Eine gebrochene Nase, Verletzungen am Jochbein sowie an der Augen- und Kieferhöhle, dazu Schwellungen, Nasenbluten und Schürfwunden: Diese starken Gesichtsverletzungen erlitt ein 69-jähriger Mann aus dem westlichen Bodenseekreis im Dezember 2021 bei einem Zwischenfall in seinem Hotel.
Doch wie kam es zu dem Vorfall? Dieser Frage ging Richter Alexander von Kennel in einer Verhandlung am Amtsgericht Überlingen nach. Als Angeklagte waren zwei Brüder, ebenfalls aus dem Bodenseekreis, geladen. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen gefährliche Körperverletzung vor.
Am Tag des Vorfalls soll der jüngere Bruder (33) den Geschädigten in dessen Hotel im Bodenseekreis mit einem wuchtigen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben. Daraufhin fiel der 69-Jährige zu Boden und wurde – so der Staatsanwalt – vom älteren Bruder (35) getreten. Der Geschädigte erlitt Frakturen im Gesicht und musste operiert werden.
Die Szenerie an besagtem Abend spielte sich vor dem Hintergrund der Auflösung eines Geschäftsverhältnisses zwischen dem Hotelier und dem jüngeren angeklagten Bruder ab, der im Hotel des Geschädigten ein Restaurant betrieb. Am Tag des Vorfalls sei der 33-Jährige bereits mit dem Umzug aus dem Restaurant beschäftigt gewesen.
Was war der Auslöser des Konflikts?
Die endgültigen Papiere für die Auflösung des Geschäftsverhältnisses hätten wenige Tage später unterschrieben werden sollen. Das bestätigten die Aussagen der Angeklagten und des Hoteliers. Doch der 69-jährige Hotelbetreiber schob an jenem Tag doch einen Riegel vor die Pläne. Er sei mit den Konditionen nicht zufrieden gewesen, sagte er bei der Verhandlung.
War diese Situation Auslöser für einen Konflikt zwischen den Parteien? Wie der angeklagte Gastwirt betonte, sei er wegen dieser Tatsache nicht sauer gewesen – nur „enttäuscht“. Im Laufe des Tages kam es dann jedoch zum Zusammenstoß zwischen Gastwirt und Hotelier. Der Hotelier habe das Restaurant aufgesucht und an die Küchentür geklopft. „Wir haben ihm keine Beachtung geschenkt. Dann ist er zur anderen Tür gelaufen“, sagte der Angeklagte.
Angeklagter: „Er hatte hier schon Hausverbot“
Daraufhin stürmte der 33-Jährige zur Tür und schrie den Mann an, er solle das Restaurant verlassen. „Er hatte hier schon Hausverbot.“ Wie der Angeklagte weiter rekonstruierte, sei er vom 69-Jährigen am Arm gepackt worden und mit ihm aus der Tür herausgefallen – über eine etwa zehn Zentimeter hohe Schwelle. „Mein Bruder kam von hinten, weil er mir helfen wollte, und flog mit uns auf den Boden“, erzählte der Gastwirt.
Während die Brüder quasi unverletzt aus der Situation herauskamen, in die Küche flüchteten und die Polizei verständigten, hatte sich der Hotelier bei dem Vorfall schwer verletzt. Seinen Aussagen zufolge habe er vor dem Sturz einen Schlag ins Gesicht bekommen. Daran konnte er sich am Verhandlungstag, zu dem er als Nebenkläger erschien, noch erinnern.
Geschädigter: „Ich öffnete die Tür und bekam einen Schlag“
„Ich war an dem Tag in meinem Büro und konnte mich wegen lauter Musik im Restaurant nicht konzentrieren. Deswegen wollte fragen, ob sie die Musik nicht leiser drehen können“, erzählte er. Als sich auf sein Klopfen an der Küchentür niemand regte, versuchte er es an der nächsten Tür. „Ich öffnete die Tür und bekam einen Schlag ins Gesicht“, so der 69-Jährige.
„Weil ich benommen war, packte ich den Mann vor mir am Arm, wir fielen nach hinten.“ An den weiteren Verlauf konnte sich der Senior nicht genau erinnern. Er mutmaßte: „Ein anderer Mann wollte mich treten, als ich am Boden war. Ich konnte den Tritt vermutlich abwehren.“ Den Schlag, den der Geschädigte vom Gastwirt bekommen haben soll, wies dieser bis zum Ende der Verhandlung zurück.
Zeugen waren der Bruder und die Frau des Angeklagten. Beide befanden sich zum Zeitpunkt des Vorfalls im Restaurant. Während der Bruder dem Angeklagten zur Hilfe eilte und mit den Männern umfiel, stieß die Frau erst dazu, als die Männer am Boden lagen. Sie sagte vor Gericht: „Mir fehlen ein paar Sekunden. Ich kann nicht genau sagen, wie die drei auf den Boden gefallen sind.“
Was sagt der Rechtsmediziner?
Schließlich lag es an einem Rechtsmediziner, den Vorfall für den Richter zu rekonstruieren. „Es muss eine sehr wuchtige und flächige Einwirkung gewesen sein“, erklärte der Mediziner. Aus seiner Sicht kämen drei Möglichkeiten für die Verletzungen im Gesicht des 69-Jährigen in Betracht: ein (Faust)Schlag, ein Tritt oder ein Sturz.
Am plausibelsten erschien dem Experten ein Schlag ins Gesicht. „Die Verletzungen passen genau in das Muster, das ein Schlag auslösen kann.“ Einen angeblichen Tritt, nachdem der 69-Jährige bereits am Boden lag, hielt er für unwahrscheinlich. Dafür fehlten Verletzungen.
Richter Alexander von Kennel verließ sich bei seiner Urteilsbegründung auf die Erklärungen des Rechtsmediziners. Er verurteilte den 33-jährigen Gastwirt wegen einfacher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Euro sowie Schmerzensgeld in Höhe von 7000 Euro.
Zwar hatte die Staatsanwaltschaft zehn Monate Freiheitsstrafe gefordert, die Nebenklage sogar anderthalb Jahre, doch von Kennel sah eine gefährliche Körperverletzung nicht als erwiesen an. „Es ist mir zu unsicher, ob der Faustschlag wirklich darauf ausgelegt war, gefährlich zu sein“, begründete er.
Freispruch für älteren Bruder
Richter Alexander von Kennel sprach den zweiten Angeklagten im Rahmen der Verhandlung frei. Ihm wurde anfangs von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, den Geschädigten getreten zu haben. Doch dies sah von Kennel nach der Beweisaufnahme als „nicht nachweisbar“ an. Es seien keinerlei Verletzungen sichtbar gewesen.