„Seit der Impfung gegen Covid-19 ist der psychische Druck weg, jetzt sind wir komplett auf der sicheren Seite“, sagt die Leiterin des Seniorenzentrums „Sonnengarten“, Martina Meier. Bei diesem Satz schwingt eine gehörige Portion Erleichterung mit. Mit dem Wort Erleichterung verbindet Marina Meier auch das zurückdrängen der Angst, die sie immer vor einem Ausbruch im Pflegeheim hatte, für das sie die Verantwortung trägt. „Jetzt ist diese Angst vor einem Einschlag in unserer Einrichtung nicht mehr so da!“
Dabei ist der Lockdown vor einem guten Jahr längst nicht vergessen. „Die Öffentlichkeit war plötzlich nicht mehr im Haus, das soziale Leben stand still. Von den 70 Ehrenamtlichen kamen nur noch fünf, die sich keine Sorgen vor einer Ansteckung machten“, erzählt die Leiterin des Seniorenzentrums. „Zu Beginn der Pandemie hat aber die Einsamkeit bei den Bewohnern enorm zugeschlagen“, erzählt sie weiter. Ihre Sorge war groß, dass Corona den Weg in das Pflegeheim findet – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen. „Nachts bin ich oft aufgewacht, wenn sich eine Mitarbeiterin krankgemeldet hat oder ein Bewohner Fieber oder Husten hatte, machte man sich gleich Gedanken, ob es vielleicht doch Corona sein könnte. Unsere größte Hoffnung war, dies alles zu überleben“, erzählt Martina Meier.
Tests schon seit November
Die Pflegeeinrichtung in Wutöschingen hatte bereits im November mit Testungen der Besucher begonnen. Pro Woche waren durchschnittlich zwei Tests positiv, sagt Martina Meier. Hinzu kam die Maskenpflicht, die nun ebenso wie Tests gesetzlich verankert ist. „Unser Konzept ist aufgegangen“, zeigt sie sich erleichtert. Befremdlich ist für Martina Meier nach einem Jahr Pandemie der Umstand, dass sie viele Angehörige noch nie ohne Maske gesehen habe.
Obwohl seit dem 2. Februar fast alle Bewohner und 75 Prozent des Personals geimpft sind, ist die Einrichtung noch weit von Normalität entfernt. „Lockerungen sind nicht in Sicht, dabei haben wir so viel dafür getan, ich hoffe, dass es Mitte April Lockerungen gibt, momentan gibt es die gesetzliche Lage aber nicht her.“ Montagnacht kam ein positives Signal. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin wurde beschlossen, dass Pflegeheime zwei Wochen nach der Zweitimpfung ohne Ausbruchsgeschehen die Besuchsmöglichkeiten ausweiten können.
Wer als Besucher derzeit die Pflegeeinrichtung betreten will, braucht einen Schnelltest. Dafür gibt es morgens und nachmittags Gelegenheit. Obligatorisch ist auch eine FFP2-Maske. Bisher durften die Bewohner täglich zwei Besucher empfangen, hier könnte es nun bald Lockerungen geben. Bereits jetzt kommen wieder mehr Ehrenamtliche ins Haus, die lesen zum Beispiel Märchen vor. Es gibt nach der zweiten Impfung auch wieder gemeinsame Gymnastikangebote und Gottesdienste – ohne Gesang. Die von den Bewohnern und Besuchern so geliebte Kaffeestube bleibt weiterhin geschlossen. „Im Tagesablauf hat sich wenig verändert, die geltenden Vorschriften geben das nicht her, das ist ja die große Kritik.“
Nähe ist wieder möglich
„Ich hatte vor der Impfung Angst Bewohner anzustecken“, erzählt Filipa Sitter, die als Pflegefachkraft in der Einrichtung arbeitet. Auch im Privatleben habe sie ihre Kontakte stark eingeschränkt. Die Sorge, das Virus unbeabsichtigt ins Pflegeheim mitzubringen, war groß, erzählt sie. Seit der zweiten Impfung habe sich der Umgang mit den Bewohnern deutlich entspannt: „Jetzt können wir wieder das machen, was diesen Beruf ausmacht. Nähe ist wieder machbar, ich kann wieder jemand in den Arm nehmen. Wir pflegen mit einem Lächeln, aber mit Maske, und das verstehen viele Bewohner nicht.“
Der schwer Lungenkranke Wilhelm Polz (65) war im Seniorenzentrum Wutöschingen einer der ersten, dem das begehrte Serum gespritzt wurde. „Wir sind jetzt entspannter, die Angst vor einer Ansteckung ist nicht mehr so groß, wie sie vorher war“, sagt er. Davor machte er sich oft Sorgen, wer da gerade ins Haus kommt und was er mitbringt. „Dann habe ich mir ausgemalt, was passieren könnte, wenn das Virus ins Haus kommt.“ Jetzt zeigt er sich erleichtert und freut sich, wenn Menschen ins Pflegeheim kommen: „Das ist eine Auffrischung im Alltag, gerade wenn die Ehrenamtlichen zu uns kommen.“