An der einen Stelle bremst Corona die Wirtschaft aus, an der anderen hält die Pandemie aber auch Chancen bereit. Eine davon hat ein junges Ehepaar aus Schopfheim genutzt. Die beiden haben in der Coronakrise ein Start-up gegründet. Sie produzieren in einem kleinen Textilbetrieb seit einem halben Jahr Corona-Masken – made in Schopfheim. Die Firma A+M hat einen hohen Qualitätsanspruch und bekam nicht zuletzt deshalb einen Bundesauftrag. Aber der besondere Charme an der Geschichte: Gegründet hat die neue Firma eine frühere Textilingenieurin der Lauffenmühle gemeinsam mit ihrem Ehemann. Und die beiden haben ehemaligen Kollegen ins neue Start-up geholt, die nach der Lauffenmühle-Pleite arbeitslos waren. Eine Krise kann auch schöne Geschichte schreiben.

Abda und Michael Hitz sind die jungen Gründer, die sich im Produktionsgebäude der früheren Arlington Socks in Schopfheim-Langenau ihre neue Existenz aufgebaut haben. Mit den beiden haben 21 Kolleginnen und Kollegen aus der Not eine Tugend gemacht. Als die Pandemie über das Land hereinbrach, waren Masken Mangelware. Was allenfalls – und das nur in kleiner Stückzahl – zu kriegen war, waren Masken aus chinesischer Herstellung. Abda Hitz erinnert sich: „Wir haben uns gesagt, das müssen wir doch im eigenen Land herstellen.“ Die 35-Jährige ist Textilingenieurin und weiß wovon sie spricht. Die Idee war geboren. Ihr Mann Michael Hitz (40) ist Wirtschaftsingenieur, arbeitete bei der Firma Rota Yokogawa in Wehr-Brennet. Als der Entschluss feststand, kündigte er, und die beiden wagten den Schritt in die Selbständigkeit.
Bis heute haben sie rund vier Millionen medizinische OP-Masken produziert und verkauft. Und aktuell steht noch jetzt im März der nächste Ausbauschritt der Firma an, berichten Abda und Michael Hitz. Die nächste Maschinenlinie für die Produktion von FFP2-Masken ist auf dem Weg. „Auch hier werden wir ein Produkt komplett Made in Germany herstellen“, versichert Abda Hitz – das beinhalte natürlich auch die Fertigung der Vliesstoffe für die Herstellung der Masken. Warum das so wichtig ist? Zum einen gehe es um die Hochwertigkeit der Materialen, die beispielsweise nicht mit Chlor behandelt werden, zum anderen gehe es um Sicherung von pandemierelevanter Produktion im eigene Land und damit die Unabhängigkeit im Krisenfall, beschreibt Michael Hitz.
Bald ist es ein Jahr her: Auf 28. April 2020 datiert die Gründung der kleinen Firma. Es folgten Standortwahl, Ausbau, Einkauf von Maschinen – und eben das besondere an der Geschichte: zahlreiche Kollegen, die zusammen mit Abda Hitz die Lauffenmühle-Insolvenz miterlebt hatten, sind jetzt bei A+M an Bord. Die Produktion startete im Juli mit der ersten Maschinenlinie für die zertifizierten Masken. „Das war alles nicht so einfach“, betont die Textilingenieurin. Es handelt sich um ein medizinisches Produkt, das zugelassen sein muss. Das heißt unter anderem, die Produktion muss unter Reinraumatmosphäre ohne Keimbelastung stattfinden.
Bis zu 160.000 medizinischen Masken pro Tag
Mittlerweile ist die zweite Linie für medizinische Masken aus dem Hause A+M in Betrieb. Die Produktionsleistung liegt laut Michael Hitz pro Tag zwischen 70.000 und 160.000 Masken – je nach Auftragslage. Für spontane Kunden, sind innerhalb von zwei Tagen 300.000 medizinische Masken lieferbar, verspricht Hitz.

Der derzeit größte A+M-Kunde ist die Bundesrepublik Deutschland. Der Staat kauft 400.000 medizinischen Masken pro Woche in Schopfheim ein. Das sichert im Moment den Bestand des Betriebs. Der Auftrag läuft bis Ende Jahr, die beiden hoffen, bei der nächsten Ausschreibung erneut zum Zuge zu kommen.
Gleichzeitig entwickeln die A+M-Inhaber derzeit Perspektiven für die Nach-Corona-Zeit. Das heißt: Breiter aufzustellen. So soll die Produktion der FFP2-Masken jetzt anlaufen. Das Ziel: täglich 50.000 Stück in zwei Schichten. Weiter haben sie zusätzliche medizinische oder Hygieneprodukte, Antigen-Tests und auch Viren-Luftfilter in Angebot – Produkte, die sie nicht selber herstellen, sondern nur vertreiben.

Das Wichtigste aber: Eine breiteres Kundenfeld. Darauf sind Abda und Michael Hitz aktuell konzentriert. Einer der Bestandskunden in der Region ist Geiger Textil aus Bad Säckingen, Großwäscherei und Textildienstleister mit über 300 Mitarbeitern. Geiger war auch einer der ersten Kunden. „Wir haben in der frühen Pandemiephase im Frühjahr 2020 wegen der enormen Engpässe zunächst selber Masken hergestellt“, berichtet Geschäftsführer Jochen Geiger. Aber das sei nicht ihr Geschäft. Deshalb, als er von der A+M-Firmengründung in Schopfheim hörte, war schnell der Kontakt geknüpft. Seither bezieht Geiger für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Schutzmasken „Made in Schopfheim“.
Firmenchef Jochen Geiger schwört auf Masken „made in Schopfheim“
Natürlich seien die etwas teurer als die Billigware aus Fernost, räumte Geiger ein, „aber ich will das Beste für meine Mitarbeiter.“ Geiger, selber Textilfachmann, weiß was Oeko-Tex-zertifiziert heißt. Das Label wird vom renommierten Forschungsinstitut Hohenstein vergeben und bürge für Qualität, so Geiger.
„Die Firmengründung der beiden war ein richtig mutige Schritt“, sagt Geiger. Es sei wichtig, solch relevante Produktionen im Land und auch in der Region zu halten. Schließlich werde das Produkt auch außerhalb von Pandemien benötigt, etwas im medizinischen Bereich, in Kliniken, Krankenhäusern, Pflegeheimen aber auch in Betrieben im Lebensmittelbereich. In einer Krise rufe jeder nach Unabhängigkeit von ausländischen Importen und nach Produktionen im eigenen Land, so Geiger, „und hinterher schaut wieder jeder nur auf den Pfennig. Hier muss ein Umdenken stattfinden.“