Klar ist: Annähernd zehn Monate Corona haben in der Welt der Kultur und Veranstaltungen ihre Spuren hinterlassen. Daran ändern auch inzwischen aufgelegte Förderprogramme nichts. Denn seit Monaten liegt das kulturelle und gesellschaftliche Leben faktisch brach. Und wie es weiter gehen soll, damit sind viele Fragezeichen verknüpft, und es dürfte ein Stück weit auch davon abhängen, wie einfallsreich die Anbieter sind. Aber wie beurteilen die Menschen vor und hinter den Kulissen des Veranstaltungsgeschäfts die Lage und die Perspektiven? Darüber sprachen wir mit dem Intendanten des Bad Säckinger Gloria-Theaters Jochen Frank Schmidt und Veranstaltungsprofi Vano Soleymani von der Vano Nova Event GmbH.
Glücksmoment beim Gloria: Neustart ist gesichert
Das Gloria-Theater hat gerade die Kurve gekriegt, und das gewissermaßen mit Pauken und Trompeten: Mit Hilfe einer Crowd-Funding-Aktion haben die Betreiber 50.000 Euro eingenommen. „Es tut der Seele gut in dieser doch sehr kargen Zeit, in der es nicht so viele positive Momente gibt.“ So kommentiert Schmidt den Erfolg, den das Gloria-Theater dank der großen Unterstützung aus der Öffentlichkeit erzielt hat.
Es sei das Ende der größten Existenzbedrohung für den Kulturtempel seitdem er und Geschäftsführer Alexander Dieterle das Haus vor fast 15 Jahren übernommen hätten. Es sei auch ein Signal, dass die Leute darauf brennen, sich endlich wieder unterhalten zu lassen.

Eben damit dies im Gloria-Theater gelingt, wurde das Geld gesammelt. Damit soll den Neustart sichern, wenn der aktuelle Lockdown endlich vorbei ist, wie Gloria-Intendant Jochen Frank Schmidt darstellt. Zwar habe auch das Bad Säckinger Theater alle zu Gebote Fördermöglichkeiten, die zur Kompensation wirtschaftlicher Einbußen staatlicherseits geschaffen wurden, angezapft.
Aber wie in vielen Bereichen gilt auch hier die Devise: Die Gelder werden entweder nicht schnell genug und in der erforderlichen Höhe ausgezahlt. Oder die Förderrichtlinien sind so strikt angelegt, dass viele Einrichtungen, Künstler oder auch Eventagenturen gar nicht in den Genuss der Mittel kommen, so Schmidt: „Meines Erachtens wurden falschen Leute zurate gezogen“, macht Jochen Schmidt aus seinem Unmut keinen Hehl.
Und selbst im besten Falle bekäme das Gloria-Theater nach Berechnungen der Geschäftsführung nicht genügend Fördergeld, um den tatsächlichen Weiterbetrieb gewährleisten zu können. „Eben in dieser höchst ungünstigen Gesamtsituation waren Erfindungsreichtum und Kreativität gefragt, um das Überleben des Gloria-Theaters zu sichern“, schildert Schmidt die Überlegungen, die letztlich zur Organisation eines Crowd-Fundings geführt haben – und dem beachtlichen Erfolg.
In knapp zwei Monaten kam das notwendige Geld zusammen. Verwendet wird es nicht zuletzt für die Instandsetzung der Technik, die seit Oktober still steht, aber auch, um die Vermarktung des neuen Musicals „Tommy Tailors Traumfabrik“, das im Herbst nach drei Vorstellungen bereits wieder gestoppt werden musste, zu forcieren.
Veranstaltungtechniker: „Ohne Privatreserven könnte ich nicht überleben“
Vano Soleymani, der mit seiner Firma Vano Nova Event GmbH vorwiegend in Deutschland und der Schweiz tätig ist, spricht von 95 Prozent Umsatzausfällen im vergangenen Jahr – und einer ungewissen Zukunft: „Wir überleben aktuell nur mit Privatvermögen und sind froh, dass wir unsere Arbeitsgeräte nicht geleast oder auf Raten gekauft haben. Hätten wir das getan, würde es für uns aktuell den Tod der Firma bedeuten.“

Die Corona-Krise habe ihn persönlich zur Unzeit getroffen, gerade als er die Verlegung seines Lagers aus der Schweiz nach Obersäckingen vorbereitet habe. Doch habe er sich keine großen Sorgen gemacht: „Anfangs sah es ja so aus, als würde das ein paar Wochen dauern. Ich habe mich sogar über diese Auszeit gefreut, denn so konnte ich endlich ein paar Dinge aufarbeiten.“
Dass daraus Monate und inzwischen fast ein Jahr werden würde – damals undenkbar: „Wir hatten eigentlich das erfolgreichste Jahr unserer Firmengeschichte vor Augen“, so Soleymani. Doch daraus sei natürlich nichts geworden. Einzige Ausnahme bildeten zwei Live-Streams, die Vano Nova Events im vergangenen Sommer in Bad Säckingen organisiert hat.
Und die ersten Wochen des neuen Jahres gäben ebenfalls nicht gerade Anlass zu Optimismus: „In normalen Zeiten wäre jetzt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Das war immer unser größter Auftrag, bei dem wir mit 30 Mitarbeitern vor Ort waren.“ Das Forum sei jedoch nach Singapur abgewandert und seine Mitarbeiter weiter in Kurzarbeit.
Und so gehe es auf absehbare Zeit weiter: „Bis auf einige Streamings oder Gemeindeversammlungen in der Schweiz ist alles abgesagt.“ Planungssicherheit sei aktuell in der gesamten Veranstaltungsbranche Fehlanzeige. Viele Kollegen hätten sich inzwischen andere Betätigungsfelder gesucht: „Auch die Künstler sind inzwischen ziemlich am Verzweifeln.“ Und dann gebe es noch die Vielzahl an anderen Geschäftszweigen, die an der Eventbranche angedockt sei – egal ob Securitydienste, Getränkehändler oder Caterer. „Es ist wirklich schlimm, welchen langen Rattenschwanz die aktuelle Situation nach sich zieht.“
Von Impf-Fortschritten hängt eine Menge ab
Doch wie beurteilen die Experten die Perspektiven? Wann geht es weiter mit dem Kultur- und Veranstaltungsbetrieb?
„Ich denke, dass der Neustart von den Fortschritten bei den Impfungen abhängen wird“, konstatiert Jochen Frank Schmidt. Um so ärgerlicher sei es, dass es hier aktuell noch immense Defizite in Deutschland gebe. „Es ist kaum nachzuvollziehen, warum das nicht alles deutlich schneller geht“, kritisiert Schmidt den bisherigen Verlauf der Impfungen. Und gerade vor dem Hintergrund, dass das Hygienekonzept des Gloria-Theaters trotz mehrfacher Nachbesserungen in Abstimmung mit den Behörden, letztlich als ungenügend verworfen worden sei, müssten die Voraussetzungen für eine möglichst baldige Rückkehr zur Normalität nun eben auf andere Weise geschaffen werden.
Zumindest hat das Gloria-Theater nun bereits sämtliche Termine für diesen Monat auf April verschoben. Für Februar sieht der Spielplan bereits Nachholtermine für Musicalaufführungen aus dem November vor. Ob diese stattfinden können? Das hängt von den weiteren Lockdown-Beschlüssen ab – und davon, ob das ständig nachgebesserte Hygiene-Konzept von den Behörden akzeptiert wird.
Ein weiteres Jahr ohne Großveranstaltungen?
Derweil hat Veranstaltungs-Experte Vano Soleymani das Jahr 2021 bereits abgeschrieben: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass vor kommendem Jahr eine größere Veranstaltung stattfinden wird.“ Denn niemand könne seriös vorhersagen, ob das Infektionsgeschehen bis Sommer soweit unter Kontrolle sei, dass Events wieder zuverlässig stattfinden können. Und falls es doch eine behördliche Freigabe gebe, sei absehbar, dass die Auflagen so hoch seien, dass Veranstaltungen nicht lukrativ seien.
Große Konzerte oder andere Veranstaltungen benötigten wiederum mindestens drei bis vier Monate Vorlaufzeit. Soleymani ist sich daher sicher: „So lange ein Veranstalter nicht sicher sein kann, dass sich der Aufwand auch auszahlt, wird er keine großen Events vorbereiten.“
Und ob die Zuschauer überhaupt wieder in der Zahl zu Veranstaltungen strömen wie vor der Pandemie – das sei eine Frage, die man frühestens dann beantworten kann, wenn tatsächlich wieder jemand das Risiko eingeht, etwas derartiges zu organisieren.