Weil es im Herbst immer länger warm bleibt, fliegen viele Vögel auch wesentlich später in ihr Überwinterungsquartier. Das gilt auch für die Waldrappen, die in Europa fast ausgestorben waren. Dank eines Artenschutzprogramms gibt es jetzt wieder rund 250 Tiere. Seit 2017 läuft das Wiederansiedlungsprojekt, in dessen Zuge sich die Stadt Überlingen als Koloniestandort beweisen soll, denn bereits im Mittelalter waren die Tiere in der Stadt heimisch.
Die Tiere fühlen sich aber nicht nur in Überlingen wohl, sondern auch im Hinterland. Vergangene Woche sichtete Lothar Preiser auf dem Dach der Feuerwehr in Salem Mitte. Offensichtlich sammeln sich die Vögel, um in wärmere Gefilde zu fliegen, wo sie überwintern. Jungtiere aus Österreich sind inzwischen schon in Italien angekommen.
Das Waldrappteam mit 28 jungen Vögeln ist inzwischen in der südlichen Toskana angekommen, teilt das Waldrappteam Conservation & Research von Johannes Fritz in einer Pressemitteilung mit. Sie haben damit ihr Wintergebiet erreicht. Hier werden sie vorerst bleiben, bis sie nach zwei bis drei Jahren in ihr Brutgebiet in Österreich zurückkehren, um dort Nachkommen aufzuziehen.
Vögel überqueren Alpen zuverlässig
Sie flogen in fünf Flugetappen nach Italien. Diese fünf Flugetappen führen über eine Strecke von 770 Kilometer von Seekirchen am Wallersee bis in die südliche Toskana. Johannes Fritz: „Wir konnten die Methodik der menschengeführten Migration in den letzten Jahren stetig optimieren. Aber dass Waldrappe derart motiviert und zuverlässig mitfliegen wie das in diesem Jahr der Fall war, haben wir alle nicht erwartet.“ Auch im schwierigen Gelände der Alpen und des Apennin folgten die Vögel zuverlässig. Sie flogen meist in energiesparendem Formationsflug, ließen sich aber auch gemeinsam mit den Fluggeräten in Aufwinden bis in die Gletscherregion der Zillertaler Alpen hochtragen.
Zweites Projekt zur Wiederansiedlung
Die erfolgreiche Migration trägt zum Überleben der europäischen Waldrapp-Population bei, die inzwischen annähernd 200 Tiere umfasst. Begonnen hat die Wiederansiedlung dieser migrierenden Population 2014 im Rahmen eines europäischen Life-Projektes. Vorausgegangen ist eine 13 Jahre dauernde Machbarkeitsstudie. Ab 2022 beginnt ein zweites, siebenjähriges Life-Projekt, in dessen Rahmen die Wiederansiedlung fortgeführt und abgeschlossen werden soll. Johannes Fritz: „Diese erfolgreiche Migration ist ein Beispiel für die immer umfangreicheren Möglichkeiten des modernen Artenschutzes und ein Grund zur Hoffnung für das Überleben der Waldrappe. Wir wollen unsere Methode aber auch bei anderen Zugvogelarten zur Anwendung bringen, denn die Anzahl bedrohter Arten nimmt weltweit rasant zu und stellt den Artenschutz vor sehr große Herausforderungen.“