„Schlangen und Echsen im Schulhaus“ titelte der SÜDKURIER am 3. Juni 1976, um damit die Eröffnung des Reptilienhauses in Unteruhldingen anzukündigen. Tags darauf war es soweit: Renate und Peter Kisser machten den seinerzeit noch revolutionären Reptilienzoo mit 20 Terrarien und rund 100 Tieren im Wert von 20 000 Mark für die Öffentlichkeit zugängig.

Seit 2005 befindet sich das Reptilienhaus von Renate und Peter Kisser in ihrem neuen Domizil am Parkplatz zum See in Unteruhldingen, wo ...
Seit 2005 befindet sich das Reptilienhaus von Renate und Peter Kisser in ihrem neuen Domizil am Parkplatz zum See in Unteruhldingen, wo ihnen eine Ausstellungsfläche von 300 Quadratmetern zur Verfügung steht. | Bild: Holger Kleinstück

Seitdem kümmern sich die beiden um vom Zoll beschlagnahmte oder ausgesetzte, meist kranke, nicht mehr vermittelbare und verletzte Tiere. Sie hegen und pflegen sie gewissenhaft und liebevoll, denn an erster Stelle stehen immer die Genesung und die gute Unterkunft der Tiere, entsprechend ihrer sonst natürlichen Umgebung.

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Mit ihrem geballten Fach- und Praxiswissen haben sie die exotischen Tiere inzwischen über zwei Millionen Besuchern und der Fachwelt nähergebracht, viele Mythen und Vorurteile ausgeräumt. Doch wie kam es überhaupt dazu, in der ehemaligen Unteruhldinger Grundschule Kaltblüter zeigen zu wollen?

Zunächst Umzug nach Konstanz

Renate Kisser übernahm 1970 eine kleine private Reptiliensammlung ihrer Eltern aus deren Naturkundemuseum in Dornbirn/Österreich. „Zu Aufklärung von Schulklassen gab es immer eine dreimonatige Ausstellung. Meine Mutter und ich haben die Tiere versorgt“, erinnert sich Renate Kisser. Nachdem ihre Eltern in Pension gegangen waren, zog sie mit einem Teil der Tiere nach Konstanz, es folgte eine dreimonatige Aufklärungsausstellung.

Suche nach einem neuen Domizil

Nachdem sich immer mehr Nachwuchs eingestellt hatte und Kisser auch zunehmend geschmuggelte Tiere, die vom Zoll beschlagnahmt wurden, erhielt („es hatte sich rumgesprochen“), wollte sie die Sammlung öffentlich machen und suchte gemeinsam mit ihrem Mann ein Domizil.

Über Nacht wurde das Reptilienhaus im Jahr 1979 deutschlandweit bekannt. Renate Kisser war damals zu Gast in der Ratesendung „Was ...
Über Nacht wurde das Reptilienhaus im Jahr 1979 deutschlandweit bekannt. Renate Kisser war damals zu Gast in der Ratesendung „Was bin ich?“ mit Robert Lembke in der ARD. Das „Schweinderl“ ist heute noch im Eingangsbereich zu finden. | Bild: Reptilienhaus

1975 fanden die Kissers ein leer stehendes Schulgebäude in Unteruhldingen. Gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Karl-Heinz Weber kämpfte Renate Kisser rund ein Jahr um die Realisierung in diesem Gebäude. „Er stand damals ziemlich allein auf weiter Flur mit der Idee des Reptilienhauses. Es gab damals viele Gegner.

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Angst, Schrecken und Ekel verband man mit Reptilien.“ Doch nachdem der Gemeinderat einen Reptilienzoo in Oberstdorf besucht hatte, wendete sich allmählich das Blatt. „Ohne Bürgermeister Weber hätte ich es nicht geschafft. Er hatte ein unendliches Vertrauen in mein Wissen und hat sich für die Umsetzung eingesetzt.“

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Schließlich gab der Gemeinderat sein Okay und die Gemeinde lieh ihr sogar 5000 Mark zum Aufbau der Terrarien. Renate Kisser unterstreicht: „Ich habe das Reptilienhaus aus dem Nichts aufgebaut, weil ich daran geglaubt habe.“ Am 4. Juni 1976 konnten die Kissers schließlich ihren Reptilienzoo eröffnen. Schon bald arbeiteten sie unter anderem mit der Universität Hohenheim, dem Zoo Düsseldorf und der Akademie der Wissenschaft in Leningrad zusammen.

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Die Ausstellungsfläche betrug damals 90 Quadratmeter. Dazu kam ein Vortrags- und Schulungsraum, in dem Renate Kisser hauptsächlich Vorträge für Schulen und Gruppen hielt. „Wir wollten Wissen verbreiten. Ich habe von Anfang an den Schwerpunkt auf Schulen und Jugendliche gelegt“, erinnert sich Kisser, die an Spitzentagen nicht aus dem Vortagraum herauskam.

Kinder zahlten damals 80 Pfennig

„Zehn Schulklassen waren es täglich, an Spitzentagen sogar einmal 32.“ Schulklassenkinder zahlten damals 80 Pfennig, Erwachsene 2,50 Mark Eintritt. Darin eingeschlossen waren bereits Vortrag oder Betreuung – und das ist auch heute noch so, wenngleich die heute 74-Jährige seit drei Jahren keinen Unterricht mehr gibt. Das hat mittlerweile der Tierpfleger Urs Schöllhammer übernommen, der seit Juli 2007 im Reptilienhaus anzutreffen ist und sich um die Tier und Terrarien kümmert.

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Obwohl das Haus seit 1979 die staatliche Anerkennung vom Kultusministerium in Stuttgart als kulturelle und naturwissenschaftliche Einrichtung erhielt, wird es bis heute ausschließlich über Eintrittsgelder und ohne Subventionen und Unterstützung von außerhalb unterhalten.

Von Sipplingen zurück nach Unteruhldingen

Ab 1993 war das Reptilienhaus in der heute nicht mehr existierenden Erlebniswelt in der rund 15 Kilometer entfernten Gemeinde Sipplingen untergebracht. Im Mai 2005 kehrten die Kissers wieder nach Unteruhldingen zurück und haben hier am Parkplatz zum See die Einrichtung mit viel Fachkenntnis und Liebe zum Detail am Leben erhalten. 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen seitdem zur Verfügung.

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Was die Kissers positiv hervorheben: Das Verhältnis der Menschen gegenüber den Kaltblütern habe sich inzwischen sehr geändert. „Das Interesse ist groß geworden. Die Aufklärung ist viel besser geworden. Die Schlange wird nicht mehr als etwas Böses dargestellt, sondern als Teil der Natur“, sagt Peter Kisser. Inzwischen sei der Ekel vor Schlangen vielmals einer Faszination gewichen, der Wunsch, eine Schlange anzufassen, werde immer wieder geäußert.

Diese Kapkobra (Naja nivea) lebt seit 1976 im Reptilienhaus.
Diese Kapkobra (Naja nivea) lebt seit 1976 im Reptilienhaus. | Bild: Holger Kleinstück

„Darum legen wir immer einen Königspython den ganzen Tag draußen hin. Das empfindet er überhaupt nicht als Störung.“ Man könne die Natur im Reptilienhaus zwar nicht ersetzen, aber das Beste daraus machen. Renate Kisser sagt: „Es ist das Reptilienhaus mit Herz.“