Sie schiebt einen Wagen Richtung Eingang zum Edeka-Markt in der Nähe des Kreisverkehrs im Westen von Jestetten. Die Sonne scheint, eine Brise weht. Die Kundin ist gut gelaunt. Unüberhörbar eine aus der Schweiz. „Oh, Maske“, ruft sie, bevor sie in das geschäftige Treiben im Laden eintaucht.
Manche Jestetter haben sich in den Wochen nach der Grenzöffnung über Fälle beschwert, dass sich Schweizer Kunden nicht an die Regeln hielten, die Ladenbesitzer nichts unternehmen würden. Wir machen die Probe aufs Exempel und mischen uns in verschiedenen Geschäften selbst in den Pulk der Kunden.
Alle, die an diesem Samstagmorgen den Edeka-Markt betreten, befestigen ihre Mund-Nasen-Bedeckungen an ihren Ohren. Viele kommen aus der Schweiz. Laut der Nummernschilder an den Autos zum Großteil aus dem Kanton Zürich. Er herrscht Betrieb, aber lang nicht so viel wie sonst an einem Samstag.

Im Lebensmittelgeschäft bewegen sich die Kunden gesittet. Im Vorraum steht links ein Stehtisch mit Desinfektionsmittel für die Hände. Auf der anderen Seite können sich die Kunden Tücher zupfen und den Handlauf der Einkaufswägen reinigen. Plakate und Schilder machen auf Maskenpflicht und Abstandsregel aufmerksam. Edeka verschenkt an der Kasse sogar Desinfektionsmittel.
Gefälschtes Attest, um Maske zu umgehen
„Es läuft überwiegend gut, die Regeln kommen gut an. Wer ohne Maske kommt, kauft sich welche am Eingang“, schildern Elena Reichert und Pere Gonzalez, die Stellvertreter der Edeka-Marktleitung. Einzelne beschwerten sich. „Schweizer und Deutsche“, betonen die beiden. Sie berichten allerdings von einem dreisten Fall: „Ein Kunde kam mit einem gefälschten Attest, damit er keine Maske tragen muss. Es war ein Jestetter.“
Ansonsten gebe es kaum Probleme. Die Leute verstünden es, wenn sie darauf hingewiesen würden, den Abstand zu halten. „Wenn‘s zu voll ist im Laden, und es sich bis in den Gang hinein staut, müssen die Kunden draußen warten, bis andere den Laden verlassen haben“, erklären sie.
Draußen sprechen wir Schweizer Kunden an. Ein Mann aus dem Kanton Zürich, seinen Namen will er nicht verraten, sagt kurz: „Kein Problem. Wir ziehen die Maske auf. Es geht ja um die Sicherheit.“ Valentina und Orazio Guerreggiante aus Volketswil im Kanton Zürich stehen hinter ihrem Auto. Die Einkäufe sind verstaut, sie genießen einen Snack. „Ich arbeite selbst im Verkauf, ich weiß, wie es ist“, verrät Valentina.
„Wir finden, jeder sollte sich daran halten“
Einige würden in der Schweiz freiwillig Masken tragen, obwohl es keine Pflicht ist. „Wir waren eine Woche in Hamburg, wir sind schon daran gewöhnt. Wir finden, jeder sollte sich daran halten. Es ist wichtig, damit die Infektionszahlen nach unten gehen“, sagt Orazio. Er ergänzt: „Ich selbst habe weniger Angst, ich mache mit eher Sorgen um die älteren Menschen.“
Im Textilfachgeschäft M&M Fashion gegenüber treffen wir auf einen gut gelaunten Inhaber Sascha Mundl, genannt „der Modezar“. Am Eingang steht ebenfalls Desinfektionsmittel bereit. Seine Kunden bekommen eine Maske gratis. Das Schild „1,50 Meter Abstand“ ist unübersehbar. Er fasst sich kurz: „Wir hatten vom ersten Tag an null Probleme, auch in unserer Filiale klappt es gut. Man braucht gar nix sagen.“
Jeder reibt sich beim Eintritt die Hände
Stimmt. In der folgenden halben Stunde reiben sich alle, die eintreten, die Hände ein und haben die Masken schon im Gesicht. Mundl berichtet von anderen Fachhändlern und Kollegen: „Die Stimmung ist gut. Wie ich höre, gibt es auch bei den anderen keine Probleme.“ Er verschweigt nicht den hohen Anteil an Schweizer Kunden in seinem Geschäft, der bei über 90 Prozent liege.
Katja Steinbeisser vom Gewerbeverein Aktionsgemeinschaft Pro Jestetten weiß aus eigener Erfahrung: „Kunden, die in ein Fachgeschäft kommen, verhalten sich immer anders. Sie sind alle höflich, hören zu, lassen sich beraten und kaufen Qualität. Sie lassen den Müll nicht liegen. Und sie tragen die Masken.“
Nichts Auffälliges in Geschäften und Discountern
Auch in den anderen Geschäften und Discountern gibt es nichts Auffälliges zu beobachten. Der Penny-Markt ist gut besucht. Große Plakate weisen auf die Verordnungen hin. Kunden werden gebeten, einen Einkaufswagen zu nehmen. Der eine oder andere bedeckt, wie andernorts, mit der Maske lediglich den Mund. Sonst läuft alles nach den Regeln.
Die Filialleitung bei Fressnapf, Fachhandel für Tiernahrung und -zubehör, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen. Jeder, der den Laden betritt, bekommt eine Wäscheklammer. „So haben wir einen Überblick über die Kunden, die im Laden sind. Es dürfen nicht mehr als 50 gleichzeitig im Laden sein“, erklärt Geschäftsführer Christopher Wieland am Telefon.
Nur mit Wäscheklammer in den Laden
Manuel Lutterschmitt, stellvertretender Marktleiter, steht am Stehtisch, begrüßt jeden Kunden, verteilt die Klammern und weist bei Bedarf auf die Maskenpflicht hin. „Es kommt keiner rein, ohne dass er hier vorbei muss.“
Nebenan bei Aldi hat sich vor dem Eingang eine Schlange gebildet. Laut Aussage der Presseabteilung von Aldi Süd ist in der Jestetter Filiale ein elektronisches System zur Zutrittskontrolle installiert. Entgegen dieser früheren Stellungnahme steht an diesem ein Security-Mann vor der Tür.

Drinnen halten sich die Menschen an die Regeln, einige Mitarbeiter haben sogar ein Schutzvisier aus Plexiglas vor dem Gesicht. Ein ähnliches Bild erscheint im dm-Drogeriemarkt auf der anderen Seite des zentralen Parkplatzes.
Unser Fazit: Die meisten halten sich an die Regeln
Die meisten Kunden halten sich an die Regeln. Auch die Schweizer haben sich daran gewöhnt. Die Händler ihrerseits achten sorgsam darauf, dass jeder der ihre Geschäfte betritt, eine Maske trägt, sich die Hände desinfiziert und den Abstand einhält. Probleme sehen sie nicht. Und sie sind froh, dass die Schweizer wieder da sind und das Geschäft ankurbeln. „Die Schweizer kommen, aber wir sind noch lange nicht auf dem alten Niveau“, weiß Katja Steinbeisser.
„Die Schweizer sehen, dass es sinnvoll ist.“
Ihr Eindruck: „Es ist schon zwei, drei Wochen her, als die ersten Klagen über Missachtungen der Regeln gekommen sind, es ist jetzt eine andere Situation. Ich denke, die Verordnungen werden zum größten Teil eingehalten.“ Sie verweist darauf, dass in der Schweiz in den öffentlichen Verkehrsmitteln jetzt Maskenpflicht besteht.
„Die Schweizer sehen, dass es sinnvoll ist. Ich habe das Gefühl, bei uns an der Grenze hat sich das Thema zugespitzt. Man schaut allzu gerne auf die Fehler der anderen. Wenige schlechte Beispiele werden betont, die 500 anderen kaum erwähnt“, stellt sie abschließend fest.