Ob gegen Influenza, Tetanus oder Hepatitis: Impfen gehört für Peter Haarmann und Stefanie Kau zum täglichen Geschäft. Die beiden Stühlinger Allgemeinmediziner verabreichen jede Woche durchschnittlich an 30 bis 40 Patienten immunisierende Seren – die Grippeimpfungen im Herbst sind dabei noch nicht einmal mitgerechnet. Seit Mittwoch hat ihre Hausarztpraxis wie viele andere in Baden-Württemberg auch die Covid-19-Impfung im Programm. „Das war jetzt auch allerhöchste Zeit, dass wir endlich mit ins Boot genommen worden sind“, sagt Peter Haarmann zum Start der Corona-Impfungen in den Hausarztpraxen. Schließlich schließlich besäßen die Allgemeinmediziner zusammen mit den Kinderärzten beim Impfen die größte Erfahrung.
„Wir könnten wöchentlich 100 oder mehr Dosen verimpfen“
„Täglich, gefühlt minütlich“, sei sie in den vergangenen Wochen und Monaten von ihren Patienten auf die Covid-19-Impfung angesprochen worden, berichtet auch Andrea Beckert-Schömig, Fachärztin für Innere Medizin in Waldshut. Ihre Gemeinschaftspraxis, in der sie zusammen mit einer Kollegin tätig ist, hat am Dienstag die ersten Dosen Biontech-Pfizer erhalten. Bereits am Nachmittag desselben Tages haben die beiden Ärztinnen ihren Patienten die ersten Impfungen verabreicht. Der Großteil wurde in der Praxis verimpft, in der dafür eigens die Sprechstunden ausgesetzt worden waren, um einen ungestörten Ablauf zu ermöglichen. Einige nicht mobile Patienten erhielten das Serum zuhause oder im Pflegeheim. „Für das erste Mal war die Menge ausreichend. Bei eingespieltem Ablauf können wir uns vorstellen, wöchentlich 100 oder mehr Dosen zu verimpfen“, sagt Beckert-Schömig.

Verglichen mit den anderen Impfungen bedeutet die Handhabung des Covid-19-Serums von Biontech-Pfizer für die Hausärzte einen erheblichen Mehraufwand. Normalerweise benötige er etwa fünf Minuten für einen Impfvorgang, erklärt der Görwihler Hausarzt Johannes Romacker. Bei den Corona-Impfungen, die er in seiner Praxis am Mittwoch aufgenommen hat, rechnet Romacker pro Impfling mit mehr als einer halben Stunde Zeitaufwand für sich und für seine Helferin.
Allein 15 Minuten lang wird der Patient nach der Impfung auf das Auftreten etwaiger Nebenwirkungen beobachtet. Vorher muss er über mögliche Risiken aufgeklärt werden und dies schriftlich bestätigen. Etwa eine Stunde wird benötigt, bis das in 0,45-Milliliter-Ampullen angelieferte Impfstoffkonzentrat von Biontech-Pfizer mit isotoner Kochsalzlösung verdünnt, durchmischt und in 0,3-Milliliter-Dosen auf Spritzen aufgezogen ist. Das Setzen der Spritze selbst ist dann eine Sache von nur wenigen Augenblicken.
Keiner weiß, wie viele Hausärzte im Kreis schon impfen
Noch bevor die ersten Hausarztpraxen mit den Corona-Impfungen starteten, rechnete der Pandemie-Beauftragte im Landkreis Waldshut, der in Laufenburg und Rickenbach praktizierende Arzt Olaf Boettcher, dass langfristig die allermeisten seiner Kolleginnen und Kollegen mitmachen würden. Wie viele Praxen das Covid-19-Serum aber im Augenblick bereits verimpfen, können nicht einmal das Gesundheitsministerium oder die Kassenärztliche Vereinigung sagen. „Wir können die Frage nicht beantworten, da die Praxen sich nicht für die Impfung registrieren müssen“, so die Kassenärztliche Vereinigung.
Der Covid-19-Impfstoff gelangt auf demselben Weg in die Praxen wie jedes andere Medikament: über Apotheken und Pharmagroßhandel. Die Arztpraxen teilen bis spätestens dienstags, 12 Uhr, der sie primär beliefernden Apotheke mit, wie viele Dosen sie in der Folgewoche benötigen. Die Apotheke leitet die Bestellungen mehrerer Praxen an den Großhandel weiter und erhält von dort Rückmeldung, welche Menge verfügbar ist. Donnerstags informiert die Apotheke ihre Partnerpraxen darüber, welche Menge geliefert wird. Aufgrund dieser Meldung planen die Praxen die Impftermine der Folgewoche. Montagnachmittags dann liefern die Apotheken den Impfstoff an die Praxen aus.
Den rund 50.000 deutschen Hausärzten standen zum Start der Impfungen in der Woche nach Ostern rund eine Million Dosen zur Verfügung. Weil nicht klar war, ob dies ausreichen würde, konnten pro Arzt maximal 18 bis 48 Dosen bestellt werden. Hätte die bestellte Impfstoffmenge die verfügbare überschritten, hätte der Großhandel die Lieferungen entsprechend eingekürzt, um sie fair verteilen zu können. Offenbar aber gab es keine Engpässe. Alle drei von uns befragten Arztpraxen im Landkreis haben die von ihnen georderte Menge vollumfänglich erhalten, die eine 96 Dosen Biontech-Pfizer, die andere 66, die dritte 18.
Da ungeöffneten Ampullen bei plus 2 bis plus 8 Grad nur bis zu fünf Tage lang gelagert werden können, ohne dass der Inhalt an Wirksamkeit verliert, muss das angelieferte mRNA-Vakzin innerhalb dieser Zeit verimpft werden. „Wir haben zum Beispiel am Mittwoch drei Stunden lang geimpft“, sagt Hausarzt Haarmann. Die Praxen haben schon im Vorfeld anhand der Priorisierungskriterien abgeklärt, welche ihrer Patienten die Impfung zuerst erhalten sollten und mit diesen Termine vereinbart. Noch nicht impfberechtigte Patienten können ihren Impfwunsch zwar mitteilen – je nach Praxis über Telefon, über E-Mail oder über beide Wege – werden dann aber auf eine Warteliste gesetzt.
Die Kassenärztliche Vereinigung rät den Patienten im Augenblick sogar, in den Praxen erst gar nicht wegen eines Corona-Termins anfragen. Da noch immer nur relativ wenig Impfdosen verfügbar seien, würden die Praxen selbst auf die Patienten wegen eines Impftermins zugehen. „Angekündigt ist wesentlich mehr Impfstoff, so dass wir hoffen, dass dann auch in den Praxen auf breiter Front geimpft werden kann.“
Sorge gibt es auch wegen eines möglichen Ärzte-Hoppings. Patienten sollten keinesfalls den Hausarzt deshalb wechseln, weil sie hoffen, so zu einer baldigeren Corona-Impfung zu kommen. Der Görwihler Allgemeinmediziner Romacker kann da nur den Kopf schütteln: „Viele meinen, sie müssten von einem Hausarzt geimpft werden. Ich weise dann immer auf das Kreis-Impfzentrums in Tiengen hin.“ Dort sei im Zweifelsfall der frühere Impftermin erhältlich.