Es gleicht einer Quadratur des Kreises. Im künftigen Wohngebiet Südlich Härlen will die Stadt künftig nicht nur eine völlig autarke Lösung für das Niederschlagswasser umsetzen, sondern auch eine hohe Aufenthaltsqualität in den Freiräumen bieten und zugleich die vorhandenen Flächen für möglichst viel Wohnraum nutzen. Dass hier eine sogenannte „Schwammstadt“ entstehe, die auch starke Niederschläge komplett innerhalb der eigenen Grenzen zurückhalten könne, darauf hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler in den vergangenen Monaten immer wieder voller Stolz hingewiesen.
Doch die Realisierung des von der Planstatt Senner und dem Ingenieurbüro Langenbach entwickelten und optimierten Konzepts scheint vor dem Hintergrund der vielfachen Anforderungen schwieriger als gedacht. Hinter den Kulissen hatte es angesichts der riesigen Gräben, die bei den Erschließungsarbeiten plötzlich sichtbar geworden waren, seit Längerem immer wieder Irritationen und Kritik in den verantwortlichen Gremien gegeben.
Warum die Leitung zum Bodensee nicht kommt
Mehrfach war von „Fischteichen“ die Rede, als die Verantwortlichen der beiden Planungsbüros dem Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr (ABTV) ihr zwischenzeitlich modifiziertes und optimiertes Konzept erläuterten. In den Anfängen der Erschließungsplanung war zur Beseitigung des Niederschlagswassers zunächst eine teure Leitung hinunter zum See angedacht worden, um der Trennung von Schmutz- und Regenwasser und damit einer Entlastung der Kläranlage gerecht zu werden.
Angesichts der zu erwartenden hohen Kosten und der Komplikationen, was die Grundstücksverhältnisse angeht, rückte man von dieser Option wieder ab und konzentrierte sich ganz auf die Verdunstung und die Versickerung des Regenwassers, wie Philipp Padur von der Planstatt Senner erläuterte. Mit seiner Darstellung des Vorgehens versuchte Padur, „die entstandenen Irritationen auszuräumen“.
Das ist das Planungsszenario
Um auf Nummer sicher zu gehen, sind die Planer bei ihren Berechnungen von einem sogenannten 100-jährigen Hochwasser ausgegangen. Zur zwischenzeitlichen Aufnahme des Wassers dienen Retentionsmulden, Versickerungsflächen und Rigolen. Wobei Sicherheitsaspekte vor dem Hintergrund der Wassertiefe in den Mulden eine wichtige Rolle spielen. In der Regel sei eine Einstautiefe von lediglich 30 Zentimeter zulässig. Nach langen Verhandlungen mit den Versicherern habe man sich auf 50 Zentimeter Tiefe verständigen können, berichtete Philipp Padur, ohne ein höheres Risiko eingehen zu müssen. Dadurch könne man viel unterirdischen Retentionsraum einsparen.
„Das sieht brutal aus“, sagte Stadtrat Ingo Woerner (FDP). Mancher Betrachter frage sich: „Was bauen wir hier eigentlich?“ Man habe ursprünglich von einer „grünen Fuge“ gesprochen, später seien es Retentionsflächen gewesen, die sich 2024 zu einer Art „Fischzucht“ zu entwickeln schienen. Von den ersten Vorstellungen sei das skizzierte Ergebnis plötzlich weit entfernt gewesen.

Teure Gutachten und Verlust von Freiraum
„Sie haben diese Entwässerung nach intensiven Diskussionen beschlossen“, erinnerte Baubürgermeister Thomas Kölschbach. Die Suche nach realisierbaren Lösungen habe ihm „einige schlaflose Nächte“ bereitet. Die Stadt habe mehrere Geologen mit teuren Gutachten beauftragt. „Der eine sagte: Das geht überhaupt nicht. Dann haben wir den nächsten genommen.“ Beschlusslage sei auch die Erweiterung der Bauflächen. In der Tat habe man rund 5000 Quadratmeter Freiraum dadurch verloren. Das Spital brauche allerdings auch das Geld, um oben den „doppelten Donut“ hinzustellen, wie Kölschbach das künftige Pflegezentrum bezeichnete. Doch könne die Stadt für sich in Anspruch nehmen: „Wir leiten nicht einen Tropfen Wasser in den Bodensee ein.“
Projekt hat Strahlkraft
Er habe vehement auf Nachbesserungen gedrängt, betonte Stadtplaner und Stadtrat Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne). Wobei es ihm nicht um Rechthaberei gehe, sagte er. Doch habe das Projekt Bedeutung über die Grenzen Überlingens hinaus. Man könne dabei viel lernen. Aus seiner Sicht hätte man vieles anders und besser machen können, bekräftige Dreiseitl dennoch. Das müsse man für künftige Projekte daraus lernen. Wichtig sei ihm, dass man keine umzäunten Räume brauche und einige Flächen multifunktional nutzen könne. Allen sei an einem Ergebnis gelegen, „auf das wir als Stadt am Ende stolz sein können.“
In einem Editorial für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Regenwassermanagement“ hat Dreiseitl wichtige Grundsätze dargelegt und vor Fehlern gewarnt. Häufig würden die Sammelsysteme ohne Not frosttief verlegt. Darüber hinaus ermögliche die oberflächennahe Behandlung von Niederschlagswasser „eine bessere Wahrnehmung dieser Systeme als integraler Bestandteil des öffentlichen Raums. Umweltbewusstsein und Identifikation der Bevölkerung mit der städtischen Infrastruktur werden dadurch gestärkt.“