Die Tür der Wärmestube in der Ziegelfeldstraße ist geschlossen. Denn Corona lässt keinen Regelbetrieb zu. Das heißt: Die Wohnungslosen stehen vor der Tür und werden meist draußen beraten. Sie bekommen Beratung „to take away“ (übersetzt „zum Mitnehmen“) durchs Fenster hindurch, wie es Sozialarbeiterin Caroline Maier ausdrückt. Maximal zwei externe Personen dürfen das Gebäude aktuell betreten. Denn die Räumlichkeiten sind viel zu klein, so dass Abstandhalten für noch mehr Personen unmöglich ist. Nur drei Tische stehen in dem kleinen Raum. Es ist eine ungewohnte Situation in der Wohnungslosenhilfe, die gerade in der kalten Jahreszeit zur Zerreißprobe werden könnte. Wir blickten in die Wärmestube in Waldshut unter besonders schwierigen Bedingungen.
Was umfasst das Angebot der Wärmestube im Normalbetrieb?
Normalerweise ist die Wärmestube der AGJ-Wohnungslosenhilfe von 8.30 Uhr bis 16 Uhr geöffnet. Der wohnungslose Dieter Rattke steht dann regelmäßig hinter der Theke und kocht Kaffee, den er für 40 Cent an seine „Kumpels“ verteilt. Normalerweise herrscht hier vor allem zur Mittagszeit Hochbetrieb.

Die Wohnungslosen pflegen hier ihre Sozialkontakte, wärmen sich auf, informieren sich in der Zeitung. Und Betroffene kochen für Betroffene. Sie suchen sich ein wärmendes Kleidungsstück aus der Kleiderkammer aus, duschen oder waschen ihre Wäsche. Die Sozialarbeiter beraten sie, helfen beim Anträgestellen beim Jobcenter oder zahlen ihnen ihr Arbeitslosengeld aus. Auch vermitteln oder begleiten sie zum Arzt und sind behilflich bei der Jobsuche. Die Menschen ohne festen Wohnsitz, die die Ziegelfeldstraße 16 als ihre Postadresse angegeben haben, können hier ihre Post abholen. So macht es auch Dieter Rattke. Und er kann von hier aus auch sein Geld beziehen, denn er hat hier ein Klientenkonto. Das alles ist für den Alltag der Wohnungslosen im Landkreis Waldshut ernorm wichtig. Doch jetzt ist vieles anders.
Wie sieht das Angebot der Wärmestube in Corona-Zeiten aus?
Aktuell sind die Sozialarbeiterinnen Caroline Maier und Eva-Maria Hornung von 9 bis 12 Uhr in ihren Büros. Stehen Wohnungslose vor der geschlossenen Tür, lassen sie maximal zwei Personen gleichzeitig herein. Sie können dann auch duschen, sich waschen oder sich kurz aufwärmen. Alle anderen werden durch das Fenster beraten und bekommen auch einen Kaffee nach draußen gereicht.

So ist es möglich, dass sich einzelne Personen mit Abstand draußen treffen. Doch Sotiris-Aki Kiokpasoglou, Leiter der AGJ-Wohungslosenhilfe im Kreis Waldshut, betont: „Das soziale Miteinander bleibt nun auf der Strecke.“ Dabei seien die Menschen doch auf soziale Nähe geeicht, so Kiokpasoglou, den hier alle nur „Aki“ nennen.
Welchen Einfluss auf die Wohnungslosenhilfe hat Corona noch?
Die Arbeit sei nicht weniger geworden, erzählen die Sozialarbeiter, jedoch unter erschwerten Bedingungen. Zwischen 20 und 30 Kontakte mit Wohnungslosen haben sie tagtäglich. Mit den Obdachlosen selbst sprechen sie viel über das Thema, sensibilisieren sie und betonen das strenge Hygienkonzept. Einem Herren mit Symptomen, der auf der Straße lebt, habe das Gesundheitsamt eine Unterkunft in Bad Säckingen für die Qurantäne zur Verfügung gestellt, wie Kiokpasoglou erzählt. Mit den Behörden sei man im ständigen Kontakt.
Doch was ist, wenn es jetzt viel kälter wird?
„Wenn es Winter wird, dann kommen wir an unsere Grenzen“, sagt er, vor allem im Bezug auf das Angebot der Wärmestube. Dann kommt die aufsuchende Arbeit von Caroline Maier ins Spiel. Sie geht an die Plätze, besucht die Wohnungslosen, spricht mit ihnen, klärt zum Beispiel Ärger untereinander. Ihre Arbeit war schon immer wichtig, habe aber gerade während der Corona-Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen. Hauptplätze seien der Kiosk am Bahnhof und der Viehmarktplatz in Waldshut. Doch wenn Bedarf ist, fährt sie auch in die Notunterkünfte im gesamten Landkreis.
Eigentlich sollte es in jeder Gemeinde eine Notunterkunft für Wohnungslose geben. „Doch die Realität sieht anders aus“, so Maier. „Die aufsuchende Hilfe ist so wichtig, weil sie so niederschwellig ist“, sagt sie. Doch wenn bald Minustemperaturen drohen und die Wärmestube zu wenig Platz bereit hält, wo wärmen sich die Obdachlosen dann auf? „Ich setze mich dann länger in eine Gaststätte, besuche Bekannte, kann dort notfalls auch mal übernachten, kämpfe mich durch den Winter“, sagt Dieter Rattke, der schon seit Jahren auf den Straßen der Region lebt. „Aber die meisten von uns haben keine Kontakte, für sie wird es schon schwieriger“, sagt er. Und die Gaststätten bleiben im November geschlossen.

Welches Hauptproblem gibt es aktuell?
Seit 20 Jahren ist die AGJ-Wohnungslosenhilfe in der Wärmestube in der Ziegelfeldstraße untergebracht. Und schon von Anfang an sei hier eigentlich viel zu wenig Platz. In Waldshut habe man eine der kleinsten Wärmestuben im badischen Raum, so Kiokpasoglou. Es gebe keine Ausweichmöglichkeiten zum Beispiel für Frauengruppen oder andere Aktivitäten, die vom Regelbetrieb abgegrenzt werden sollten. „Eigentlich bräuchte es für Frauen einen separaten Schutzbereich“, erklärt der Sozialarbeiter.

Vieles, was den Standards einer Wärmestube entspreche, könne hier nicht realisiert werden. „Und gerade in dieser Corona-Zeit ist es sehr grenzwertig in solch kleinen Räumen zu arbeiten. Das ist ein Unding“, so der Sozialarbeiter.
Wie soll die Situation sich ändern?
Schon seit vielen Jahren sucht die AGJ nach größeren Räumen, aktuell noch stärker. Das Haus, in dem sich die Wärmestube befindet, wird aktuell renoviert. Unscheinbar wirkt der Eingang hinter einem Gerüst.

Zunächst soll im Bestand geklärt werden, ob eine Vergrößerung möglich ist. „Aber wir schauen auch, ob es andere Räumlichkeiten gibt, die größer und angenehmer sind“, sagt Kiokpasoglou.