Bereits seit einigen Monaten knüpfen junge Kulturschaffende an einem immer dichter werdenden Netzwerk kreativer Menschen, die auf der Suche nach einem festen gemeinsamen Standort sind, wie es ihn in anderen Städten gibt. Um zu arbeiten, Kontakte zu knüpfen, sich auszutauschen und sich zu präsentieren – als junge Bereicherung und für die Belebung der Stadt Überlingen.

Inzwischen haben sie sich im Verein Kulturschutzgebiet Überlingen zusammengeschlossen. Da es den ersehnten Standort bislang noch nicht gibt, haben sie zuletzt aus der Not heraus das Format des „Fliegenden Teppichs“ entwickelt, der in den vergangenen Wochen an verschiedenen Plätzen gelandet ist – unter anderem in einer Yoga-Schule und der Skid-Galerie, in einer Kaffeerösterei in Heiligenberg und auf dem Weltacker.

Der „Fliegende Teppich“ sucht einen festen Landeplatz: Sängerin Isabell Marquardt hatte beim jüngsten Treffen einen Teil ...
Der „Fliegende Teppich“ sucht einen festen Landeplatz: Sängerin Isabell Marquardt hatte beim jüngsten Treffen einen Teil ihres Chores von der Kleinen Oper am See mitgebracht, machte Stimmübungen mit den Besuchern und gab ein kleines Konzert. | Bild: Hanspeter Walter

Verein Kulturschutzgebiet sucht festen Standort

Doch die Initiative hat eine Vision: einen festen Platz auf dem ehemaligen Kramer-Areal, für das bisher weder vom Eigentümer Wacker Neuson noch von der Stadt konkrete Vorstellungen für die künftige städtebauliche Entwicklung in der Öffentlichkeit benannt worden sind.

„Die Kramer-Halle, mit ihrem in Überlingen einmaligen Gründerzeitcharme und ihrem symbolischen Wert, ist unser favorisiertes Objekt“, hat der Verein in einem Papier formuliert: „Wir arbeiten auf ein Nutzungskonzept hin, das im Kern regionale Nachfrage nach kulturellen und kreativwirtschaftlichen Räumen in Augenschein nimmt. Wir verstehen uns als Impulsgeber, um mit anderen Kulturmachern und der Stadt gemeinsam ein zukunftsfähiges Quartier zu gestalten.“

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Perspektiven auch für junge Künstler

Ziel ist es, unter anderem Ateliers sowie Probe- und Aufführungsräume zu etablieren. Auch Begegnungsstätten und ein Kulturcafé werden als Perspektiven genannt. Ein besonderes Augenmerk wollen die Kreativen dabei auf die Jugendkultur legen. „Wir sind junge Kulturschaffende, die auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive sind“, betonte Anna-Lena Weidemann, die zu den Gründungsmitgliedern gehört und derzeit als Zirkuspädagogin arbeitet, beim jüngsten „Fliegenden Teppich“ im evangelischen Gemeindesaal.

La Traviata auf dem „Fliegenden Teppich“: Isabell Marquardt und Gerhard Rimmele mit einem Teil des Chores der Kleinen Oper ...
La Traviata auf dem „Fliegenden Teppich“: Isabell Marquardt und Gerhard Rimmele mit einem Teil des Chores der Kleinen Oper am See. | Bild: Hanspeter Walter

Zu Gast waren an diesem Abend Sängerin Isabell Marquardt mit einem Teil des Kleinen-Oper-Chores sowie Diana Lukas und Lukas Müller von der Freien Kunstakademie, die sich mit einem kleinen Konzert und Bildern als Facette des Überlinger Kulturlebens präsentierten.

Kleine Oper am See sucht aktuell nach Räumen

Auch die Kleine Oper am See sucht nach Aufführungsräumen, wie Isabell Marquardt deutlich machte. Und die Kunstakademie hat Absolventen, die gerne ein bezahlbares Atelier hätten. „Wir haben uns das Kramer-Gelände und die Gebäude angeschaut“, berichtete Anna-Lena Weidemann. Dort hätten sich „große Möglichkeitsräume und Visionen aufgetan“, sagte sie und nannte es eine Chance für Überlingen, hier einen „Zukunftsort“ wachsen zu lassen.

Anna-Lena Weidemann (rechts) ist Mitbegründerin des Vereins Kulturschutzgebiet Überlingen, Elinor Bender organisiert die Veranstaltungen ...
Anna-Lena Weidemann (rechts) ist Mitbegründerin des Vereins Kulturschutzgebiet Überlingen, Elinor Bender organisiert die Veranstaltungen des „Fliegenden Teppichs“ an verschiedenen Standorten. | Bild: Hanspeter Walter

Es gebe für derlei Projekt viele Beispiele, ja sogar Leitfäden für Kommunen und Interessenten. „Die Stadt muss hier nichts riskieren, wenn sie einem Zukunftsort in Überlingen die Arme öffnet. Es geht um Künstler und Künstlerinnen, die das nicht als Hobby, sondern beruflich machen“, erklärte Weidemann. „Es sind Kreative, die nicht Bewährtes produzieren, sondern Neues entwickeln wollen, von dem sie noch gar nicht wissen, ob sie damit Erfolg haben werden.“ Deshalb bedürfe es eines geschützten Raumes, wo dies geschehen könne.

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Vorbilder gibt es in vielen deutschen Städten

Vor diesem Hintergrund hat die Initiative den Verein Kulturschutzgebiet Überlingen gegründet, in Anlehnung an einen Begriff, wie er in vielen deutschen Städten Fuß gefasst hat. Vorbilder sind nicht nur die Wagenhallen in Stuttgart oder die Alte Weberei in Tübingen, sondern auch das Projekt „Summer of Pioneers“ aus dem Jahr 2021 im kleinen Tengen, wo junge Künstler zumindest temporär das Schloss als kreativen Arbeitsraum nutzen konnten.

Zur Stärkung und Erweiterung des Netzwerkes habe man im Sommer das Format des „Fliegenden Teppichs“ entwickelt, erklärte Elinor Bender, die als Theaterpädagogin und Performance-Künstlerin aus Bremen an den Bodensee kam. Quasi im Schneeballeffekt erweiterte sich der Kreis der Kreativen von Veranstaltung zu Veranstaltung zusehends. Die Künstler hoffen nun, mit dem gewonnen Rückhalt einem Zukunftsort für Kultur näher zu kommen.

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