Der 19. Januar war für viel über 80-Jährige, die sich einen Impftermin holen wollten, ernüchternd. Leser riefen an oder schrieben Mails und äußerten sich verärgert über die „unprofessionelle“ Abwicklung der Impfanmeldungen. Das Land hatte sich für ein zentrales Anmeldeverfahren entscheiden. Direkt beim Kreisimpfzentrum in Tiengen konnte sich niemand anmelden. Etliche Leser sprechen von Chaos und fragten sich, ob die Landesregierung mit der zentralen Anmeldung überfordert war.

20 Minuten in der Warteschlange

Ernst Schwarz aus Bad Säckingen hat genau diese Erfahrung gemacht. Punkt 8 Uhr am Dienstagmorgen versuchte er, telefonisch einen Termin für seine Corona-Impfung im Kreisimpfzentrum in Tiengen zu ergattern. Der 81-Jährige versuchte es immer wieder im Impfcallcenter unter der 116117. „Erst nach etwa 20 Minuten hatte ich dann einen Herrn am Telefon“, berichtet Ernst Schwarz.

„Vermittlung von Impfterminen per Telefon“: Diesen Hinweis hatten einige Impfwillige bekommen, die gestern über die ...
„Vermittlung von Impfterminen per Telefon“: Diesen Hinweis hatten einige Impfwillige bekommen, die gestern über die Impf-Homepage (www.impfterminservice.de) einen Termin für das Kreis-Impfzentrum in Tiengen ausmachen wollten. | Bild: Völk, Melanie

Der hat ihm dann erklärt, er könne heute keine Termine vergeben, das KIZ in Tiengen habe keine. Ernst Schwarz, vormals Geschäftsführer der Eggbergklinik in Bad Säckingen, wollte sich nicht so einfach abspeisen lassen. Heute sei doch offiziell und landesweit Anmeldung möglich, insistierte Ernst Schwarz, das sei doch in allen Medien so kommuniziert worden. Was da kommuniziert worden sei, sei ihm egal, habe der Herr in der Impfanmeldung entgegnet, er jedenfalls habe keinen Termin für ihn.

Termine in 15 Minuten vergeben

Abgesehen von der offenbaren Unfreundlichkeit, mit der Senioren im Impf-Callcenter des Landes empfangen werden, dürfte der dortige Mitarbeiter wohl Recht gehabt haben. Als Ernst Schwarz um 8.20 Uhr endlich durchkam, war wohl tatsächlich nichts mehr da. Nach Auskunft des Landratsamtes seien die Termine im KIZ Tiengen innerhalb kürzester Zeit ausgebucht: „In weniger als 15 Minuten“, teilte die Pressesprecherin des Landratsamtes, Susanna Heim, mit, „so wurde es uns gesagt, wir haben sie ja nicht selbst vergeben“.

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Der 80-jährige Dieter Heller aus Bad Säckingen war im Ergebnis ebenso wenig erfolgreich wie Ernst Schwarz, allerdings kam es bei ihm nicht einmal zu einem Kontakt. Er hat es online und per Telefon probiert. „Eine Ansage teilte mir mit, ich solle acht Minuten warten, dann würde sich jemand kümmern“. Nach acht Minuten ging‘s tatsächlich weiter, sagte Dieter Heller, doch die erneute Ansage erklärte ihm: Ruf Sie bitte irgendwann anders nochmal an. „Ich werde es jetzt täglich probieren, bis ich einen Termin habe“, sagt Heller hartnäckig.

Nach vierstündiger Odyssee: Kein Termin mehr frei

Sehr verärgert ist Hubert Aberle aus Bad Säckingen. Er nennt das Anmeldeverfahren und auch die spärliche Impfbeschaffung der Bundesregierung „Dilettantismus“. Bei der Online-Anmeldung sei er auf eine neue Seite weitergeleitet worden. Die wiederum habe ihn aufgefordert, doch die Servicehotline 116117 anzurufen. Aberle: „Nach guten vier Stunden ist es mir dann gelungen, einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen, der mir mitteilte, dass im Servicezentrum aktuell keine Termine vergeben werden können.“

Der 83-jährige Ulrich Tillessen aus Waldshut berichtet, er habe tagelang vergeblich versucht, über das Internet einen Impftermin zu erhalten. Am Dienstag unternahm er einen weiteren Anlauf gemeinsam mit seiner Frau Rosemarie Tillessen. Deren Bilanz: „Heute haben wir jetzt beide – mein Mann am PC, ich am Telefon – pausenlos seit drei Stunden versucht, einen Termin zu bekommen. Ohne Erfolg: Er wurde aufs Telefon verwiesen, ich wurde – nach unzähligen Versuchen –bis nach Stuttgart und nach Berlin verbunden. Dort sagte man mir, in Waldshut-Tiengen würden gar keine Termine vergeben, frühestens ab 22. Januar.“

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Von Senioren wird einiges abverlangt

„Den über 80-Jährigen wird ja einiges abverlangt. Nicht nur Geduld, sondern auch kommunikationstechnische Kenntnisse“ – das ist das Fazit von Redakteurskollege Justus Obermeyer, der am Dienstagmorgen versuchte, einen Impftermin für seine Mutter zu ergattern. Nachdem die Webseite www.impfterminservice.de ihn auf die bekannte Service-Telefonnummer verwiesen hatte, dort aber nur ein Dauerbesetztton zu hören war, hatte er eigentlich schon um kurz nach 8 Uhr aufgegeben. Als er hörte, dass ein Bekannter wenig später erfolgreich gewesen war, versuchte er doch nochmal sein Glück. Und tatsächlich konnte er nun auf der Webseite Handynummer und E-Mail-Adresse eingeben.

Groß war der Andrang auf die Impftermine für das Kreisimpfzentrum in Tiengen. Um 10.30 Uhr gab es keine freien Impftermine mehr, wie ...
Groß war der Andrang auf die Impftermine für das Kreisimpfzentrum in Tiengen. Um 10.30 Uhr gab es keine freien Impftermine mehr, wie dieses Screenshot zeigt. Tatsächlich ausgebucht waren die Termine jedoch schon zwei Stunden davor. | Bild: Screenshot SK

Per SMS bekam er einen sechsstelligen „Verifizierungscode“ auf sein Handy, der allerdings nur zehn Minuten gültig war. Dies gab er auf der Webseite wieder ein und erhielt die Nachricht, er solle nun auf eine Mail mit weiteren Anweisungen warten. Doch diese Mail ließ lange auf sich warten: Erst eine halbe Stunde später trudelte sie ein und beinhaltete nun zwei zwölfstellige „Vermittlungscodes“, mit denen nun – wiederum auf der Webseite – die beiden Impftermine reserviert werden sollten. Hier war für den Kollegen aber Endstation: „Leider sind in Ihrer Region aktuell keine Termine verfügbar. Versuchen Sie es später erneut.“

Vergeblicher Versuch über Telefonnummer 116 117

Auch das Ehepaar Adelheid und Helmut Gerard aus Lauchringen, beide über 80 Jahre alt, hat sich bislang vergeblich um einen Impftermin bemüht. Zunächst versuchten sie es zwei Tage lang über die zentrale Telefonnummer 116117. Helmut Gerard: „Ich habe es wiederholt probiert. Man musste dann unzählige weitere Nummern eingeben, und am Ende brach die Verbindung ab.“ Über die Internetplattform www.impfterminservice.de kam Gerard dann zwar weiter. Nach Eingabe des auf sein Smartphone zugesandten Codes und Weiterklicken zu einem Terminkalender erhielt er schließlich jedoch die Anzeige: „Leider sind in ihrer Region aktuell keine Termine verfügbar.“

Erfolg nach bürokratischem Hürdenlauf

Am Ende erfolgreich war Leserin Susanne Schramm aus Murg, die für einen 87-jährigen Nachbarn einen Impftermin in Tiengen vereinbart hat. Doch das Unterfangen entpuppte sich als bürokratischer Hürdenlauf: „Auf der angegebenen Online-Seite bekomme ich den Hinweis, bitte mich telefonisch zu melden. Versuche ich es telefonisch, ist entweder die 11 61 17 besetzt und wenn ich durchkomme und bei der Impfterminvergabe bin, sage eine nette Ansage: ‚In Ihrem Landkreis sind alle Leitungen belegt.‘ Kann es wirklich sein, dass nun bei einem verspäteten Impfstart die technische Infrastruktur einer Impfterminvergabe online immer noch nicht möglich ist?“. Die Anmeldungs-Odyssee war am Ende doch noch erfolgreich, der Nachbar erhält nun am 24. Januar und am 19. Februar den Corona-Schutz. Die Anmeldung nahm Susanne Schramm per Computer und Smartphone vor. Das Prozedere, bei dem man einen Verifizierungs-Code auf sein Mobiltelefon geschickt bekommt, sei für alte Menschen viel zu kompliziert: „Das ist ein Desaster.“

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