Herr Friedemann, die Schulen sollen ja weiterhin geschlossen bleiben, die meisten bis Ende des Monats. Wie beurteilen Sie selbst diese Entscheidung?

Die Schulen sind Teil der Pandemie. Wenn der Schulbetrieb ruht, fällt ein nicht unerheblicher Mobilitätsanteil weg. Das kann weitere Ansteckungen verhindern. Ich erwarte von den Entscheidungsträgern, dass, wie dies bei der Betrachtung der Wirtschaft auch geschieht, Wirkung und Nebenwirkungen abgewogen werden. Die Kitas und die Grundschulen sind die wichtigsten Institutionen, um chancengerecht auf Erziehung und Bildung der Kinder einwirken zu können. Sind diese wochenlang geschlossen, wirkt sich das sofort sehr nachhaltig negativ auf die Bildungsgerechtigkeit in der Gesellschaft aus. Daher meine eindeutige Antwort: Kitas und Grundschulen zum frühest möglichen Zeitpunkt, hoffentlich ist das der 18. Januar, wieder zu öffnen.

Wie gut gelingt in den Landkreisen Lörrach und Waldshut Schule zu Hause? Viele Schüler sind doch nicht ausreichend digital ausgestattet, oder?

Die digitale Ausstattung mit Hard- und Software hat sich über die letzten Monate kontinuierlich und deutlich verbessert. Hier kann der Bundes- und Landespolitik, aber auch den Kommunen ein großes Lob ausgesprochen werden. Selbstverständlich lief es nicht überall unkompliziert genug. In der Umsetzung von Veränderungen können wir nicht nur in diesem Thema schneller werden. Keine Frage. Wir müssen in der Lehrerfortbildung nun konsequent an dem Thema dran bleiben. Dann gelingt es auch im Fernunterricht, die Schülerinnen und Schäler gut zu fördern und an dem jeweiligen Niveau anzusetzen. Ich komme wieder auf die Grundschule aber auch auf die Klassen 5 und 6 zurück: Hier bleibt die direkte Lehrer-Schüler-Interaktion eine unersetzliche Voraussetzung für gute Bildung und Erziehung.

Befürchten Sie, dass einige Schüler aufgrund ihrer schwierigen Situation zu Hause hintendran bleiben? Wie kann diesen Kindern geholfen werden?

Diese Befürchtung gibt es. Ungleichheiten vertiefen sich, je länger der Schulbetrieb geschlossen ist. Die Auswirkungen sind bei Kindern gravierender als im Jugendalter. Durch die unterschiedliche Ressourcenlage in den Familien werden die Unterschiede auch ungleich aufgefangen: Eltern treten als Ersatzlehrkräfte auf, die unterstützen können, oder eben nicht. Es ist aber nicht so, dass wir in Zeiten des schulischen Lockdowns die Möglichkeit haben, allen Schülerinnen und Schüler, die das nötig haben, eine Lernbegleitung nach Hause zu schicken und den Ausfall zu kompensieren.

Wie genau soll der Unterricht zuhause organisiert werden? Gibt es dazu einen generellen Plan, zum Beispiel alle bekommen Aufgaben als Blätter, mittels Apps oder sogar richtiger Online-Unterricht? Oder regelt das jede Schule für sich selbst?

Den von Ihnen in der Frage aufgeführten Mix gibt es genauso in der Praxis. In der Tendenz wird in den Grundschulen und den SBBZ (Sonderpädagogische Bildungs – und Beratungszentren) Lernmaterial noch mehr analog getauscht, in den weiterführenden Schulen findet Fernunterricht in der Regel in digitalen Formaten statt. Auch für den Fernunterricht haben die Lehrkräfte einen klaren Stundenplan in den Klassen ausgearbeitet, den die Schülerinnen und Schüler einhalten.

Bald gibt es ja schon die Halbjahreszeugnisse. Wie können die Leistungen der Schüler im Fernunterricht bewertet werden?

Wir haben vom Kultusministerium die Möglichkeit bekommen, die Halbjahresinformationen oder Zeugnisse sowie die dazugehörigen Zeugniskonferenzen bis in den Februar hinauszuschieben. Für die Feststellung der schriftlichen Leistung ist wichtig, dass mindestens ein Nachweis im Halbjahr erbracht wurde. Klassenarbeiten können nur in Präsenz geschrieben und bewertet werden. Für die Schullaufbahnberatungsverfahren der Klasse 4 beziehungsweise 8 und 9 der Gemeinschaftsschulen bleibt es bei den festgelegten Daten.

Was halten Sie von dem Vorschlag des Landes, die Grundschulen am 18. Januar wieder zu öffnen?

Aus dem eingangs bereits genannten Grund kann ich nur nochmals unterstreichen, dass die Kitas und die Grundschulen auf jeden Fall zum Präsenzunterricht zurückkehren sollen. In Frankreich hat unser Nachbar sich so entschieden und seit dem Sommer die Schulen offen gehalten.