Frau Würth, was ist die Lebenshilfe genau und welche Angebote macht sie?

Die Lebenshilfe ist seit vielen Jahrzehnten aktiv und versteht sich als Selbsthilfeverein. Entstanden ist die Bewegung 1958 aus einer Elterninitiative. Eltern mit behinderten Kindern schlossen sich zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen, beispielsweise abwechselnd auf die Kinder aufzupassen. Es gab lange wenig Hilfsangebote zur Entlastung dieser Familien. Heute gibt es Lebenshilfe-Vereine bundesweit.

Unser Kerngeschäft ist die Unterstützung und Betreuung von Familien mit Kindern, Jugendlichen oder Angehörigen mit Behinderung. Wir machen dabei keinen Unterschied, ob das Kind körperlich oder geistig, leicht oder schwer behindert ist. Wir sind für alle da und arbeiten im Netzwerk mit anderen Institutionen wie Caritas, Diakonie und dem Landratsamt zusammen, damit für jeden die passende Hilfe gefunden wird, es gibt für uns dabei keine Konkurrenz.

Das Ehrenamt ist Grundpfeiler des Engagements der Lebenshilfe?

Ja, die Lebenshilfe Südschwarzwald hat über 200 ehrenamtliche Mitarbeitende. Die rund 65 Hauptamtlichen arbeiten an unseren Standorten in Titisee-Neustadt, Bonndorf, Jestetten, Lauchringen, Laufenburg und Bad Säckingen. Ich leite die Abteilung „Offene Hilfen“ im Landkreis Waldshut. Eltern kommen in unsere Beratungsstellen und sagen, wo sie Bedarf an Unterstützung haben. Wir Hauptamtlichen planen und koordinieren dann die Hilfe der Ehrenamtlichen und schauen, wer für die Aufgabe und zu der Familie passen könnte. Gegebenenfalls leiten wir Eltern auch an andere Stellen weiter, wo sie passende Hilfe finden können.

Und der oder die Ehrenamtliche geht dann einfach zu der Familie?

Nein, es kommt zu einem ersten Treffen, bei dem jemand von uns Hauptamtlichen den Ehrenamtlichen begleitet und ihn der Familie vorstellt. Zwischen den Familien und den Ehrenamtlichen muss es passen, die Familien müssen Vertrauen zu der betreffenden Person haben. Viele unserer Ehrenamtlichen gehen schon jahrelang in dieselbe Familie. Wir begleiten die Ehrenamtlichen auch bei ihrer Arbeit, das ist uns ganz wichtig. Es gibt zum Beispiel regelmäßige Betreuertreffen.

Müssen die Ehrenamtlichen bestimmte Voraussetzungen mitbringen?

Sie brauchen ein erweitertes Führungszeugnis, müssen das Herz auf dem rechten Fleck haben, Einfühlungsvermögen haben und offen sein für jedwede Situation. Vorkenntnisse, was den Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung betrifft, braucht man nicht, aber wer will, kann bei uns eine Schulung und Fortbildung machen. Wir haben junge Ehrenamtliche, die beispielsweise in Ausbildung für einen sozialen Beruf sind und Erfahrungen sammeln wollen, aber der größte Teil unserer Ehrenamtlichen sind Rentner, überwiegend Frauen. Die Männer, die wir haben, machen am liebsten Fahrdienste, zum Beispiel zu Therapien. Wir freuen uns grundsätzlich über Jede und Jeden. Ab 16 Jahren kann man mitmachen.

Wie ist denn Ihrer Erfahrung nach die Situation im Landkreis Waldshut, werden Familien mit behinderten Kindern genügend unterstützt?

Es hat sich schon viel getan, das Familienzentrum in Lauchringen ist ein gutes Beispiel dafür, aber es ist noch lange nicht genug. Man sieht Kinder mit Behinderungen immer noch viel zu wenig in der Öffentlichkeit, ihre Teilhabe ist nicht so selbstverständlich wie wir uns das wünschen. Der Landkreis ist riesig und es braucht Unterstützung und Angebote vor Ort, damit die Familien erreicht werden.

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In welchen Bereichen hilft die Lebenshilfe Südschwarzwald Familien mit behinderten Kindern? Wo haben die Eltern Bedarf?

Ein wichtiger Teil ist die Freizeitgestaltung. Unsere Ehrenamtlichen unternehmen was mit den Kindern, so dass die Eltern Entlastung und Zeit für was Anderes haben, sich beispielweise um das Geschwisterkind kümmern können, einkaufen oder einfach nur in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken können. Ganz einfach ist das aber nicht immer. Wollen sie zum Beispiel mit dem Kind ins Kino, müssen sie schauen, ob es dort eine behindertengerechte Toilette gibt.

Es gibt leider immer noch genug Orte, wo man mit dem Rollstuhl nicht hinkommt und im Schwimmbad mit der Masse an Menschen, kann es für Kinder mit Behinderung auch schwierig werden. Ganz toll finden wir Angebote wie sie zum Beispiel der gemeinnützige Verein Hotzenblock in Tiengen, das Familienzentrum in Lauchringen und der Behringer Hof in Murg-Hänner machen.

Ich lese auf dem Flyer, dass die Lebenshilfe Südschwarzwald auch Frühförderung anbietet und Kindergärten unterhält.

Ja, ausgebildete Therapeuten und Pädagogen arbeiten in unserem interdisziplinären Beratungs- und Frühförderzentrum im Lauchringer Riedpark mit Außenstellen in Jestetten, Bonndorf und Bad Säckingen. Ab Geburt können Kinder mit Entwicklungsverzögerung gefördert werden. Wir beobachten, dass ADHS, Autismus und psychische Beeinträchtigungen bei Kindern zunehmen.

Die Lebenshilfe Südschwarzwald unterhält außerdem drei Kindergärten, einen Schulkindergarten in Laufenburg-Rhina sowie einen Schulkindergarten und einen inklusiven Waldkindergarten in Titisee-Neustadt, weiterhin das barrierefreie Freizeithaus Dobelmühle in Bonndorf, das wir an Familien oder Einrichtungen vermieten. Wir machen auch Gruppenangebote. Auf den Wunsch von Mädchen hin, haben wir zum Beispiel einen Mädelsclub gegründet. Teenies so ab 13 Jahren treffen sich regelmäßig bei uns im Lauchringer Riedpark. Zwei Mädchen, die in Ausbildung zur Erzieherin sind, leiten die Gruppe ehrenamtlich.

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Helfen Sie auch Menschen mit Behinderung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz?

Ja, in der Abteilung Arbeit unterstützen wir sie im Rahmen des Projekts KompAss, das steht für Kompetenzzentrum für passgenaue Assistenz zur Teilhabe am Arbeitsleben. Wer als Alternative zur Werkstatt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen möchte, kann sich bei uns melden. Wir trainieren und begleiten dann den oder die Betreffende von der Bewerbung bis zur sozialversicherungspflichtigen Anstellung.

Die Sommerferien stehen vor der Türe, macht die Lebenshilfe besondere Angebote?

In den Sommerferien bieten wir zwei dreitägige Ferienfreizeiten auf dem Behringer Hof an, alle Tiere dort sind so gehalten, dass die Kinder bequem Zugang haben. Ich war schon oft dort, es ist wirklich ganz große Klasse, was geboten wird. Für August sind schon alle Plätze belegt, aber für September ist noch was frei. Außerdem planen wir für Herbst einen Schwimmkurs für Kinder mit Behinderung im Aqualon in Bad Säckingen.

Die Kinder sollen ein Gefühl für das Wasser bekommen und Spaß und Freude haben. Und wir machen auch einen Online-Kurs für Ehrenamtliche, in dem eine Fachkraft über Autismus spricht. Autisten können viele Reize und Trubel nicht verarbeiten, deshalb kann es gerade mit ihnen zu Situationen kommen, die schwierig für die Ehrenamtlichen sind.

Was wünschen Sie sich für Kinder mit Behinderung und ihre Familien, was würde deren Leben leichter machen?

Es tut sich was in Sachen Barrierefreiheit wie man am Waldshuter Bahnhof sieht, aber es ist natürlich noch viel Luft nach oben. Außerdem denke ich, dass Vielfalt selbstverständlicher werden sollte und die Gesellschaft und jeder Einzelne mehr Rücksicht auf Menschen mit Behinderung nehmen könnte. Besonders wenn man die Einschränkung nicht auf den ersten Blick sieht, urteilt und verurteilt man oft schnell, sagt zum Beispiel, das Kind ist schlecht erzogen, weil es mit seinem Verhalten aus dem Rahmen fällt, dabei hat es vielleicht einfach ADHS oder ist Autist.

Und ich wünsche mir, dass noch mehr Ehrenamtliche zu uns finden. Jeder kann sagen, in welchem Rahmen er tätig sein will. Es ist wirklich eine schöne Aufgabe, die Ehrenamtlichen bekommen viel zurück, sie werden gebraucht, wertgeschätzt und spüren oft eine Dankbarkeit der Kinder und ihrer Familien, die von Herzen kommt.

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