„Essen Sie kein Vollkornbrot?“ Die Frage geht an einen Zeugen im Prozess um eine mutmaßliche Terrorgruppe um Heinrich XIII Prinz Reuß. Es ist Tag sechs der Hauptverhandlung am Oberlandesgericht Frankfurt. „Sie müssen diese Frage nicht beantworten“, springt der Vorsitzende Richter Bonk dem Zeugen bei. Denn es habe keine Beweiskraft, ob er Vollkornbrot esse oder nicht.

Die Frage nach dem Vollkornbrot gibt Einblick in einen der größten Staatsschutzprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik. Neun Angeklagte, darunter die vom Bodensee stammende Johanna Findeisen, sind angeklagt, einen Umsturz der bestehenden Staatsordnung geplant und dabei Tote in Kauf genommen zu haben. Der Prozess verläuft zäh. Er ist vorläufig bis Januar 2025 angesetzt, kann sich aber in die Länge ziehen, wenn dauernd Details wie die Vorliebe für Vollkornbrot besprochen werden. Darauf gibt dieser Prozesstag einen Vorgeschmack.

Das könnte Sie auch interessieren

Das schmucklose Gerichtsgebäude steht in einem Frankfurter Industriegebiet, in Hörweite der A5. Das Gelände ist mit Nato-Stacheldraht gesichert. Die Besucherplätze in dem containerartigen Bau sind vom Gerichtssaal mit einer schalldichten Glasscheibe abgetrennt. Man hört nur, was ins offene Mikrophon gesprochen wird. So auch die Aufforderung eines Rechtsanwalts an den Vorsitzenden Richter: „Können Sie bitte das Kaltluftfoltergerät ausschalten?“ Antwort Bonk, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt: „Wenn Sie das Klimagerät meinen: Ja, dafür könnte ich sorgen.“

Rüdiger von Pescatore salutiert seinem Anwalt

Die Angeklagten werden einzeln in den Saal geführt. Sie werden jeweils von zwei Wachtmeistern untergehakt. Der ehemalige Oberstleutnant Rüdiger von Pescatore salutiert seinem Rechtsanwalt, bevor er ihm die Hand gibt. Als der Hauptangeklagte Heinrich XIII Prinz Reuß den Saal betritt, raunt eine Frau auf den Besucherplätzen: „Der hat extrem abgenommen.“

In einem Corso aus vier Mannschaftswagen werden die Angeklagten zum Gericht in Frankfurt gebracht.
In einem Corso aus vier Mannschaftswagen werden die Angeklagten zum Gericht in Frankfurt gebracht. | Bild: Hilser, Stefan

Johanna Findeisen umarmt ihren Verteidiger

Johanna Findeisen, so beschreibt es ein Journalist, der bislang alle Prozesstage verfolgte, „ist die Stimmungskanone im Gericht“. Als sie, untergehakt von einem Wachtmeister und einer Wachtmeisterin, an Tag sechs in den Saal geführt wird, scherzt sie mit den beiden Uniformierten. Was sie sagt, ist ja nicht zu hören, es sieht aber nach einer fröhlichen Unterhaltung aus. Auch mit ihren drei Anwälten gibt es während des Prozesstages viel zu Lachen, man umarmt und herzt sich zur Begrüßung.

Wir fragen Wahlverteidiger Martin Schwab, ob er bestätigen könne, dass Frau Findeisen gute Laune hat und ob er erklären könne, woraus sie die nach außen demonstrierte Kraft bezieht. Der Rechtsanwalt antwortet, dass er darüber nur mit Zustimmung Findeisens Auskunft geben dürfe. Seine Prognose laute aber: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass meine Mandantin bereit ist, dem SÜDKURIER über ihre Gemütsverfassung Auskunft zu geben.“

Das könnte Sie auch interessieren

Besucherin malt Findeisen ein Herz

In einer Verhandlungspause drückt eine Besucherin ein selbst gemaltes Bild mit rotem Herz und gelber Sonne gegen die Glasscheibe. Als ihr Findeisen lachend zuwinkt, ruft die Besucherin entzückt: „Wie süß!“ Ein Wachtmeister verlangt, das Blatt sehen zu dürfen, um festzustellen, ob hier eine unerlaubte Kontaktaktaufnahme oder versteckte Botschaft vorliegt, was die Besucherin mit den Worten kommentiert: „Ach ja, stimmt, das Menschliche ist hier nicht vorgesehen.“

Polizisten bewachen das provisorisch errichtete Gerichtsgebäude des OLG Frankfurt, in dem einer Gruppe von neun Angeklagten um Prinz ...
Polizisten bewachen das provisorisch errichtete Gerichtsgebäude des OLG Frankfurt, in dem einer Gruppe von neun Angeklagten um Prinz Reuß der Prozess gemacht wird. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. | Bild: Hilser, Stefan

Unter den Besuchern ist auch ein Freund der Angeklagten Birgit Malsack-Winkemann. Man winkt sich zu. Der Mann aus Berlin berichtet unserer Redaktion, dass er die Ex-Bundestagsabgeordnete im Gefängnis besucht habe und er Mitglied der AfD sei. Er hält den Prozess für eine Farce. „Ein Verfahren, das die weisungsgebunde Generalbundesanwaltschaft mithilfe einiger Presseorgane als stalinistischen Schauprozess zu inszenieren versucht.“

Was man im Büro von Prinz Reuß so findet

Der zum Brot befragte Zeuge ist ein Beamter des Bundeskriminalamts, der im Dezember 2022 an einer Razzia in den Büroräumen des mutmaßlichen Rädelsführers, Prinz Reuß, beteiligt war. Er fand Hängeregister mit Titeln wie „Tribunalliste“ und „Russland Proklamation“. Eine Telefonliste mit den Namen von Leuten, die nun neben Reuß auf der Anklagebank sitzen, war ebenfalls in seinem Büro abgeheftet. Außerdem Schriften des vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistischen Esoteriker“ eingestuften Autors Jan Udo Holey (Pseudonym Jan van Helsing). Im Büro fand sich auch ein Satellitentelefon, mit dem Reuß nach Überzeugung der Anklage für den Fall vorsorgen wollte, dass er im erwarteten nationalen Chaos und bei einem Zusammenbruch des Telefon-Netzes weiter mit seinen Leuten Kontakt halten könne.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Dosenbrot und andere haltbare Lebensmittel deutete der Kripobeamte als ein mögliches Indiz dafür, dass sich Prinz Reuß für unsichere Zeiten wappnete. Er fotografierte es. Eine Verteidigerin zweifelte am Sinn der Fotografie in den Prozessakten und bohrte, begleitet von amüsierten Blicken ihrer Mandantin Malsack-Winkemann, beim Zeugen nach, ob er auch ein Foto gemacht hätte, wenn im Büro drei Packungen Cornflakes gestanden hätten? „Im Zweifel möglicherweise ja“, lautete die nüchterne Antwort des Kriminalbeamten. Ein anderer Verteidiger ließ nicht locker und fragte den Zeugen erneut: „Essen Sie kein Brot?“

Verteidigung klagt über lange Sitzungstage

Eigentlich waren an Tag sechs des Prozesses vier Zeugen geladen. Zwei wurden wieder ausgeladen. Denn die Zeit für diesen Prozesstag war abgelaufen. Bereits an Tag fünf wurde um gut drei Stunden bis 19 Uhr überzogen, was die Beschwerde von Roman von Alvensleben provozierte, dem Verteidiger von Prinz Reuß. Die Auffassungsgabe nach so vielen Stunden sei nicht nur bei seinem Mandanten nicht mehr gegeben, und wenn die Angeklagten verspätet zum Abendessen in die Justizvollzugsanstalt kämen, gebe es für sie nichts mehr zu Essen, was Findeisen mit einem Kopfnicken bestätigte. Senatsvorsitzender Bonk gab ihm recht, „das ist nicht glücklich“. Der Richter drehte den Spieß aber um: „Ich appelliere an alle Beteiligten, dass Sie Ihre Anträge außerhalb der Verhandlung anbringen. Das würde etwas die Hauptverhandlung entlasten.“