Gemeinsam essen, spielen, Geselligkeit pflegen und der Einsamkeit trotzen – diese Möglichkeiten bieten Tagespflegeeinrichtungen. Im Landkreis Waldshut gibt es zehn davon, die pflegebedürftigen Menschen tageweise eine Anlaufstelle bieten und so auch pflegende Angehörige entlasten. Doch dann kam Corona.
„Im ersten Lockdown 2020 mussten alle Tagespflegeeinrichtungen komplett schließen“, erinnert sich Regina Saurer, die als gerontopsychiatrische Fachkraft und Altenpflegerin in Leitungsfunktion im Haberer Haus in Waldshut arbeitet. „Nur vier Personen mit Angehörigen in systemrelevanten Berufen durften damals noch zu uns in die Notbetreuung kommen.“ Von einem auf den anderen Tag mussten viele Angehörige schauen, wie sie Pflege und die eigene Berufstätigkeit unter einen Hut bekommen.
Umstrukturierungen aufgrund der Pandemie
Eine erste Erleichterung kam im Sommer 2020: „Seither dürfen wir wieder mit Schutzkonzept öffnen“, sagt Saurer. Das Haberer Haus, das eine von sechs Tagespflege-Einrichtungen des Caritasverbandes Hochrhein ist, war Anfang der 1990er-Jahre die erste Tagespflegeeinrichtung im Landkreis und bietet heute in normalen Zeiten täglich Platz für 15 Gäste.
„Durch die Corona-Maßnahmen mussten wir ganz schön umstrukturieren“, sagt Teamleiterin Regina Saurer: Aktuell kommen gleichzeitig maximal zwölf Personen, die in zwei voneinander getrennten Gruppen betreut werden. „Wir haben getrennte Räume, getrennte Toiletten und Schlafmöglichkeiten – und selbst unser Bus, mit welchem die Tagesgäste morgens abgeholt werden, wurde durch Plexiglasscheiben coronatauglich umgebaut“, so Saurer.
Hilfe für Angehörige
Während viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Demenz früher mehrere Tage pro Woche kamen, mussten die Tage bei vielen reduziert werden und es konnten zunächst oft nur ein bis zwei Tage angeboten werden. „Uns war wichtig, dass so viele Menschen und Angehörige wie möglich in den Genuss kommen können.“ 30 verschiedene Tagesgäste besuchen dadurch aktuell Woche für Woche das historische Gemäuer in der Waldshuter Altstadt. Putzen, lüften und desinfizieren hält die 15 Mitarbeiter noch mehr auf Trab als ohnehin schon.
Bad Säckingen: Nur noch 18 Tagesgäste in der Woche
Mit den gleichen Vorschriften und Herausforderungen sind natürlich auch andere Tagespflegeeinrichtungen konfrontiert, wie beispielsweise die Tagesstätte Josefshaus in Bad Säckingen. Doch die zum AWO Altenhilfeverbund gehörende Einrichtung verfolgt einen anderen Ansatz. Während das Josefshaus vor Corona täglich 15 Tagesgäste und wöchentlich 38 Personen betreuen konnte, kommen aktuell jeden Tag neun Personen, viele davon an mehreren Tagen, sodass insgesamt pro Woche 18 Tagesgäste betreut werden. „Unser Ziel war es, so wenige Köpfe wie möglich aufeinander treffen zu lassen“, sagt Leiterin Petra Klein.
Auch der AWO-Transporter wurde mit Plexiglastrennwänden ausgestattet, in den Räumen wurde umgestellt und statt Essen mit Selbstbedienung aus einem großen Brotkorb, gibt es heute alles direkt auf dem Teller angerichtet. „Gläser werden permanent ausgetauscht, Räume ständig gelüftet und natürlich tragen alle auf den Wegen von A nach B Masken“, betont Klein. Und die Masken sind nicht nur gewöhnungsbedürftig für viele ältere Mitbürger, sondern erschweren auch die Kommunikation: „Speziell Menschen mit Demenz oder Schwerhörige lesen auch viele Informationen von den Lippen und aus der Mimik ab“, erklärt Petra Klein, „das macht den Informationsaustausch und persönliche Gespräche oft schwieriger.“
„Wir freuen uns auf eine Zeit nach Corona“
Dabei sei es im Josefshaus wie auch im Haberer Haus gerade der persönliche Austausch, der den Pflegebedürftigen so gut tut. Auch Regina Saurer betont: „Die Geselligkeit, das mit einbezogen werden – das aktiviert und motiviert viele unserer Tagesgäste.“ Und die Rückmeldungen von Angehörigen bestätigen das. Viele seien an Tagespflege-Tagen viel kommunikativer. Aktive Gymnastik und Singstunden sind zurzeit motorischen Übungen und Brettspielen gewichen, um die Verbreitung von Aerosolen so klein wie möglich zu halten.
Auch wenn in beiden Einrichtungen alle Mitarbeiter und auch alle Tagesgäste, die bereit waren, bereits gegen Corona geimpft sind beschreiben die Leiterinnen die Maßnahmen als herausfordernd. Und für beide steht fest: „Wir freuen uns auf eine Zeit nach Corona.“ Wenn kein Lächeln mehr von Masken verdeckt wird, Umarmungen und Körpernähe wieder erlaubt sind, die geliebten Singstunden wieder zelebriert werden können und auch der Generationenaustausch wieder möglich ist. Denn in normalen Zeiten sind Besuche von Kindergartengruppen oder Musikern die Höhepunkte, die den Tagesgästen ein besonderes Lächeln ins Gesicht zaubern.
So ist die Pflegelage im Landkreis Waldshut
Sabine Schimkat kennt als Dezernentin für Arbeit, Jugend und Soziales des Landratsamtes Waldshut die Pflegesituation genau. Im Interview verrät sie, welche Einrichtungen es gibt, wo Angehörige beratende Hilfe bekommen und warum die Anzahl der Pflegeplätze auch nach Corona nicht ausreichen wird.
Wie viele Pflegeeinrichtungen gibt es im Landkreis Waldshut?
26 stationäre Altenpflegeheime, zehn Tagespflege-Einrichtungen und zwölf ambulante Pflegedienste bieten älteren und pflegebedürftigen Menschen bei uns im Landkreis ihre Unterstützung an. Zu den Anbietern gehören große Trägerorganisationen wie die Caritas Hochrhein, die AWO, der Arbeiter-Samariter-Bund, das Diakonische Werk aber auch private und kommunale.
Welche Vorteile hat speziell die Tagespflege?
Pflegebedürftige können weiterhin in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung leben und behalten so den Bezug zu Familie, Freunden und Nachbarschaft. In der Regel ein bis fünf Mal wöchentlich verbringen Sie den Tag in einer Tagespflegeeinrichtung, oft in Kombination mit regelmäßigen Besuchen von ambulanten Pflegediensten zu Hause. An den Tagen in der Tagespflege erleben sie Anschluss an eine Gemeinschaft und Beschäftigung – das motiviert zu Bewegung und tut der Seele gut.
Und welche Bedeutung hat die Tagespflege für pflegende Angehörige?
Die Statistik zeigt, dass immer mehr Menschen ihre Angehörigen im häuslichen Umfeld pflegen. Diese Angehörigen sind oft einer enormen Doppel- oder Dreifach-Belastung ausgesetzt, müssen neben ihrem eigenen Haushalt und der Berufstätigkeit auch 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche für ihre Eltern, Großeltern oder pflegebedürftigen Partner verfügbar sein. Die Unterbringung in einer Tagespflege entlastet pflegende Angehörige, indem sie Freiräume schafft, in welchen die Pflegebedürftigen aufgehoben und fachgerecht umsorgt sind.
Ist es schwierig, einen Platz in einer der Einrichtungen zu ergattern?
Viele Einrichtungen, sowohl die stationären Pflegeheime als auch die Tagespflegeeinrichtungen, haben lange Wartelisten. Die Corona-Pandemie hat zu einer reduzierten Belegungsmöglichkeit in der Tagespflege geführt und die Situation verschärft. Doch auch nach Corona werden die vorhandenen Plätze für den Zukunftsbedarf nicht ausreichen. Durch den demographischen Wandel wird die Bevölkerung immer älter und immer mehr Menschen benötigen Unterstützung. Gleichzeitig herrscht deutschlandweit ein Fachkräftemangel im Pflegebereich, der im Landkreis Waldshut durch die Nähe zur Schweiz, mit wesentlich höheren Löhnen im Gesundheitssektor, noch akuter ist. Die gute Nachricht: Wir vom Landratsamt sind in stetigem Austausch mit den Einrichtungen und speziell die Anbieter, kennen den Bedarf genau und sind bestrebt, soweit möglich der steigenden Nachfrage durch den Ausbau neuer Einrichtungen gerecht zu werden.
Wer bezahlt die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung?
In der Regel erhält eine pflegebedürftige Person einen Pflegegrad durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Die Begutachtung muss bei der eigenen Pflegekasse beantragt werden. Sobald ein entsprechender Pflegegrad vorliegt, übernimmt die gesetzliche Pflegekasse anteilig die Unterbringung in einer stationären oder Tagespflege-Einrichtung, bezuschusst einen ambulanten Pflegedienst, pflegerische Hilfsmittel und sogar Hilfe im Haushalt. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Pflegegrad, also nach dem Ausmaß der Pflegebedürftigkeit.
Woher weiß ich als Angehöriger, welche Pflegeeinrichtung die richtige ist?
Erste Anlaufstelle ist der Pflegestützpunkt des Landkreises Waldshut. Neben telefonischer Beratung rund um Papierkram, Gesetzeslage und Möglichkeiten der Versorgung, bieten die geschulten Mitarbeiter auch Gespräche in Außensprechstunden in den verschiedenen Gemeinden an. Auch während der Corona-Pandemie finden diese Termine im gesamten Landkreis statt. (Weitere Infos und Termine im Internet: https://pflegestuetzpunkt.landkreis-waldshut.de).
Fragen: Sira Huwiler-Flamm