Die Fasnacht ist in vollem Gange und eine Großveranstaltung jagt die andere. Für Missbrauchstäter sind die unübersichtlichen Massenansammlungen eine gute Gelegenheit, ihre K.O.-Tropfen völlig unbemerkt an die Frau (oder auch den Mann) zu bringen. Für die Besucher solcher Feste heißt das: Aufgepasst! Denn die farb- und geruchlosen Substanzen können fatale Folgen haben. Das Gefährliche daran: „Mit krimineller Energie werden die Opfer außer Gefecht gesetzt, um sie gefügig zu machen“, sagt Dr. Stefan Kortüm, der Chefarzt der Notaufnahme des Spitals Hochrhein in Waldshut. Wir geben einen Überblick, was es mit den Tropfen auf sich hat, und wie man sich dagegen schützen kann.

Wie viele Fälle von Missbrauch mit K.O.-Tropfen gibt es im Landkreis Waldshut?

In den vergangenen Jahren habe es auch in der Region immer wieder Fälle von Missbrauch mit K.O.-Tropfen gegeben, so Jürgen Spill von der Polizeiprävention des Landkreises Waldshut. Mit seinen Kollegen klärt er in den Schulen des Landkreises deshalb die Jugendlichen auch zu diesem Thema auf. Im gesamten Landkreis werden Plakate aufgehängt mit der Aufschrift: „Narri Narro, viel Spaß ohne K.O., passt aufeinander auf!“

Mit Plakaten macht die Polizeiprävention des Landkreises Waldshut auf die Gefahr der KO-Tropfen aufmerksam.
Mit Plakaten macht die Polizeiprävention des Landkreises Waldshut auf die Gefahr der KO-Tropfen aufmerksam. | Bild: Jürgen Spill

„Es gibt eine riesengroße Dunkelziffer“, so Spill. Er selbst könne sich noch an Fälle in Nöggenschwiel vor zwei Jahren an der Fasnacht erinnern. Es sei zwar ein allgemeines Problem an Großveranstaltungen, da sich diese jedoch an Fasnacht häufen, sei dann das Risiko umso höher. Laut Polizeipressesprecher Mathias Albicker gibt es keine Statistik über Straftaten mit K.O.-Tropfen, da diese nicht einzeln aufgeführt werden.

Dr. Stefan Kortüm, Chefarzt der Notaufnahme des Klinikums Hochrhein in Waldshut, erinnert sich an nur einen Verdachtsfall einer Patientin im Jahr 2019. „Sie hatte eine ausgeprägte Gedächtnislücke und wollte wissen, was mit ihr passiert war“, so Kortüm. Der Verdacht auf K.O.-Tropfen sei aber in der Notaufnahme eine „echte Rarität.“

Samuel Hemmerling, Ärztliche Leitung der zentralen Notaufnahme, des Kreiskrankenhauses Lörrach sagt: „Das Problem ist aus Sicht der Notaufnahme nicht groß, wobei die Dunkelziffer sicherlich höher ist. Über die Fasnachtstage bemerken wir vermehrt auf Alkohol zurückführbare Behandlungen in der Notaufnahme, vermehrte K.O.-Tropfen-Patienten haben wir in der Vergangenheit nicht bemerkt.“

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Warum werden die Taten oft nicht angezeigt?

Das Hauptziel der Täter, die den meist weiblichen Opfern die Tropfen in ihr Getränk träufeln, ist laut Spill ganz klar die sexuelle Nötigung. Das werde oft aus Scham nicht angezeigt. Doch es gebe auch männliche Opfer, die dann bestohlen werden. Das große Problem sei die Nachweisbarkeit: GHB, die am häufigsten verwendete Substanz der Tropfen, baut sich im Körper schon nach sechs bis zwölf Stunden ab. „Bis das Opfer sich entscheidet zur Polizei zu gehen und zu uns kommt, kann oftmals der Nachweis gar nicht mehr erbracht werden“, erklärt Spill.

Auch bei der Hoorige Mess in Tiengen sei es laut Jürgen Spill von der Polizeiprävention kein Problem für Täter an offene Getränke zu kommen.
Auch bei der Hoorige Mess in Tiengen sei es laut Jürgen Spill von der Polizeiprävention kein Problem für Täter an offene Getränke zu kommen. | Bild: Ursula Freudig

Wie schütze ich mich vor K.O.-Tropfen?

K.O.-Tropfen aus GHB sind geruchlos und farblos. Das Opfer bemerkt diese also nicht in ihrem Getränk. Doch was kann man machen, um sich dennoch davor zu schützen? Die Polizeiprävention gibt dazu in Flyern Tipps. So sollte jeder seine Getränke selbst bei der Bedienung bestellen und entgegennehmen.

Spill erklärt: „Es gibt auch Täter, die den Alkohol gemischt mit den Tropfen in Thermoskannen mit zur Veranstaltung bringen und dann in kleinen Schnapsgläsern anbieten.“ Von Fremden sollte man also keine offenen Getränke annehmen. Er rät dazu, sein Glas immer im Blick zu behalten und es nicht rumstehen zu lassen. Spill appelliert die Festbesucher, aufeinander zu achten. „Und wenn jemandem nach nur einem Getränk schon schlecht ist, dann kann etwas nicht stimmen“, so Spill.

„Es gibt auch die Täter, die Alkohol mit KO-Tropfen in Thermoskannen mitbringen.“Jürgen Spill, von der Polizeiprävention des ...
„Es gibt auch die Täter, die Alkohol mit KO-Tropfen in Thermoskannen mitbringen.“Jürgen Spill, von der Polizeiprävention des Landkreises Waldshut | Bild: Stefan Pichler

Hilft ein Trinkcheck-Armband?

Kim Eisenmann und Sven Häuser von der Firma Twinvay aus Waldbronn bei Karlsruhe haben im April 2019 ein besonderes Armband auf den Markt gebracht. Ihr Xantus-Trinkcheck-Armband soll einfach und zuverlässig vor K.O.-Tropfen schützen. Das Armband wird in dm-Dorgeriemärkten verkauft. Auch die Narrenzunft Bohnenviertel hatte das Armband beim 40. Kleggaunarrentreffen an ihre Besucher ausgegeben. Und dort sei es sehr gut angekommen, wie Kim Eisenmann erzählt.

Kim Eisenmann von der Twinway GmbH hat das Trinkcheck-Armband auf den Markt gebracht.
Kim Eisenmann von der Twinway GmbH hat das Trinkcheck-Armband auf den Markt gebracht. | Bild: Twinway GmbH

Laut Jürgen Spill sei das Armband noch nicht Teil der Polizeiprävention. „Es ist noch nicht genug erforscht, ob es 100 prozentig funktioniert“, so der Polizeibeamte. Kim Eisenmann weiß von der Skepsis. Doch das Armband biete zum einen präventiven Schutz. „Denn allein durch das Tragen schreckt es potenzielle Täter ab“, so Eisenmann.

Und der aktive Schutz funktioniert so: „Mit dem Finger, Strohhalm oder Serviette gibt man 1-2 Tropfen auf ein Testfeld. Wenn es sich bläulich färbt, dann ist das Getränk böse“, so Eisenmann. In der Regel sehe man das Ergebnis innerhalb von wenigen Sekunden, sie empfiehlt aber, zwei Minuten zu warten. „Natürlich gibt es keinen 100 prozentigen Schutz, aber die Sicherheit steigt damit definitiv“, so die junge Unternehmerin. Das Armband sei auch eine visuelle Erinnerung daran, immer aufzupassen und auf sein Getränk zu achten – „Wie der Knoten im Taschentuch.“

Ein bis zwei Tropfen träufelt man auf eines der Testfelder. Wird dieses Blau, befinden sich gefährliche Substanzen in dem Getränk.
Ein bis zwei Tropfen träufelt man auf eines der Testfelder. Wird dieses Blau, befinden sich gefährliche Substanzen in dem Getränk. | Bild: Twinway GmbH

Kim Eisenmann, selbst in einem kleinen Ort aufgewachsen, hätte damals nie gedacht, dass K.O.-Tropfen auf dem Land ein Problem seien. „Ich bin das Paradebeispiel dafür, dass ich immer dachte, mir passiert das nicht.“ Doch 2018 war sie auf einem Dorffest und ihre damals 17-jährige Bekannte wurde unter K.O.-Tropfen vergewaltigt. Das war der Auslöser für Kim Eisenmann, etwas gegen diesen Missbrauch zu tun.

Im Dezember 2019 konntelaut Kim Eisenmann mit dem Armband bereits ein Mädchen gerettet werden. Die 17-jährige hatte in einem Münchner Club ein von Jungs ausgegebenes Getränk auf ihrem Armband getestet. Die Jungs fragten, was das denn für ein Armband sei. Als sie ihnen sagte, dass das Armband sich bei Kontakt mit einem K.O.-Tropfen-Wirkstoff blau verfärbe, wurden beide nervös und sind sofort aus dem Club geflohen.

Trink doch du den ersten Schluck

Und für alle Partygänger hat Eisenmann noch einen wertvollen Tipp, sich gegen die gefährlichen Substanzen zu schützen. Wenn einer ein Getränk ausgibt, sollte man einfach sagen: „Trink doch du den ersten Schluck.“ Wenn er dann komisch reagiere, sei was faul mit dem Getränk.