Dort, wo normalerweise 40 bis 50 Kreisräte sitzen, beraten und entscheiden, da herrschte am Mittwochvormittag gähnende Leere. Im Sitzungssaal des Waldshuter Landratsamtes hatten sich lediglich Landrat Martin Kistler, die Vorsitzenden der Fraktionen sowie drei Mitarbeiter des Landratsamtes und Hans-Peter Schlaudt als Geschäftsführer des Klinikums Hochrhein eingefunden, um im Rahmen eines Mediengesprächs über getroffene Entscheidungen zu berichten. Der Kreistag als Ganzes tagt wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht.
Im geforderten Mindestabstand von etwa 1,5 Metern saßen der Landrat und die Fraktionschefs nebeneinander und schauten in drei Augenpaare von Medienvertretern, die ebenfalls in gebührender Distanz zueinander Platz genommen hatten. Außergewöhnliche Zeiten erfordern eben außergewöhnliche Maßnahmen.

Auch, dass in Zeiten einer Krise wie der jetzigen, nicht die gewählten Volksvertreter, sondern der Landrat als Einzelperson Entscheidungen fällt und Projekte auf den Weg bringt. Denn wegen der Corona-Krise war die für den 18. März 2020 geplante Sitzung des Kreistags aus Sicherheitsgründen abgesagt worden.
Formaljuristisch handelt es sich um Eilentscheidungen von Landrat Martin Kistler ohne Zutun Dritter. Das heißt, rein rechtlich müsste er niemanden zur Entscheidungsfindung hinzuziehen, um einen rechtskräftigen Beschluss, wie etwa die Auftragsvergaben für den Stelzen-Anbau an das Klinikum Hochrhein in Waldshut zu fassen.
Der Hintergrund
Da es sich hierbei um stolze Millionenbeträge handelt und es beim geplanten Zentralkrankenhaus sogar um die Masterplanung ging, holte der Landrat die Vorsitzenden der Fraktionen im Waldshuter Kreistag mit ins Boot, um die Beschlüsse auf eine breitere Basis zu stellen.
Die Fraktionschefs hatten die Themen mit ihren Parteikollegen besprochen und abgestimmt, so dass es am Ende ein einmütiges Bild ergab. Landrat Kistler: „Formal handelt es sich um Entscheidungen durch den Landrat. Die Fraktionsvorsitzenden haben zuvor, mit Rückhalt aus den Fraktionen, zugestimmt.“ Ein Prozedere, das aus Sicht von Martin Kistler „klare rechtssichere Entscheidungen“ ermöglicht habe.
Die Entscheidungen im Einzelnen
1. Zentralkrankenhaus Albbruck
Um die Planungen für das geplante Krankenhaus für den Landkreis Waldshut weiter voranzubringen, wird das Büro Baldauf Architekten aus Stuttgart mit einer sogenannten Masterplanung beauftragt. Die Ergebnisse sollen im Herbst dieses Jahres vorliegen, berichtete Landrat Martin Kistler im Mediengespräch. Der Masterplan dient als städtebauliche Vorbereitung für die architektonische Umsetzung sowie für den vorgesehenen Bebauungsplan für das Zentralspital, das auf der großen Freifläche an der B 34 bei Albbruck gebaut werden soll.
2. Zeitplan und Kosten Kreiskrankenhaus
Die Projektanalyse für das neue Zentralspital, erstellt von dem Büro Drees & Sommer, geht derzeit von einem Kostenkorridor von in Summe von 250 bis 315 Millionen Euro aus. Darin enthalten sei, so Landrat Kistler, ein Risikozuschlag in Höhe von 60 Millionen Euro für mögliche Baukostensteigerungen. Zudem beinhalte der Korridor auch Kosten unter anderem für ein Parkhaus und weitere Nebengebäude des Zentralkrankenhauses.
Wie hoch die tatsächliche Förderung des Projekts durch das Land Baden-Württemberg sei, ließe sich momentan noch nicht sagen. Martin Kistler geht von einer Fertigstellung des Zentralspitals im Jahr 2028 aus. Außerdem gab es ein Ja zum Planungskostenvertrag zwischen der Gemeinde Albbruck und dem Landkreis Waldshut für den Baubauungsplan „Gesundheitspark Hochrhein, Albbruck“.
3. Interimsanbau an das bestehende Krankenhaus in Waldshut
Dieser soll nun realisiert werden. Aufgrund mangelnder Angebote konnten nicht alle Lose für den Stelzenbau vergeben werden. Inzwischen lägen seit Januar 2020 Angebote für alle Gewerke vor. Allerdings verbunden mit einer Kostensteigerung gegenüber den ursprünglichen Planungen. Sowohl das Regierungspräsidium wie auch das Stuttgarter Sozialministerium würden sich laut Landrat Kistler an den Mehrkosten beteiligen.
Baubeginn soll laut Klinik-Geschäftsführer Hans-Peter Schlaudt im Sommer respektive im Herbst dieses Jahres sein. Mit dem Bezug des Anbaus, der vor dem Haupteingang auf Stelzen im Modulbauweise errichtet werden soll, rechnet Schlaudt für Sommer 2021.
4. Klinik-Anbau und Corona-Krise
Wie beurteilt Klinik-Geschäftsführer Hans-Peter Schlaudt den Klinik-Anbau mit Blick auf die aktuelle Corona-Krise? Die Corona-Pandemie führe sehr deutlich vor Augen, dass es im Landkreis zu wenig Intensivbetten gebe. Schlaudt: „Die aktuelle Intensivkapazität ist zu gering.“ Deshalb solle das neue Zentralkrankenhaus 15 Intensivbetten bekommen.
Derzeit seien es derer neun, wobei die die Anzahl der Beatmungsplätze auf zwölf aufgestockt werde. Für die Zukunft, so Schlaudt, werde es darum gehen, mobile Strukturen in der Patientenversorgung zu ermöglichen und Menschen für die Berufe im Krankenhaus zu begeistern.
5. Medizinische Zukunft des Landkreises
Wie blickt Hans-Peter Schlaudt in die medizinische Zukunft des Landkreises Waldshut? Grundsätzlich optimistisch, da nun der Anbau an das bestehende Krankenhaus in Waldshut und der Masterplan für das Zentralkrankenhaus auf dem Weg sind. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung sagte er im Rahmen des Mediengesprächs, dass nun Bettenburgen, mit denen immer einmal wieder geliebäugelt worden waren, vom Tisch seien.
Schlaudt: „Was wir brauchen, sind schlagkräftige Einheiten.“ Damit meint er keine 100-Betten-Häuser, aber sehr wohl schon Häuser, wie der Landkreis eines plane. Der Geschäftsführer der Klinikum Hochrhein GmbH sagte weiter: „Die Corona-Krise wird Einfluss auf die künftige Krankenhausplanung in Deutschland haben.“
6. Medizinische Zusammenarbeit am Hochrhein
Wie beurteilt Schlaudt die Zusammenarbeit zwischen seinem Haus und den Reha-Kliniken in der Region? Diese Häuser würden zusehends zu wichtigen Partnern. Zum einem, um in der aktuellen Lage Mitarbeiter auszutauschen und generell in der Nachsorge von Patienten, die noch betreut werden müssten, diese Betreuung aber nicht in einem Krankenhaus stattfinden muss. So könnten Betten in der Klinik freigemacht werden. Mit dem von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Rettungsschirm für Krankenhäuer könne er, so Schlaudt zu leben.