Die Menschen im Jestetter Zipfel fühlen sich einmal mehr abgehängt. Diesmal sorgt das Neun-Euro-Ticket für Ärger und Frustration im Jestetter Zipfel. Denn für die Strecke Lottstetten-Jestetten-Schaffhausen gilt dieses Sparangebot nicht. Wie eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Nachfrage des SÜDKURIER bestätigt.
Die Strecke ist Eigentum der SBB
Die Antwort klingt endgültig: „Bei der Strecke Lottstetten-Jestetten-Schaffhausen handelt es sich um eine Schweizer Eisenbahnstrecke auf deutschem Gebiet. Die Strecke befindet sich also im Eigentum der SBB.“ Dies sei auch der Grund. warum dort das Neun-Euro-Ticket nicht gelte. Punkt.
WTV bemüht sich um eine Lösung
War‘s das? Müssen die Menschen, die gerne das Billigticket nutzen wollen, sich damit abfinden? Vielleicht besteht noch ein Fünkchen Hoffnung. Der Waldshuter Tarifverbund (WTV) bemüht sich bei der Baden-Württemberg-Tarifgesellschaft (bwtarif) und an anderen relevanten Stellen weiter um eine Lösung, sprich um die Anerkennung des Neun-Euro-Tickets für die Linie S9. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte im Bundestag, Felix Schreiner, reagierte auf Nachfrage des SÜDKURIER und wandte sich an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Noch Mitte Mai stand für WTV-Geschäftsführer Lothar Probst nach einer Auskunft der Tarifgesellschaft fest, dass das Ticket auch für die Bahnlinie im Jestetter Zipfel gilt. Zwei Wochen später kam die Kehrtwende. Zu Probsts Überraschung und zum Verdruss aller, die im Jestetter Zipfel wohnen und gerne topp vergünstigt mit der Bahn reisen würden. Wie einige E-Mails an die SÜDKURIER-Redaktion verdeutlichen.
Der reguläre BW-Tarif gilt
Auch für Probst ist es nicht nachvollziehbar, warum das Ticket auf dieser Strecke nicht gilt. Zumal der BW-Tarif auch die Strecke Lottstetten-Jestetten-Schaffhausen einbezieht. Mit dem BW-Tarif können Bahnreisende einen Tag lang in Baden-Württemberg den Nahverkehr uneingeschränkt nutzen. An Wochentagen von 9 bis 3 Uhr, an Wochenenden sogar ab 0 Uhr. „Wir haben es mühsam geschafft, diese Gemeinden in den BW-Tarif zu bekommen, das sollte doch hier nun auch gelingen“, ärgert sich Probst in einem Telefonat mit dem SÜDKURIER.
Felix Schreiner wendet sich an Verkehrsminister
Schreiner kann es ebenfalls nicht verstehen. Er schreibt auf Nachfrage: „Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung 2,5 Milliarden Euro an Steuermitteln ausgibt, aber für die besondere Situation bei uns am Hochrhein keine Lösung in der Tasche und wohl auch nicht mit den schweizerischen Partnern gesprochen hat.“ Er bezeichnet es als schlechten Stil, wenn auf grenzüberschreitenden Strecken gemeinsame Tarife angeboten würden und das Neun-Euro-Ticket quasi über Nacht doch nicht gelte. Schreiner: „Es ist klar, dass die SBB und der WTV mit vielen berechtigten Kundenfragen konfrontiert werden.“
Seine Kritik: An diesem Beispiel zeige sich wieder einmal, dass der ländliche Raum, besonders die Grenzregion am Hochrhein zur Schweiz, im Berliner Regierungsviertel keine Rolle mehr spiele.
Er habe sich an den Bundesverkehrsminister gewandt. Er erwarte von der Ampelkoalition zeitnah eine Lösung. „Wenn die Ampelkoalition ankündigt, mit dem Neun-Euro-Ticket allen ein Angebot zu machen, dann muss sie dies auch tatsächlich liefern“, wird Schreiner deutlich.
Einzeltickets zum teuren SBB-Tarif
Nach aktuellen Stand müssen die Bahnreisenden im Jestetter Zipfel zusätzlich zum Neun-Euro-Ticket für die kurze Bahnstrecke nach Schaffhausen jedes Mal den Schweizer Tarif bezahlen. Ein Tagesticket (hin und zurück) von Jestetten kostet 9,60 Schweizer Franken – also mehr als das verbilligte Monatsticket für den Nahverkehr in Deutschland. In Lottstetten sogar 14,40 Schweizer Franken bei drei Zonen.
Auf den von der SBB Deutschland betriebenen Strecken zwischen Erzingen und Schaffhausen sowie auf der Wiesentalstrecke von Zell zum Bahnhof SBB in Basel gilt das Neun-Euro-Ticket dagegen. Diese Ungleichbehandlung versteht man im Jestetter Zipfel nicht.