Absperrzäune, Videoüberwachung und wabernde Nebelschwaden um einen gigantischen Baukörper aus Waschbeton. Das ist die leer stehende Ferienanlage „Waldparkhotel Stockmatt“ nebst 167 verwaisten Appartements. Wer ins Feriendorf Stockmatt in Wies im Kleinen Wiesental (Kreis Lörrach) kommt, wähnt sich fast wie in einer Sicherheitszone. Sofort kommt eine Anwohnerin angeeilt, stellt Fragen und macht klar: „Sie befinden sich auf Privatgrundstück.“
Eigentümer kümmert sich nicht
Ortsvorsteher Rolf Vollmer, der ein paar Minuten später erscheint, merkt an: „Das ist die selbsternannte Betreuerin des Areals.“ Ach, wenn der Eigentümer sich doch auch einmal blicken ließe und sich um die verlassene Feriensiedlung oberhalb von Wies kümmerte. Rolf Vollmer kennt die leidige Historie des „Lost Place“ von Stockmatt von Anbeginn und erinnert sich an die letzte Begegnung mit dem jetzigen Eigentümer, den er fast angefleht hat: „Egal was, nur macht was.“
Aber dem Objekt haftet offenbar das Scheitern von Beginn an an den Grundmauern. Errichtet wurden die verschiedenen terrassenartigen Gebäude von der Schwarzwälder Baufirma Domropa, die auch andernorts völlig überdimensionierte Ferienanlagen in die Gegend setzte, ehe sie 1972 in die Insolvenz ging.
Hotel und Gaststätte in Stockmatt seien ein paar Jahre lang von einem ortsansässigen Wirt betrieben worden. Die Appartement-Anlage hintendran war für den Investor offenbar ein desaströser Flop.
Appartement-Käufer werden geprellt
Daran änderte sich auch nichts, als die Anlage den Investor wechselte und nun von einer Firma mit Sitz in der Schweiz vermakelt wurde. Fortan stand die Immobilie als Schnäppchen in Ferienzeitschriften und fand auch Interessenten, die dem Verwalter aus der Schweiz – laut Vollmer ein „Bankrotteur“ – auf den Leim gingen.
Der Ortsvorsteher erinnert sich noch gut, wie eine aufgebrachte Gruppe von potenziellen Feriendomizil-Besitzern Mitte der 1990er Jahre in einer Gemeinderatssitzung aufschlug und ihr Leid klagte: Statt sonniger Ferientage in Stockmatt zu erleben, standen die Leute vor verschlossenen Türen. Nach Einschätzung Vollmers fanden rund 20 der 167 Appartements damals neue Eigentümer.
Aber glücklich wurden sie damit nicht, denn sowohl die Wasserversorgung als auch die Heizung waren zentral angelegt. In der Folge gerieten die Privatbesitzer in den Sog der Zahlungsschwierigkeiten, als die Invest-Gesellschaft ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkam. Das Wasser wurde abgedreht, das unbezahlte Heizöl wieder abgepumpt. Wer heute von oben an den zuwuchernden Gebäudekomplex tritt, findet Klingelknöpfe ohne Namensschilder.
Investor tauscht Fenster aus – dabei bleibt es
„Etwa Mitte der 90er Jahre kam die Anlage in die Zwangsversteigerung“, blickt Vollmer zurück. Für „einen Appel und ein Ei“ habe ein Holländer den Komplex ersteigert. Der habe auch vorgehabt, etwas zu renovieren. So seien Kunststofffenster im Wert von 400.000 D-Mark angeschafft worden. Sein Bemühen, bei Vereinen und der Feuerwehr Helfer zu finden, scheiterte.
Letztlich habe eine Kolonne ausländischer Arbeitskräfte einige Fenster ausgetauscht. Noch heute stehen aber nicht verbaute Fensterelemente auf dem Gelände herum. Dringender wäre es da schon gewesen, die undichten Flachdächer zu renovieren. „Es regnete herein“, so Vollmer.

Der Zahn der Zeit arbeitete gegen die heruntergekommene Ferienanlage. Nur kurz keimte Hoffnung auf, als sich ein holländischer Bauspezialist im Auftrag des Eigentümers ganz zu Anfang dieses Jahrtausends bei der Gemeinde meldete. „Dann haben wir aber nie wieder etwas von ihm gehört“, erinnert sich der Ortsvorsteher. Der Eigentümer starb. Und der marode Mega-Besitz ging an einen weiteren Holländer. Den im Feriendorf entstandenen Wald von Douglasien und Fichten beseitigte Vollmer kostenneutral, ehe ein Schaden für umliegende bewohnte Ferienhäuser entstehen konnte.
Das letzte Treffen vor Corona
Es war kurz vor Corona, als Ortsvorsteher und Bürgermeister sich einmal und auch letztmalig mit dem aktuellen Eigentümer sowie zwei Planern zum Gedankenaustausch trafen. Da stand auch die Idee eines Abrisses der Altimmobilie und Neubau von Einfamilienhäusern zur Debatte. Alles denkbar, Hauptsache der Status quo wird beseitigt. Die Gemeinde sicherte Unterstützung auch bei der Erschließung von Fördertöpfen zu.
Das war es dann aber auch schon wieder.
Seit vier Jahren herrscht Grabesruhe hinter den Sperrgittern der ehemaligen Ferienanlage. Fragt man heute Rolf Vollmer, ob er noch Hoffnung hat, dass die Geister-Immobilie dereinst in irgendeiner Weise wach geküsst wird, schüttelt er resigniert den Kopf. Immerhin gibt es aber eine Wächterin des Verfalls.
Noch mehr Lost Places
Die SÜDKURIER Video-Serie „Aufgeschlossen – vergessene Orte in der Region“ bietet besondere Einblicke hinter die Fassade verlassene und vergessener Orte in der Region. Hier geht es zu den Videos.