Ein Geständnis, viele Widersprüche und zwei Fälle, bei denen viel von Nuancen und der richtigen Lesart abhängt. So lässt sich der erste Verhandlungstag gegen einen 28-Jährigen zusammenfassen, der sich wegen zweier Verbrechen vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen verantworten muss: Dem Überfall auf die Sparkassenfiliale in Eggingen vergangenen Juli, und einem Übergriff auf einen körperlich behinderten Mann nur wenige Tage später.

Den einen Vorwurf räumt der Angeklagte ein, den anderen bestreitet er vehement. Die Gerichtsverhandlung geriet stellenweise zu einer zähen Suche nach Details, wobei die Lebensgefährtin des Angeklagten wohl eine zentrale Rolle einnimmt.

Worum geht es genau?

Konkret lautet die Anklage Aleksandar B., ein Österreicher mit Wohnsitz in der Schweiz, auf versuchte schwere räuberische Erpressung sowie räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Es geht zum einen um den letztlich erfolglosen Versuch, die Sparkassenfiliale in Eggingen zu überfallen. Hier soll der Mann mit einer echt aussehenden Waffe zwei Bankmitarbeiterinnen bedroht und die Herausgabe von 30.000 Euro gefordert haben. Erhalten hat er das Geld allerdings nicht. Die beiden Mitarbeiterin hätten sich laut Darstellung des Vorsitzenden Richters Martin Hauser „bemerkenswert abgebrüht“ verhalten, woraufhin der Angeklagte die Filiale schon nach gut 30 Sekunden unverrichteter Dinge verlassen habe, was aus Aufnahmen der Überwachungskameras der Bank hervorgeht.

Die zweite Tat soll sich am 31. Juli im Klettgau ereignet haben. Hierbei soll B. einen körperlich beeinträchtigten Mann nach Schlägen ins Gesicht zur Überweisung von 300 Euro auf das Konto der Lebensgefährtin des Beschuldigten veranlasst haben. Weitere 31.000 Euro habe er nach gefordert.

Wie kam die Verbindung wurde eine Verbindung zwischen beiden Taten hergestellt?

Laut Darstellung zweier Polizeibeamter – einem Streifenpolizist und einem Kriminalhauptkommissar – basierte die Verbindung zwischen beiden Taten eher auf einer zufälligen Ahnung und einer besonderen Sensibilisierung der Beamten im Nachgang zum Banküberfall.

Auffällig sei einerseits die in beiden Fällen ähnliche Geldsumme gewesen. Ebenso ungewöhnlich das Auto – ein mintgrüner Mazda -, das im Zusammenhang mit beiden Fällen gesehen worden war, wie die Polizisten darstellten.

Da die Lebensgefährtin des Angeklagten, eine im östlichen Landkreis wohnende 32-jährige Mutter von drei Kindern, ein eben solches Fahrzeug besitzt, kamen die Ermittler schließlich dem Mann auf die Spur, der sich zu jener Zeit in Tschechien im Urlaub befand und dort festgenommen wurde.

Wer ist der Angeklagte?

Bis zum Frühjahr 2022 führte Aleksandar B. im Grunde ein relativ solides Leben. Nach Schulabschluss und Ausbildung in Österreich führte ihn der Weg in die Schweiz, wo er bis zuletzt lebte. Die vergangenen Jahre waren vor allem von vielen Jobwechseln geprägt, ehe er schließlich arbeitslos wurde und nach eigenen Angaben auch durch die Maschen des Schweizer Sozialsystems rutschte.

„Das Jahr 2022 war für Sie mit konstanten finanziellen Engpässen verbunden“, fasste es der Vorsitzende Richter Martin Hauser zusammen. Das mündete darin, dass er einige Male nicht in der Lage war, Tankfüllungen für sein Auto zu bezahlen.

Erstmals aktenkundig wurde B. im Februar 2022, als er den Vater des jüngsten Kindes seiner Lebensgefährtin geschlagen hat und wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Im Juni wurde der Angeklagte bei der Einreise in die Schweiz wegen einer noch ausstehenden Geldstrafe verhaftet und verbrachte 18 Tage im Gefängnis, weil er den erforderlichen Betrag nicht habe berappen können.

Was sagt der Angeklagte zu den Tatvorwürfen?

Den versuchten Banküberfall räumt Aleksandar B. ein. Den Angriff auf den behinderten Mann bestreitet er entschieden.

Dass letzterer laut Darstellung von Richter Hauser sich quasi zeitgleich in einem anderen Saal des Landgerichts wegen Betrugs verantworten musste, und zum angeblichen Tatzeitpunkt ebenfalls bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt war, lässt zumindest eine gewisse Skepsis an der Glaubwürdigkeit jenes mutmaßlich geschädigten Zeugen aufkommen.

Wie steht es mit dem Ablauf des Banküberfalls?

Hier gibt es bei den Darstellungen des Angeklagten und einer der Mitarbeiterinnen, die zum Prozessauftakt gehört wurde, keine nennenswerten Abweichungen.

Demnach habe Aleksandar B. die Bank am 27. Juli um 11.40 Uhr betreten, habe sich nach der Abhebung einer größeren Summe erkundigt, habe die Bank unter dem Vorwand verlassen, seinen Ausweis aus dem Auto zu holen, und war zwei Minuten später zurückgekehrt.

Unversehens zog er eine Waffe und bedrohte die Kassiererin damit. „Es war eine Spielzeugpistole, alles aus Plastik, aber sie sah täuschend echt aus“, sagt der Angeklagte. Die anwesenden Mitarbeiterinnen hätten sich aber geweigert, ihm Geld auszuhändigen, auch mit Verweis auf technische Sicherheitsvorkehrungen, die sich nicht ohne Weiteres umgehen ließen

Heute sagt der Angeklagte: „Ich hätte sicher den Druck noch erhöhen können, dann hätten sie mir schon Geld gegeben.“ Das habe er aber nicht über sich gebracht, weil er von Scham und Gewissensbissen überwältigt worden sei.

Die Waffe hatte er offenbar die ganze Zeit über im Hosenbund bei sich getragen, dennoch sagt der Angeklagte, dass es sich um eine relativ spontane Tat gehandelt habe.

Was sagt die Verteidigung dazu?

B.s Verteidiger Klaus Malek sieht im Verhalten seines Mandanten während der Tat einen strafmildernden Aspekt, nämlich einen Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung. „Er hätte durchaus weiter machen können, hätte mit wenig Aufwand den Druck auf die beiden Frauen erhöhen können, hat dies aber nicht getan“, so Malek.

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Von der richtigen Lesart des Verhaltens könnte für den Angeklagten eine Menge abhängen, denn bei Rücktritt von der Tat lautete der Vorwurf nur noch Nötigung. Hier stünden eine Bewährungsstrafe oder auch eine Geldstrafe.

Folgt das Gericht dieser Ansicht nicht, ginge die Strafzumessung je nach Einstufung der Schwere des Delikts bei drei Jahren Haft los, wie ein Experte auf Nachfrage darstellte.

Wie steht es mit der zweiten Tat?

Den zur Last gelegten Tatvorwurf bestreiten der Angeklagte und seine Lebensgefährtin unisono und bieten eine Version der Ereignisse, die in krassem Gegensatz zu den Vorwürfen steht. Überhaupt ergeben sich in der Darstellung der Ereignisse viele Widersprüche und Unklarheiten. Auch eine „gewisse Voreingenommenheit“ seinem Mandanten gegenüber, machte Verteidiger Malek bei den ermittelnden Beamten geltend.

Die 32-jährige Frau gibt an, das mutmaßliche Opfer über eine Dating-Seite im Internet kennengelernt und eine eigenwillige Vereinbarung mit ihm getroffen zu haben: Als Gegenleistung für sechs Monate Pflege, Gesellschaft und Sex hätte sie demnach 100.000 Euro erhalten sollen. Das bestätigte auch der Angeklagte. Bei dem Geld hätte es sich um einen Teil des erwarteten Gewinns aus Börsengeschäften handeln sollen.

Die Betroffene selbst sagt: „Ich war eine Mischung aus Geliebter und Pflegerin.“ Den Vorwurf, es habe sich bei dem Arrangement um eine Form von Prostitution gehandelt, weist sie aber entschieden zurück. Es sei darum gegangen, für Außenstehende den Anschein einer Beziehung zu erwecken. All dies auf Basis fixer geschäftsmäßiger Regeln.

Ohnehin habe die Beziehung zum Angeklagten, mit dem sie damals ein halbes Jahr liiert gewesen sei, zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Krise gesteckt. Sie habe sich sogar trennen wollen. Generell sei das Ganze aus ihrer Sicht eine sehr volatile Angelegenheit gewesen, bei der jeweils auch andere Partner im Spiel gewesen seien.

Ihr Geliebter auf Zeit habe sich dann aber nicht an die Absprachen gehalten. Außerdem habe er sie zunehmend und teils mit erfundenen Profilen oder mit Unterstützung von Verwandten drangsaliert, schildert die Frau. Schließlich sei eine Klärung der Verhältnisse geplant gewesen – und diese sei nach Dafürhalten der Frau und dem Angeklagten, der sie begleitet habe, auch erfolgt – und zwar ohne Gewalt.

Wie geht es weiter?

Bis zur nächsten Sitzung am Montag, 13. Februar, hofft der Vorsitzende Richter Martin Hauser, auf Ergebnisse aus der Auswertung des Handys der 32-Jährigen. Das hatte sie der Polizei am Ende des ersten Verhandlungstages zur Verfügung gestellt.

Dort seien Chatprotokolle sowie Screenshots und Fotos hinterlegt, die die Darstellung der Ereignisse untermauern sollen, wie der Angeklagte und seine Lebensgefährtin präsentiert hatten.

Auch weitere Zeugen sollen vernommen werden, darunter das mutmaßliche Opfer des zweiten Tatvorwurfs. Ein Urteil ist für Mittwoch, 15. Februar, vorgesehen.

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