Seit 1890 hat Wehr einen städtischen Bahnhof, seit 1971 hält hier aber kein Zug mehr. Mancher möchte das ändern, ob aus dem Wunsch aber Realität wird, entscheidet sich vermutlich im Herbst dieses Jahres. Durch ein neues Förderprogramm des Landes könnte Bewegung in den Fall Wehratalbahn kommen.
Zahlreiche Initiativen für die Bahn
Die Bahn haben die Wehrer nie ganz gestrichen: Die Eisenbahnfreunde Wehr engagieren sich seit 1970 für die Förderung des Schienenverkehrs und die IG Bahnhof Brennet setzt sich seit 2014 für eine Aufwertung des letzten Bahnhofs des Ortes außerhalb des Wehratals ein. Er liegt an der B24. Neu dazu gekommen ist seit November 2019 die Interessengemeinschaft Pro Wehratalbahn. Unter der Federführung der Eisenbahnfreunde Wehr und deren Vorsitzenden Johann Heimlich auch die IG Pro Wehratalbahn leitet, machen sich hier nicht nur Bürger, sondern auch Vertreter der Kommunalpolitik für eine Reaktivierung der Strecke stark. Denn neben Wehr selbst könnten drei weitere Gemeinden von der knapp 20 Kilometer langen Bahnlinie profitieren: Schopfheim, Hasel und Bad Säckingen würden eine direkte Verbindung erhalten. Darüber hinaus kann die Strecke auch Teil einer Ringbahn für den Großraum Basel werden – ein wichtiger Anreiz für die Schweizerischen Bundesbahnen AG (SBB). Sie wäre eine mögliche, von vielen erhoffte Betreiberin der Strecke.

Das Interesse war darum bereits bei der Gründungsversammlung am 22. Novembervergangen Jahres entsprechend groß. Von den rund 40 Gästen traten an diesem ersten Abend bereits 22 neue Mitglieder dem jungen Verein bei. Ein Einsatz, den der Wehrer Bürgermeister Michael Thater für unerlässlich hält: „Wir bekommen in Stuttgart nur Gehör, wenn sich auch die Bürger für das Projekt positionieren“. Zuspruch bekam die IG Pro Wehratalbahn auch von außerhalb des Wehratals: Die IG Pro Schiene Dreiland unterstützt das Vorhaben genauso wie die Landräte Marion Dammann (Lörrach), Martin Kistler (Waldshut) sowie die die Bundestagsabgeordneten Rita-Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Felix Schreiner (CDU), ebenso die Landtagsabgeordneten Sabine Hartmann-Müller (CDU), Rainer Stickelberger (SPD) und Joshua Frey (Grüne).
Das Förderprogramm
Bis 2020 will das Land Baden-Württemberg durch das Landesverkehrsministerium prüfen, welche stillgelegten Bahnstrecken reaktiviert werden können. Die ursprünglich 75 vorgeschlagenen Strecken wurde untersucht, die Auswahl schrumpfte bereits erst auf 41 und nun auf 21 mögliche Strecken zusammen. Wesentliche Kriterien sind dabei die erwarteten Fahrgastzahlen und die Kosten der Wiederertüchtigung. Bis Herbst 2020 werden voraussichtlich 15 Bahnstrecken übrig bleiben. Bau und Betrieb sollen nach Vorstellung von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) mit kommunalen Mitteln saniert werden, das Land will mit Fördermitteln über das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGFVG) sowie mit Mitteln für die Schülerbeförderung unterstützen. Die Initiative zur Reaktivierung solle von unten kommen, so der Minister im April 2019. Die Wehrer Bahnstrecke wurde nie entwidmet und braucht so keine neue Genehmigung für den Betrieb, erklärt Johann Heimlich im Rahmen der SPD-Generalversammlung im Januar.
Für den Zuschlag bei der Reaktivierung spricht das zu erwartende Fahrgastpotential. So profitierte Schopfheim in der Vergangenheit stark von der in enger Taktung nach Basel fahrenden S-Bahn der SBB und wird von vielen Anwohnern als großes Vorbild für Wehr gesehen. Zuletzt wurde auf der Generalversammlung der Wehrer SPD engagiert über das Thema diskutiert. Von einem guten, sprich regelmäßigen und zuverlässigen, Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr könnten sowohl die in Wehr lebenden Pendler profitieren als auch ein Anreiz für den Zuzug ins Wehratal entstehen.

Als größte Herausforderung für die Reaktivierung der Strecke gilt der rund drei Kilometer lange und stark sanierungsbedürftige Fahrnauer Tunnel. Die hohen Unterhaltskosten des Tunnels seien ein wesentlicher Grund gewesen, die Strecke damals still zu legen, erklärt Heimlich. Für die Sanierung steht ein hoher zweistelliger Millionenbetrag im Raum. Möglich wäre es allerdings, die Strecke erst teilweise in Betrieb zu nehmen: Die Züge könnten bis zum Wehrer Bahnhof fahren und dann zurück zur Hochrheinstrecke. Sorge bereitet besonders in Öflingen auch die zu erwartende Lärmbelastung. Die Bahntrasse führt hier teilweise in wenigen Metern Abstand an den Wohnhäusern vorbei, die zum Teil deutlich nach Stilllegung der Strecke gebaut wurden.