Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest wenn man die Gelegenheit hat, mit dem Ornithologen Michael Brantner und Anne-Gabriela Schmalstieg von der Heinz-Sielmann-Stiftung draußen am Waldrand bei den neu angelegten Weihern zu beobachten, wie die Morgensonne den letzten Nebelfetzen über den feuchten Wiesen den Garaus macht. Den Waldrand am neuen Biotop haben sie sich für die vogelkundliche Führung ganz gezielt ausgesucht, um möglichst verschiedene Arten zu hören und zu sehen. Wobei sich Ersteres bald als die leichtere Übung erweisen sollte.
Zugegeben, es ist schon halb acht und im Grunde etwas spät, um dem vollen morgendlichen Gesang zu lauschen. „Eigentlich hätten wir um 5 Uhr hier sein müssen“, sagt Vogelkenner Brantner: „Aber das wollte ich Ihnen nicht zumuten. Dann wären sicher weniger Interessenten da.“ Doch für die Teilnehmer ist es noch genug, was hier munter durcheinander zwitschert. Mit dabei ein Dutzend Interessenten, die frühere Kenntnisse wieder auffrischen wollen, praktizierende Biologielehrer oder leidenschaftliche Naturfreunde.

Vogelkundler kennt keine Argumente gegen Sommerfütterung
„Wir verfüttern jedes Jahr 150 Kilogramm Futter in unserem Garten“ , sagt zum Beispiel Thomas Brandt, der am Ortsrand von Bambergen zuhause ist. „Da kommen regelmäßig viele verschiedene Arten, von denen ich nicht mal alle mit dem Namen kenne.“ Und schon steht die Frage im Raum, ob Sommerfütterung oder nicht. Er kenne keine stichhaltigen Argumente, die gegen eine Fütterung sprächen, resümiert Fachmann Brantner seinen Kenntnisstand.
Vogelgesang hat für die Tiere zwei wichtige Gründe
Gerade am Waldrand gibt es viel zu hören und sehen: Die erste Kohlmeise, ein Buchfink, eine Mönchsgrasmücke. Doch warum singen die Vögel überhaupt? Warum rufen sie? „Es gibt zwei Hauptgründe für den auffälligen Gesang“, erklärt Michael Brantner: „Einer ist die Abgrenzung des Reviers als eigenen Lebensraum, der andere die Partnersuche.“ Entsprechend intensiver ist der Gesang der Männchen im Frühjahr zur Brutzeit. Die weit unscheinbareren Rufe können unter anderem zur Kontaktaufnahme oder als Warnung dienen.

Die digitalen Stimmen aus dem Lautsprecher, den der Fachmann mitgebracht hat, wirken Wunder. Sie helfen beim Einprägen und Wiedererkennen in der Natur. Spielt er der Gesang von Buchfink oder Kohlmeise ab, kommt nahezu postwendend die Antwort von den Bäumen.
Vogelfreunde dürfen Tiere nicht in Stress bringen
„Man nennt das auch Kontergesang, wenn die Männchen reagieren“, erklärt Michael Brantner. „Wenn Sie das selbst versuchen, dürfen Sie es nicht zu oft machen“, warnt er davor, den Trick überzustrapazieren. „Die Vögel kommen dann in Stress und glauben ihr Revier verteidigen zu müssen. Dabei müssten sie die Zeit nutzen, um Futter zu suchen.“
Möchnsgrasmücke hört sich an wie ein Glasperlenspiel
Nach dem lauten flötenden Mönchsgrasmücke lernen die Vogelfreunde nach einigen Minuten auch deren unauffällige Zwischenrufe kennen. Michael Brantner baut gerne Brücken, die beim Wiedererkennen hilfreich sein können. „Der unscheinbare Ruf der Mönchsgrasmücke ist ganz typisch“ erklärt er, „und hört sich an, wie wenn man zwei Glasperlen aneinanderschlägt: Bing-bing.“

Ein Vogel, der selber seinen Namen singt
Wie unterschiedlich die Namen der Vogelarten zustande kommen, erklärt Brantner an Beispielen. An der Optik orientiert sich die Mönchsgrasmücke aufgrund der schwarzen Kappe des Männchens, das Rotkehlchen verrät sich schnell durch seine leuchtend gefärbte Brust. „Manche Arten singen auch ihren Namen“, sagt der Fachmann.
Prompt lässt sich der Zilpzalp aus den Baumwipfeln vernehmen: „Zilp-zilp-zalp, zilp-zalp-zalp.“ Der optisch unauffällige kleine Vogel trägt auch noch den Zweitnamen Weidenlaubsänger und outet sich mit seinem dünnen schmalen Schnabel als Insektenfresser, der elegant Blattläuse einsammelt oder die Borke nach Kleingetier absucht.

Merksprüche helfen, sich Vogelarten einzuprägen
Ganz anders der Buchfink mit seinem kräftigen Nussknackerschnabel, der zu den Vegetariern unter den Singvögeln gehört und gerne Samen knackt. „Wenn man seinen Gesang einmal kennt, ist er fast unverwechselbar“, macht Brantner den aufmerksam Lauschenden Hoffnung: „Dazu gehört am Ende meistens der typische Finkenschlag.“ Zum Einprägen der Motive einer bestimmten Vogelart helfe häufig ein kleiner Merkspruch, denn man sich immer wieder vorsagen könne, wie für den Buchfink ein rhythmisches: „Ich – ich – ich – bin ein kleiner Unteroffizier.“

Der Wald hier ist nicht neu und für die Singvögel eine gewohnte Umgebung. Neu sind dagegen die fünf kleinen Weiher, die hier vor zwei Jahren erst entstanden sind und allmählich besiedelt werden. Dass ein allgegenwärtiges Blässhuhn hier auftaucht, ist weniger überraschend. Eher der kleine Zwergtaucher, der die Gewässer bereits erobert hat, und die zugereiste Nilgans, die schon mit ihrem Nachwuchs unterwegs ist.