Schaffhausen: Der Galgenbucktunnel in Schaffhausen ist fertig: Projektleiter Andreas Weidinger blickt zurück und gibt eine besonders überraschende Antwort

Der Galgenbucktunnel in Schaffhausen ist fertig: Projektleiter Andreas Weidinger blickt zurück und gibt eine besonders überraschende Antwort

„Jeder Tunnel ist ein Unikat“, sagt Andreas Weidinger, der Projektleiter des Schaffhauser Galgenbucktunnels. Er war maßgeblich verantwortlich für die erfolgreiche Realisierung des Großprojekts. Im Interview verrät er Hintergründe über den Tunnelbau, seine neuen Pläne und dass er selbst gar kein Schweizer ist.

04. Dezember 2019, 16:00 Uhr

Monika Olheide

Die Schweizer und der Tunnelbau, das passt einfach zusammen: So denken viele Menschen auf der deutschen Rheinseite und blicken, durchaus auch etwas neidisch, auf die stattliche Zahl von erfolgreichen Großprojekten der Schweizer Nachbarn.

Jüngstes Beispiel für solch ein gelungenes Projekt ist der Galgenbucktunnel in Schaffhausen. Hinsichtlich der Kosten waren es weniger als die kalkulierten 240 Millionen Franken und der Zeitplan wurde mit acht Jahren exakt eingehalten.

Wenn Projektleiter Andreas Weidinger (56) im Interview auch Herausforderungen beim Bau des Galgenbucktunnels anspricht, so ist schnell klar: Hier passten Planung und Umsetzung perfekt zusammen.

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Wer sich vor diesem Hintergrund über manches deutsche Großprojekt ärgern mag, den tröstet vielleicht die wohl überraschendste Antwort des Projektleiters: Denn Andreas Weidinger ist in der Schweiz ein gefragter Tunnelbauexperte, der sich bei vielen großen Projekten einen Namen gemacht hat, aber der Projektleiter beim Bundesamt für Straßen ASTRA ist selbst gar kein Schweizer, sondern Deutscher. Er studierte sogar in Baden.

Im Interview verrät er, warum es ihn in die Schweiz verschlagen hat und welche Tunnel er in den kommenden Jahren dort bauen wird. Hier alle Antworten zum Nachlesen:

Herr Weidinger, nun steht die Eröffnung des Galgenbucktunnels für den Verkehr am 6. Dezember unmittelbar bevor. Was ist das für Sie für ein Gefühl?Es ist wie immer, wenn ein großes Projekt zu Ende geht: Man hat ein weinendes und ein lachendes Auge. Einerseits ist es schade, dass das gut eingespielte Team, das in den vergangenen Jahren so konstruktiv zusammengearbeitet hat, jetzt auseinanderfällt und jeder neue Wege geht. Andererseits bin ich natürlich auch zufrieden über das Erreichte und stolz auf das gute Ergebnis: Nach drei Jahren Projektierung und über acht Jahre Realisierung konnten wir das Projekt im Zeitplan und unterhalb der budgetierten Kosten, sowie ohne nennenswerte Zwischenfälle fertigstellen. Und nicht zuletzt ist es auch sehr befriedigend, mit diesem Infrastrukturprojekt einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft geleistet zu haben.Was war beim Tunnelbau in Schaffhausen die größte Herausforderung?Beim bergmännischen Vortrieb des Galgenbucktunnels gab es gleich mehrere Herausforderungen: Die in dem ersten Tunnelabschnitt vorliegende wechselhafte Geologie machte eine regelmäßige Interpretation des anstehenden Gesteins durch unsere Geologin erforderlich und hatte entsprechende Anpassungen der Sicherungsmittel zur Folge. Auch im zweiten Tunnelabschnitt gab es Besonderheiten: Einerseits war dies die Unterquerung des über 150 Jahre alten Charlottenfelstunnels der Deutschen Bahn im Abstand von weniger als sechs Metern und andererseits die teils sehr geringe Überdeckung der oberflächennahen Tunnelröhre. Einige Häuser von Neuhausen am Rheinfall liegen gerade nur 20 Meter über dem Galgenbucktunnel. Aber auch im Anschluss Bahntal haben wir heikle geologische Verhältnisse angetroffen. Der sogenannte Schaffhauser Lehm verursachte einen großflächigen Hangrutsch, der aber schnell zum Stillstand gebracht werden konnte.Gab es einen Moment, in dem Ihnen Zweifel an der Umsetzbarkeit kamen?Der Bau eines solchen Infrastrukturprojektes ist eine komplexe, vielschichtige Aufgabe. Natürlich gab es die ein oder andere Problemstellung während der Realisierung, aber keine grundlegenden Zweifel an der Umsetzbarkeit. Fakt ist, dass man so ein Projekt nicht alleine stemmen kann, sondern als Projektleiter auf eine Vielzahl von Personen angewiesen ist, die ihr Wissen und Engagement einbringen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Somit steht an erster Stelle, dafür zu sorgen, dass jeder Beteiligte seinen Beitrag leisten kann und die Schnittstellen für ein reibungsloses Zusammenspiel permanent geklärt werden. Hier gilt mein Dank allen Personen und Unternehmen, die sich über die ganze Dauer für das Projekt eingesetzt haben!Sie sind ein gefragter Experte im Bereich Tunnelbau. Was macht für Sie die Faszination daran aus?Jedes Tunnelprojekt hat seine ganz speziellen Charakteristiken. Diese machen jeden Tunnel zu einem Unikat. Die Länge, der Querschnitt, die Lage des Tunnels, die Höhe der Überdeckung und die Vortriebsmethode, vor allem aber auch die geologischen Verhältnisse sind immer wieder sehr unterschiedlich. Daraus ergeben sich immer wieder spezielle Aspekte und Besonderheiten, zu denen in der Projektierung wie auch in der Realisierung die passenden Maßnahmen entwickelt werden müssen. Es gibt keine Lösungen „von der Stange“. Dies macht für mich die eigentliche Faszination im Tunnelbau aus.Bei welchen weiteren Projekten in der Schweiz waren Sie involviert?Von 1991 bis 1995 habe ich am Zugwald- und Vereinatunnel der Rhätischen Bahn in Klosters als Baustellenchef des Bauloses T1 gearbeitet. Anschließend war ich für meine damalige Schweizer Firma als Projektleiter für die Tunnelbauwerke der Funktionalausschreibung NBS Köln – Rhein/Main der Deutschen Bahn tätig. Zudem habe ich beim Kirchenwaldtunnel und beim Los Sedrun des Gotthard-Basistunnels mitgewirkt. In beiden Projekten war ich in übergeordneter Funktion tätig. Ebenso begleitete ich die Projekte Umfahrung Saas im Prättigau und den Uetlibergtunnel in ZürichSie selbst sind aber gar kein gebürtiger Schweizer...Nein, ich bin deutscher Staatsbürger, aber seit Ende meines Studiums im September 1989 nahezu durchgehend beruflich in der Schweiz tätig. Lediglich zwei Jahre habe ich in Deutschland bei einem internationalen Baukonzern gearbeitet. Für diesen habe ich dann noch drei weitere Jahre die Niederlassung in der Schweiz aufgebaut und geführt. Anschließend war ich wieder für eine Schweizer Firma tätig, bevor ich dann 2008 den Wechsel von der Unternehmung auf die Bauherrenseite, sprich zum Bundesamt für Straßen ASTRA gemacht habe.Was hat Sie aus Baden in Deutschland ins Nachbarland gebracht?Ich habe damals als Student am Institut für Maschinenwesen im Baubetrieb der Technischen Hochschule in Karlsruhe gearbeitet und hatte gerade meine mündliche Diplomprüfung im Thema Tunnelbau abgeschlossen. Mein Professor sprach mich eines Tages an, ob ich Interesse an einer Tätigkeit im Tunnelbau in der Schweiz hätte. Das erschien mir reizvoll, sodass er mir die Telefonnummer des Abteilungsleiters für Untertagebau gab. Mit diesem habe ich einen Besprechungstermin in Bern vereinbart – und drei Wochen später wurde mir der Arbeitsvertrag zugeschicktWerden Sie weitere Tunnel in der Schweiz bauen?Bei meinem nächsten Projekt handelt es sich um den Kerenzerbergtunnel der A3 am Walensee. Der fünftlängste Straßentunnel der Schweiz bekommt einen neuen, parallel verlaufenden Sicherheitsstollen mit einer Länge von 5,5 Kilometern. Anschließend wird der bestehende Tunnel saniert. Dieses Projekt ist vom Kostenumfang mit 435 Millionen Franken noch wesentlich größer als der Galgenbucktunnel. Ziel ist es, die Werkverträge noch dieses Jahr zu unterzeichnen, sodass der Baustart im Frühjahr 2020 erfolgen kann. Es geht also nahtlos weiter mit der nächsten spannenden Herausforderung.

Hier finden Sie alle Hintergründe zum Großprojekt Galgenbucktunnel in Schaffhausen und beeindruckende Bilder, die zeigen, wie sich das Gelände im Bereich der Tunnelportale Engi und Bahntal verändert hat.

Zur Person

Andreas Weidinger (56 Jahre) ist Diplom-Ingenieur und seit 2008 beim Bundesamt für Straßen ASTRA in der Filiale in Winterthur tätig. Der gebürtige Darmstädter lebt mit seiner Familie im Kanton Thurgau.

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