„Fasnet lebt man, die kommt aus dem Herzen!“ Da sind sich die beiden ehemaligen Narreneltern Thomas Pross und Wolfgang Lechler einig. Doch woher kommt sie eigentlich, die Überlinger Fasnet? Um diese Frage zu klären, muss man viele Jahrhunderte zurückblicken – so alt sind die Traditionen rund um die Narretei.

1430: Fasnet zum ersten Mal offiziell erwähnt
Erstmals erwähnt wurde die Fasnet im Zusammenhang mit Überlingen 1430, also vor fast 600 Jahren. Lechler betont jedoch: „Sie ist bestimmt Jahrhunderte älter.“ Wie auch der Karneval im Rheinland hat die Fasnet am Bodensee ihren Ursprung in großen Festen, bei denen jede Menge Lebensmittel vor der Fastenzeit aufgebraucht wurden. „Bei diesen Festen wurde viel gegessen und viel getrunken“, erklärt Lechler.
1566: Erster Umzug als Waffenschau
Zusätzlich zu den exzessiven Gelagen gab es Umzüge, die als Waffenschauen deklariert waren. Bei diesen Umzügen präsentierten die Bürger ihre Säbel und Schwerter. Die erste Waffenschau fand in Überlingen 1566 statt, die letzte im Jahr 1611. „Nach und nach entwickelten sich die Waffenschauen immer mehr zu Spektakeln, bei denen auch das sogenannte Teufelhäs eine Rolle spielte“, sagt Lechler und weist damit auf den christlichen Ursprung der Narretei hin.
Zum einen sei die Fasnet wegen der christlichen Fastenzeit entstanden und ist fest gekoppelt an das Osterfest – einst betrug die Fastenzeit 40 Tage, seit dem Jahr 1091 sind es 45 Tage. Zum anderen zeigen die Überlieferungen auch, dass die Fasnet früher mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde. Darauf deutet etwa der Psalm 52 hin, in dem es heißt: „Der Narr sprach in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott.“

Aus diesem Zusammenhang heraus entstand das Teufelhäs, ein Kostüm, dass sich die Menschen während der Fasnet in der Kirche ausleihen konnten, um bei Umzügen oder Vorführungen den Gottesleugner darzustellen. Aus dieser Tradition könnten sich etwa Teufel oder andere Dämonen als Fasnetfiguren entwickelt haben.
Ob das Überlinger Hänselehäs direkt auf das Teufelhäs zurückzuführen ist, könne jedoch nur vermutet werden, sagt Thomas Pross. Sicher ist aber: Die Fasnet entstand aus der christlichen Tradition in Kombination mit großen Festen, bei denen gegessen und getrunken wurde.
1603: Letztes Küchlin wird auf der Mainau geholt
Zum Überlinger Brauchtum gehört auch die Jahrhunderte alte Tradition des Küchlin holens. „1553 sind die Überlinger zum ersten Mal zur Mainau gefahren und haben Küchlin geholt“, erklärt Pross. Das Küchlin von der Mainau war damals eine Art Grundsteuer für das in Überlingen stehende Amtshaus der Deutschordens Komturei Mainau, die nur dem Rat der Stadt zugutekam. 1603 wurde des letzte Küchlin auf der Mainau geholt, erst im Jahr 2009 wurde der Brauch wiederbelebt.
1664: Schwerttanz als Fasnetbrauch
Eine weitere überlieferte Tradition ist in Überlingen auch der Schwerttanz. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Zunfttanz im reichsstädtischen Ratsprotokoll 1646. Als Fasnetbrauch war er erstmals im Jahr 1664 aufgeführt worden. Erst 1870 löste sich der Tanz von der Fasnet und wird seither nur noch zu besonderen Anlässen, etwa der Schwedenprozession aufgeführt.
1769: Hänsele in Verbindung mit der Fasnet erwähnt
Wer sich mit der Geschichte der Überlinger Fasnet beschäftigt, kommt an der Traditionsfigur des Überlinger Hänsele nicht vorbei. Das Hänsele wurde 1766 erstmals erwähnt, damals noch im Zusammenhang mit dem Schwerttanz. 1769 wurde es dann zum ersten Mal in Verbindung mit der Fasnet erwähnt. Schon immer ist es nur Männern erlaubt, während der Fasnet in das Hänselehäs zu schlüpfen.

1789: Karbatsche kommt an den Bodensee
Auch die Tradition des Karbatscheschnellens gibt es bereits seit vielen Jahren. Erstmals schriftlich erwähnt wurde die Peitsche aus Hanfseilen 1789 in einem Ratsprotokoll. „Wahrscheinlich ist sie aus Ungarn über Österreich zu uns an den Bodensee gekommen“, erzählt Wolfgang Lechler. Das Schnellen mit der Karbatsche ist seit jeher ein fester Bestandteil der Überlinger Straßenfasnet.

1880: Erstes Foto mit Narreneltern und Hänsele
Das erste überlieferte Foto von Narreneltern und Hänsele machte Alexander Lauterwasser im Jahr 1880 während der Seegfrörne. Die Narreneltern gibt es laut Aufzeichnungen aber schon mindestens seit 1864.

1927: Narrenzunft Überlingen wird gegründet
Um aus der nicht-organisierten Fasnet in Form von Spektakeln, Umzügen und mehr eine organisierte Fasnet zu entwickeln, wurde im Jahr 1927 die Narrenzunft Überlingen gegründet. Sie entstand aus dem Bürgerverein Frohsinn, der sich bereits 1863 formierte. Ebenfalls 1927 wurde auch das erste Narrenkonzert aufgeführt.
1954: Hänselezunft entsteht als Untergruppe
Die Hänselezunft wurde dann 1954 als Untergruppe der Narrenzunft Überlingen gegründet. Besonders in den 80er Jahren stieg die Anzahl der Hänsele sprunghaft an. „Damals gab es schon mehr als 130 Hänsele“, erinnert sich Thomas Pross. Jedes Jahr seien seitdem etwa 30 neue Mitglieder dazugekommen.

2023: Etwa 1400 Mitglieder in der Narrenzunft
Mittlerweile besteht die Narrenzunft Überlingen aus circa 1400 Mitgliedern. Zur Zunft gehören die Hänsele und die Zimmermannsgilde. Daneben gibt es weitere Gruppen, die aber nicht der Narrenzunft angehören. Das sind die Alten Wieber und Altwieberiche sowie die Löwen.
Außerdem gibt es zusätzliche Narrenvereine in den Überlinger Teilorten. Ein weiteres wichtiges Standbein sind die Musikgruppen, etwa die Guggevamps und Seegumper. Thomas Pross und Wolfang Lechler sind sich einig: „Ohne Musik gibt es keine Fasnet.“