Paul Volz. Und auch seine Mutter Maria war dort tätig. Volz berichtet, dass seine Eltern beide Ende 40 gewesen seien, als sie sich umorientiert hätten – vom Schwarzwald nach Salem.
In den Jahren 1960 bis 1976 lebten und arbeiteten sie in der Schule. Selbst über den Ruhestand hinaus war das Schloss noch einige Zeit ihr Zuhause, was auch für ihren Nachwuchs galt. Lediglich eines der vier Kinder blieb wegen seiner gerade begonnenen Ausbildung im Schwarzwald zurück.
Er hat die Schule Schloss Salem lebhaft in Erinnerung
Hubert Volz jedoch verbrachte prägende Kindheits- und Jugendjahre in Salem. Lebhafte Erinnerungen an die Schule Schloss Salem hat er aus den Jahren 1960 bis etwa 1970. Danach war er berufstätig. Seine Schilderungen erinnern an lang Vergangenes – auch wenn es nur wenige Jahrzehnte sind.
Hubert Volz‚ Vater Paul hatte bereits seine Jugend- und Lehrjahre in Salem verbracht und wurde an der Schule als Heizer angestellt. Gleichzeitig hatte er Hausmeisteraufgaben zu erledigen, Mutter Maria arbeitete abends im Bereich Küche und Spülküche. Vormittags habe sie bei der Hausreinigung, hauptsächlich im Krankenquartier, geholfen, erzählt Volz, der heute 68 Jahre alt ist.
Vor allem seinem Vater ging er viel zur Hand. Im Schloss gab es noch keine Zentralheizung. „Nur für einzelne Abschnitte und für die Warmwassererzeugung der Dusch- und Waschräume waren große Kokskessel vorhanden“, sagt Hubert Volz. Insgesamt waren es sieben an vier verschiedenen Stellen.
Beheizt wurden alle Schüler- und Klassenzimmer, die Büros der Schulleitung und Verwaltung, die Mentorenwohnungen, das Krankenquartier sowie weitere Räume. Besonders großen Heiz- und Wärmebedarf hätten die Dusch- und Waschräume sowie die Wäscherei und Büglerei gehabt, so Volz. Warmes Wasser sei eigentlich der einzige Komfort der Schüler und Schülerinnen gewesen.
Vater muss sieben Kessel rund um die Uhr beheizen
Die Kokskessel waren rund um die Uhr und auch an den Wochenenden in Betrieb. „Nur in den Sommerferien waren die Kessel, die nicht unbedingt zur Warmwassererzeugung benötigt wurden, außer Betrieb“, erinnert sich Volz. Der Arbeitstag seines Vaters habe morgens um 5 Uhr begonnen: „Mit der noch vorhandenen Glut wurde wieder angeheizt. Zuvor musste Schlacke und Asche des Vortages entfernt werden, das alles an den sieben Heizkesseln.“
Danach wurden die vielen Einzelöfen in Betrieb genommen, zum Beispiel zwei große im Speisesaal, und auch der Kohleherd in der Küche musste angefeuert werden, „damit die Köchinnen bei Arbeitsbeginn sofort das Frühstück zubereiten konnten“.
Tagsüber musste immer wieder Brennmaterial nachgelegt werden. Die großen Kokskessel wurden abends nochmals zwischen 20 und 21 Uhr befüllt, die Luftzufuhr gedrosselt, damit die Glut bis zum Morgen hielt.
„Einen großen Anteil an der täglichen Arbeitszeit nahm die Versorgung der Heizungsanlagen und Öfen mit Brennmaterial in Anspruch. Koks und Holz mussten per Schubkarren oder mit Holztragen zu den Kesseln geschafft werden. Gleichzeitig wurden Asche und Schlacken zum Müllplatz in der Südwestecke des Innenhofes geschafft“, erläutert Volz. Koks und Holz wurden per Lastwagen und Bahn angeliefert, mit Schaufel und Gabel entladen sowie im Schloss und in einem Schuppen verteilt.
Im Seegfrörnewinter 30 Tonnen Koks in zwei Wochen
„Der Heizer konnte diese Arbeit alleine kaum bewältigen. Als Helfer war ich gefordert und zeitweise auch mein Bruder. Auch die Schüler mussten ihren Beitrag leisten. Strafarbeiten wurden am Samstagnachmittag beim Heizer und Hausmeister abgearbeitet“, schildert der 68-Jährige.
Die Höhe der Räume beeindruckte den jungen Hubert. Allerdings waren auch Unmengen an Heizmaterial nötig, um die Zimmer warm zu bekommen: „Im Seegfrörnewinter 1961/1962 hat mein Vater auf dem Höhepunkt der Kältewelle einmal innerhalb von zwei Wochen 30 Tonnen Koks verheizt. Das war die Ladung eines großen Lastwagens mit Anhänger.“
Schüler trugen Brennmaterial zum Heizen in ihre Zimmer
Da nicht alle Schülerzimmer an einen der Heizkessel angeschlossen waren, war ein Teil der Schüler für das Heizen seiner Zimmer zuständig. Das Brennmaterial trugen die Schüler selbst in ihre Zimmer. „Das ganze Heizsystem war sehr brandlastig und manches mal konnte im letzten Augenblick ein Brand durch einen glühenden Ofen verhindert werden. Zudem konnten die Schüler von zu Hause aus immer weniger mit Holz- und Kohleöfen umgehen“, erinnert sich Volz.
Alleine deshalb entschloss sich die Schule, eine große zentrale Heizungsanlage zu bauen. Ab 1965 wurde das Vorhaben in Abschnitten realisiert, jeweils in den Sommerferien.
„Die neuen Heizkessel wurden im Langbau eingebaut, neben dem Weinkeller. Als Brennstoff sollte Schweröl dienen. Da sich das als sehr störanfällig erwies und die Heizung meistens außer Betrieb war und viel Ärger verursachte, wurde bald auf normales Heizöl umgestellt“, sagt Volz.
Die alten Kessel und Öfen sowie der große Holzschuppen im Innenhof waren mit der neuen Heizung Geschichte. Auch den Einbau des neuen Parkettbodens in den Speisesaal hat Hubert Volz erlebt. Die Arbeiter hätten jedes Brettchen einzeln eingebaut. „Damit sie fertig wurden, auch nachts und an den Wochenenden“, so Volz.
Für seinen Vater Paul Volz gab es neben dem Heizen aber noch einiges mehr zu tun: „Lebensmittel in die Küche schaffen, Abfälle in der Küche abholen, täglich mittels Handwagen Pakete auf der Post abholen, Räum- und Streudienst im Winter, kleine Reparaturen und Kartoffelkeller im Rentamt betreuen“, zählt sein Sohn auf.
Lebensmittel kommen per Aufzug in die Küche im zweiten Stock
Die Lebensmittel wurden mittels Handwagen in den Innenhof transportiert und von dort mit einem einfachen Aufzug in die Küche im zweiten Obergeschoss gebracht. „Der Aufzug wurde oben bedient und unten beladen, eine Person musste also ständig die Treppen auf und ab gehen. Um dies zu vermeiden, half ich oft meinem Vater und war am Aufzug oben oder unten“, sagt Volz.
Junger Hubert Volz genießt Kontakte in der Schule
Für Hubert Volz war das Interessante aber nicht nur, den Aufzug zu bedienen. Er genoss die Kontakte in alle Bereichen der Schule. Von den Köchinnen bekam er zum Beispiel manchmal etwas vom Frühstück ab. Noch heute kann er sich an das „sehr gute Müsli“ erinnern, das die Frauen zubereiteten. Etwa 300 Personen galt es, zu verköstigen. Dafür wuchteten die Frauen teils schwere Kochtöpfe hin und her.
Großputz in den Sommerferien
Mit einem Lächeln erinnert sich Volz auch an die Frauen, die im Sommer den Großputz verrichteten. Die gesamten Ferien seien dafür genutzt worden: „Da kamen auch die Fenster an die Reihe und die Matratzen wurden gelüftet und geklopft, für mindestens zirka 250 Betten. Die Flure wurden nass geschrubbt.“ Die Putzfrauen seien eine lustige Truppe gewesen.
Volz: „Die Küche war in den Ferien hauptsächlich für sie in Betrieb. Sie wurden auch mit Kaffee und Kuchen bei Laune gehalten.“ Die Geräuschkulisse der Gespräche der Frauen hat er nach wie vor als „eindrucksvoll“ in Erinnerung. Im Alltag war die Putzkolonne übrigens nicht für die Schülerzimmer verantwortlich. Dies oblag den Schülern selbst. Die Frauen kümmerten sich nur um die übrigen Räume und Treppenhäuser.
Kehren des Bernhardusganges macht viel Mühe
Besonders unbeliebt war dem jungen Hubert und anderen Helfern das Fegen des Bernhardusganges: „Das war meistens zum Wochenende hin zu erledigen. Der lange Flur wurde von Hand mit großen Kokosbesen gekehrt. Das war wegen der Nischen und vielen Ritzen zwischen den Steinplatten sehr mühevoll.“
Außerdem seien die Nischen im Flur zum Münster mit Fahrrädern belegt gewesen. Um beim Kehren allzu große Staubentwicklung zu vermeiden, wurde vorher angefeuchtetes Sägemehl verstreut. Das musste natürlich auch wieder aufgekehrt werden. Volz geht davon aus, dass drei Personen bis zu vier Stunden mit dieser Arbeit beschäftigt waren.

Familie Volz hat Wohnung mit mehreren Zimmern
Gewohnt hat die Familie im Schloss, am Anfang in einer Dreizimmerwohnung. Dann wurden von einem Flur weitere zwei Zimmer abgetrennt. Das Bad mit WC befand sich nach Angaben des Rentners auf dem Flur. So sei man nachts auf dem Weg zur Toilette im Schlafanzug gelegentlich den Nachbarn begegnet. Doch das Bad habe allen Komfort gehabt: ein Spül-WC und einen Holzkohlebadeofen.
Essen konnte Familie Volz über die Küche beziehen und die Kleidung in die Wäscherei geben – alles gegen einen geringen Kostenersatz. Auch sei bei den Arbeitszeiten auf Familien und Frauen mit Kindern geachtet worden, sagt Volz. Später zogen seine Eltern noch ins Obere Tor.
Volksschule war im heutigen Juniorenbau der Schule Schloss Salem untergebracht
Hubert Volz besuchte zunächst die Volksschule, die sich im heutigen Juniorenbau der Schule Schloss Salem befunden hat. Alle Kinder aus Stefansfeld und Tüfingen seien dort zur Schule gegangen. Erst Ende der 60er Jahre sei die Schule in Stefansfeld gebaut worden, berichtete Volz. Erst sein letztes Schuljahr verbrachte er im Dorf. Dann wechselte er auf die höhere Handelsschule in Überlingen und arbeitete danach bei der Sparkasse. Die Lebensumstände im Schloss beschreibt er als außergewöhnlich.
Kurt Hahn „eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit“
„Es war wirklich schön. Die hohen Räume mit den Gewölben“, schwärmt er. Gerne denkt Volz an Schulmitbegründer Kurt Hahn zurück, den er über mehrere Jahre erlebte: „Er war eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit.“ Selbst sein Erscheinungsbild sei sehr würdevoll gewesen. Hahn habe seinen festen Wohnsitz in der Zweigschule in Hermannsberg gehabt. Nach Salem sei er tageweise gekommen.
„Nur selten übernachtete er in seinem Zimmer im Nordflügel des Schlosses unterhalb des jetzigen Kreisarchives. Er kam stets mit seiner Sekretärin, Frau Vobiller, die ihn auch in einem schönen dunkelgrünen Mercedes chauffierte“, sagt Volz. Nach Aussage des 68-Jährigen führte Hahns erster Weg ihn immer in das Büro der Schul- und Studienleitung.

Den Gang des Pädagogen beschreibt Volz als energisch. Trotz seines hohen Alters. Hahn starb 1974. „Die Treppen bewältigte er wie ein junger Mensch und ohne die Handläufe anzufassen. Lediglich die leicht gebäugte Kopfhaltung ließ erkennen, dass es sich um einen älteren Menschen handelt“, beschreibt Volz. Auf dem Kopf habe er stets einen großen Hut getragen, den er auch im Haus aufbehalten habe.
Auch die kleinen Leute habe Hahn freundlich und mit Namen gegrüßt. Volz‘ Vater sei immer schon vor den Besuchen informiert worden, um den Kachelofen in Hahns Zimmer anzuheizen. Dafür habe sich Hahn jedes Mal bedankt, entweder persönlich oder er schickte seine Sekretärin vorbei, um dies stellvertretend zu tun.
Heizen musste Paul Volz ebenso für Marina Ewald, eine „enge Weggefährtin und Mitarbeiterin von Hahn„. Sie hatte die Schule Schloss Salem im November 1945 wiedereröffnet und war zu Volz‘ Jugendzeit bereits im Ruhestand. Trotzdem wohnte sie im Schloss und betreute eine Stiftung.
„Für mich persönlich war Marina Ewald eine liebe alte Frau, die mich als jungen Sammler mit reichlich schönen Briefmarken aus aller Welt versorgte. Sie schnitt sie für mich fein säuberlich aus und sammelte sie in einer Blechdose für mich, die ich von Zeit zu Zeit bei ihr abholen durfte, nicht ohne mir einiges über die Länder, aus welchen die Marken stammten, zu erzählen“, erinnert sich Hubert Volz. Marina Ewald lebte bis 1976.
Es gibt viele Geschichten aus Salem zu erzählen
Hubert Volz hat seine Erinnerungen als Stoffsammlung niederschrieben. Diese umfasst bislang neuneinhalb getippte DIN-A4-Seiten. Zu lesen ist unter anderem vom Umschichten der Kartoffeln im Keller des Rentamts, von Max, dem betagten Pferd, „das nur noch im Schritt laufen konnte“, und der Wäscherei, wo in alle Kleidungsstücke die Namen der jeweiligen Schüler eingenäht wurden.
Unzählige Mitarbeiter, Lehrer, Schüler und Momente sind ihm im Gedächtnis geblieben, darunter der Besuch von Queen Elizabeth im Jahr 1965. Ganz privat sei sie mit dem Markgrafen im Schlossgarten spazieren gegangen.
Volz gibt an, die wenigsten Schüler namentlich gekannt zu haben: „Trotzdem hatte ich persönlichen Kontakt zu einigen Schülern, die mir deshalb in Erinnerung geblieben sind.“ Er nennt Walter Sittler, der heute als Schauspieler bekannt ist. „Er konnte nicht zusehen, wenn ich schwer zu tragen hatte, und bot stets seine Hilfe an und ließ dem Angebot auch Taten folgen.“
Richard Oetker verschenkt Kuchen an Familie Volz
Richard Oetker sei ebenfalls in Salem gewesen, so Volz, „und erhielt ab und zu von zu Hause in der Fabrik hergestellten Kuchen, auf den er keinen Appetit mehr hatte“. Er verschenkte den Kuchen dann an die Familie Volz. Und ein besonders freundlicher Schüler sei auch Peter Kienzle von der Uhrenfabrik Kienzle in Villingen-Schwenningen gewesen. 1967 sei er sogar zu der Konfirmation von Hubert Volz eingeladen gewesen. Volz könnte die Liste weiter fortsetzen.
Die Schulleiter und Lehrkräfte? Über jeden gäbe es eine Geschichte zu erzählen, meint Volz und spricht Musiklehrer Joachim Bühler an. Der habe sein Musikzimmer neben dem Schlafzimmer von Hubert Volz gehabt und spätabends noch Fingerübungen auf dem Klavier gemacht. Während diese monoton sein konnten, waren die Konzerte umso schöner, sagt er.
Bühler dirigierte das Bodenseesymphonieorchester, Konzerte fanden im Speisesaal statt. „Fast jeden Sonntagabend war jedermann zu einem kostenlosen Konzert im Betsaal eingeladen, einstudiert und geleitet von Joachim Bühler. Es trat hauptsächlich der Schulchor auf, meistens von Orgel- oder Instrumentalmusik begleitet“, erzählt Volz.
Hubert Volz arbeitet noch heute gerne ums Haus
Der Renter schätzt die Erfahrungen, die er machen durfte. Noch heute arbeite er gerne. „Es muss immer etwas laufen“, sagt Volz – im Haus oder im Garten. Mit Kleinreparaturen komme er gut zurecht. Seinen Vater habe er auch noch im Alter dafür bewundert, wie schwer er heben konnte.
Volz denkt, dass sein Vater manchmal gerne etwas mehr Freizeit gehabt hätte. Paul Volz hatte wöchentlich einen halben Tag und jedes dritte Wochenende frei, in den Sommerferien zwei bis drei Wochen. Doch die schwere Arbeit sei er aus der Landwirtschaft gewöhnt gewesen. Zu seinem Sohn pflegte er bei den gemeinsamen Tätigkeiten zu sagen: „Du lernst etwas und machst keinen Unsinn wie deine Kameraden im Dorf.“ Noch heute lebt Hubert Volz in diesem Dorf: in Stefansfeld.