Die Nachrichten von der Schieflage des Gesundheitscampus sind auch für die geplanten Mieter bitter. Von einem Tag auf den anderen hängen sie in der Luft. Zur Jahreswende sollte das Ärztezentrum in Betrieb gehen, ein Jahr später das Altenpflegeheim St. Marienhaus einziehen. Aber die Stadt kann ihn zum jetzigen Zeitpunkt keine belastbare Perspektive geben. Deshalb machen sich derzeit viele Gedanken über einen Plan B.
Was passiert mit dem Marienhaus?
Der größte Mieter im geplanten Gesundheitscampus sollte das Pflegeheim Marienhaus werden. Das Heim unter der Trägerschaft des katholischen St. Vinzentiusvereins Bad Säckingen wollte nach bisheriger Planung zum Jahresanfang 2024 die Obergeschosse des ehemaligen Krankenhauses beziehen. Münsterpfarrer Peter Berg, Geschäftsführer des Vinzentiusvereins, wurde wie alle von der Nachricht überrascht. Er hofft, dass das Projekt noch die Kurve kriegt. Doch auch im schlimmsten Fall steht für ihn fest: Ein Ende des Campus werde nicht das Ende des Marienhauses bedeuten.

Noch könne er aber keine fertige Lösung vorlegen, die schlechten Nachrichten seien ja ganz neu. Doch soviel weiß er schon: „Wahrscheinlich müssen wir dann das jetzige Marienhaus umbauen“, so Berg, „in Murg ist uns das ja auch gelungen.“
Das Marienhaus hat nur noch ein befristete Betriebserlaubnis
Hintergrund: Das Marienhaus hat von der Heimaussicht im Landratsamt nur noch eine befristete Betriebserlaubnis, weil das Gebäude an der Waldshuter Straße die Vorschriften der Heimbauverordnung nicht erfüllt. Diese schreibt seit 2019 Einzelzimmer vor. Das kann das Marienhaus nicht bieten. Das war denn auch der ursprünglich Grund für den geplanten Umzug auf den Campus, in ein modernes und zeitgemäßes Heim. „Jetzt müssen wir halt mit der Situation umgehen“, sagt Berg, „müssen in die bestehende Immobilie investieren.“ Dabei ist er überzeugt, dass auch an der Waldshuter Straße mit gewissen Umbauten die Vorschriften erfüllt werden können.
Umbau des Marienhauses am jetzigen Standort
Das Marienhaus hat um die 80 Bewohner, so Berg, „wenn ich es richtig im Kopf habe, habe wir sowieso nur noch zehn Doppelzimmer.“ Das heißt, der Großteil der Bewohner sei bereits in Einzelzimmern untergebracht. Aber konkrete Planungen und Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit seien Sache der kommenden Wochen. Im Moment hofft Berg darauf, dass sich die Probleme auf dem Campus lösen lassen und der ursprüngliche Fahrplan funktioniert. Dafür wäre er auch bereit wegen einer Mieterhöhung nochmals mit sich reden zu lassen. „Eigentlich sind wir schon am oberen Ende“, gibt er zu bedenken, „aber ein bisschen Luft nach oben wäre noch da.“
Katastrophe für die Gesundheitsversorgung
Ein Schock war die Nachricht auch für die Ärzte des Orthopädischen Zentrums Bad Säckingen (OZBS). Tobias Noll, Arzt im OZBS, spricht im Namen seiner Kollegen von einer „Katastrophe für Bad Säckingen und den Hochrhein.“ Dieser Campus sei ein hervorragendes Modell für die ambulante Gesundheitsversorgung der Region. „Ich war immer ein Fan dieser Idee“, erinnert Noll. Die Bildung eines solchen Zentrums wirke wie ein Magnet. Es ziehe nicht nur Patienten an, sondern auch Mediziner und Fachkräfte und könne somit die prekäre, personelle Situation im Gesundheitswesen entspannen.

„Wir sind verzweifelt und frustriert“, sagt Noll. Er und seine Kollegen hätten viel Zeit und Arbeit in die Planung gesteckt und auf den Umzug hingearbeitet. Aber immerhin: „Wenn es nicht klappt, stehen wir wenigstens nicht auf der Straße.“ Das OZBS ist derzeit im rückwärtigen Teil des Marienhaus-Komplexes untergebracht. Noll hat bereits mit Dekan Berg über eine Verlängerung des Mietverhältnisses gesprochen. Berg habe zugesagt, dass die Praxis bis auf weiteres bleiben könne.
Wo kommen die sieben Ärzte des MVZ unter?
Einer der großen Mieter im Campus wäre auch das Medizinische Versorgungszentrum Bad Säckingen (MVZ). Das MVZ ist wie die Campus GmbH eine 100-prozentige Tochter der Stadt Bad Säckingen. Die Ärzte sind derzeit verteilt auf drei Standorte: die Container auf dem ehemaligen Spitalparkplatz, die Praxis Walter und Johnstone in der Hildastraße sowie die Gynäkologen in der Schaffhauser Straße. Sie alle sollten in ein paar Monaten im Campus zusammengefasst werden.
Wie sehen die Perspektiven fürs MVZ aus? Man sei gerade dabei, bislang bestehende Mietverträge auf Laufzeiten und Verlängerung zu prüfen, sagt Interimsgeschäftsführer Fred Thelen. Im Fall des Campus-Aus gebe es Alternativen. „Ich habe einen Plan B und C im Hinterkopf“, sagt Thelen. Es handle sich um zwei leerstehende Immobilien in Bad Säckingen, die seiner Ansicht nach für die Unterbringung des MVZ geeignet wären. Die Situation sei noch ganz neu, er habe noch nicht mit den Eigentümer gesprochen. Deshalb könne er die Immobilien öffentlich nicht konkret benennen.

MVZ war „in denkbar schlechtem Zustand“
Er und Kerstin Guhl arbeiteten seit Wochen mit „großer Motivation und viel Herzblut“, wie Thelen sagt, an der Entwicklung des MVZ. Thelen macht keinen Hehl daraus, dass sie die Einrichtung vom bisherigen Geschäftsführer Jörg Blattmann „in einem denkbar schlechten Zustand“ übernommen hätten. Es habe viel wieder ins Lot gebracht werden müssen, sagte Thelen. Zur Erinnerung: Campus-Geschäftsführer Jörg Blattmann führte auch das MVZ als Geschäftsführer bis Juni. Seit 1. Juli ist Fred Thelen vorübergehend für drei Monate eingesetzt. Eine Personalie, die für einige Diskussionen sorgte.
Schließung Notfallpraxis als „ergänzende Katastrophe“
Vom Fiasko um den Campus ist auch die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung betroffen. „Eine Insolvenz könnte bedeuten, dass wir schließen müssen“, erklärt der Notfallpraxen-Beauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung, Olaf Boettcher. Ein Verbleib in den Container sei keine Lösung. „Ich beginne mit der Suche nach anderen Räumlichkeiten“, meint Böttcher. Da er gerade im Urlaub sei, habe er mit der Kassenärztlichen Vereinigung das weitere Vorgehen noch nicht absprechen können. Für die Patienten wäre eine Schließung der Praxis eine „ergänzende Katastrophe“, so Boettcher, der erst aus der Zeitung von der drohenden Insolvenz erfahren hat.
Zurückhaltender äußert sich Norbert Sittler, Inhaber des Sanitätshauses Schneider, das im Campus eine Filiale geplant hatte. „Im Gegensatz zu anderen sind wir nicht so sehr betroffen, für uns wäre es die fünfte Filiale gewesen“, so Sittler. Zur Frage, ob seine Firma auch mit einer höheren Miete einverstanden wäre, damit die Stadt die Schulden finanzieren kann, ist Sittler zwiespältig: „Eigentlich ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber ich will zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht pauschal Nein sagen.“ Wichtiger sei für ihn die unternehmerische Planungssicherheit.
Alles zum Gesundheitscampus. Was bisher geschah:
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