„Es gab auch schon die Info, das am nächsten Tag der Kindergarten kurzfristig früher schließt“: Dies erzählt Tanja Wörtz, Mutter von drei Kindern aus Bad Säckingen. Der Grund: Es fehlt an Personal. Zwei ihrer Kinder gehen in die Kita St. Vincentius. Dort sei das Problem akut und kein Neues. Aber ein Blick in die anderen Kindergärten der Stadt zeigt: Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Und dieser bringt auch die Familien in die Bredouille.

Tanja Wörtz, Mutter aus Bad Säckingen, macht auf die Auswirkungen des Personalmangels in Kindergärten aufmerksam.
Tanja Wörtz, Mutter aus Bad Säckingen, macht auf die Auswirkungen des Personalmangels in Kindergärten aufmerksam. | Bild: Tanja Wörtz

Tanja Wörtz will die Problematik aus Familiensicht schildern und öffentlich machen. Betreuungszeiten würden kurzfristig gekürzt, wenn das Personal der Kita mal wieder sehr knapp ist, schildert sie im Gespräch mit dem Südkurier. Gleichzeitig macht sie mehrmals deutlich, das sie keinesfalls die Schuld darin in den Kindergärten oder Trägern sehe, sondern sich vielmehr von der Politik im Stich gelassen fühle.

Schwere Situation für berufstätige Eltern

„Ich bekomme nicht frei, wenn der Kindergarten ausfällt“, sagt Wörtz. Dabei sei sie im Homeoffice noch in einer komfortablen Situation. Eltern, die nicht zuhause arbeiten, stelle die Situation jedoch vor wesentlich größere Herausforderungen. Sie und ihr Mann versuchen die ausgefallenen Betreuungszeiten zu kompensieren, mit drei Kindern im Homeoffice sei dies aber auch nicht immer einfach. „Wie würde es denn finanziell für Familien aussehen, wenn sie wegen der Kinderbetreuung nicht arbeiten gehen können?“, fragt Wörtz. In der Problematik würden so viele Aspekte stecken.

„Seit Jahren Personalmangel, aber es wird nichts getan“

„Generell fühlt man sich als Familie in Deutschland im Stich gelassen, weil nicht viel getan wird, um die Kindergärten zu unterstützen“, sagt die Mutter. Dass Deutschland in diesem Bereich im europäischen Vergleich sehr schlecht abschneidet, kann sie durch eigene Erfahrungen im europäischen Ausland bestätigen. Konkret wünsche sich Wörtz mehr Unterstützung durch die Politik, im Ausland etwa seien Springer als Aushilfskräfte von der Politik organisiert worden, die Kinderbetreuung sei dort vielmehr im Fokus gestanden.

In Deutschland wünsche sich Wörtz mehr Wertschätzung und Attraktivität für den Beruf der Erzieher. „Seit Jahren ist bekannt, dass es in den Kindergärten zu wenig Personal gibt, aber es wird nichts getan“, ärgert sie sich. Wenn Stellen nicht besetzt werden könnten, falle dies wiederum auf die Familien zurück.

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Auch sei das Konzept nicht auf Notfälle – wie jetzt in der Pandemie – ausgelegt. Corona verstärke das Problem nur und zeige noch stärker, dass in diesem Bereich zu knapp kalkuliert und nicht vorausschauend geplant wird. „Der Personalmangel sei ein Rattenschwanz, er führt am Ende dazu, das die Erzieher irgendwann ausgelastet sind, und dann noch mehr ausfallen“, sagt Wörtz. Dabei hätten gerade die Erzieher selbst keinen Einfluss auf die Situation.

„Ausbildung dem Bedarf nicht hinterhergekommen“

Die Situation in der Kita St. Vincentius bestätigt Ute Macht, die für die Verwaltung der Kindergärten des Vicentiusvereins zuständig ist. Der Verein betreibt zudem den Kindergarten St. Gallus sowie das neue Kinderhaus St. Christopherus im Gesundheitscampus. Macht weiß auch, wann das Problem groß wurde: Vor neun Jahren.

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Denn im August 2013 habe die Bundesregierung den gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung beschlossen. Die Folge: „Die Ausbildung ist dem Bedarf, der da plötzlich explodiert ist, gar nicht hinterhergekommen“, erläutert Macht. Auch sei die Arbeit einer pädagogischen Fachkraft von heute gar nicht mehr mit jener von damals zu vergleichen, die Ansprüche auch in der Verwaltung seien gestiegen.

„Alles immer auf Kante genäht“

In der Kita St. Vincentius fehle es definitiv an Personal und das schon lange. „Es ist alles immer auf Kante genäht, und jetzt in Corona-Zeiten sowieso, wir haben kein Kontingent, das wir vorhalten können“, erläutert sie. Die allerschlimmste Folge laut Macht: „Der Bedarf kann nicht gedeckt werden, weil es einfach nicht genügend Fachkräfte gibt.“ Das bedeutet mitunter, dass nicht immer die volle Anzahl an Kindern angenommen werden könnten. Aktuell gehe es, oft geht es aber nicht. Und: „Sobald nur ein Erzieher ausfalle, gibt es schon Probleme, die Betreuungszeiten einzuhalten“, so Macht.

Bezahlung sei gut

Es seien die vergangenen Jahre schlichtweg zu wenige pädagogische Fachkräfte ausgebildet worden, sagt sie. Warum der Beruf so unattraktiv sei, könne sich Macht nicht erklären. An der Bezahlung würde es ihrer Meinung nach nicht liegen, der Caritas-Tarif sei sehr gut.

Situation in anderen Kindergärten der Stadt

Wünsche an die Politik

Ute Macht hat klare Vorstellungen, was sie sich von der Politik wünscht: Kleinere Gruppenstärken, größere Personalschlüssel, ein größeres Kontingent für Fortbildungstage, eine ausreichend finanziell geförderte Inklusion und einen Ausbau der Sprachförderung, zählt sie auf. Doch die Liste ist noch nicht fertig. Auch solle die Kindertagespflege als alternative Betreuungsform beworben und attraktiv gemacht werden.

Und was ist, wenn jetzt Plätze für geflüchtete Kinder aus der Ukraine benötigt werden? Sie bekommen laut Macht erst einmal keinen Platz in einem Kindergarten: „Selbst wenn wir die Räume erweitern könnten, haben wir zu wenig Personal.“

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