Sachlichkeit und Austausch: Bei der SÜDKURIER-Wahlarena am Montagabend in Waldshut mussten sechs Bundestagskandidaten Stellung beziehen – auch zu unbequemen Themen. Es ist die einzige große Veranstaltung in diesem Wahlkampf im Wahlkreis Waldshut, bei der die Direktkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien direkt aufeinandertrafen.
Und der Auftritt von Felix Schreiner (CDU), Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Jan-Lukas Schmitt (Grüne), Nathalie Wagner (FDP), Andrea Zürcher (AfD) und Julian Besemann (Linke) stieß auf großes Interesse. Rund 400 Personen waren in die Stadthalle gekommen, deutlich mehr noch verfolgten die Auseinandersetzung online im Live-Stream, allein bis Dienstagmittag griffen zudem weitere 3000 auf die verfügbare Aufzeichnung zurück.
Der Schwerpunkt des Abends, moderiert von den Leitern der SÜDKURIER-Redaktionen Waldshut-Tiengen und Bad Säckingen, Markus Baier und Justus Obermeyer, lag auf regionalen Themen.

Erfreulich: Auch vor dem Hintergrund der manchmal überhart und gehässig geführten politischen Auseinandersetzung verlief der zweieinhalbstündige Abend größtenteils sachlich. Bei den Aussagen auf dem Podium unterblieb Polemik größtenteils, bei den Reaktionen in der Halle sogar ganz. Dabei zeigte der Applaus, mit dem ganz unterschiedliche Aussagen unterstützt wurden, dass hier Menschen aus einem breiten politischen Spektrum zusammengekommen waren.
Themenspektrum reicht von Einwanderung bis Atomkraft
Deutlich wurden unterschiedliche Positionen der Parteien und deren Kandidaten – wobei sich die AfD-Kandidatin Andrea Zürcher etwa mit ihren Aussagen zur nötigen Einwanderung, um den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu beheben, signifikant von der Programmatik ihrer Partei abhob. Wie alle anderen Bewerber auch, fand Zürcher, dass die Region hier auf Migration angewiesen sei.
Zürcher und CDU-Kandidat Felix Schreiner sprachen sich gegen Tempo 130 auf Autobahnen aus, die SPD-Bewerberin Rita Schwarzelühr-Sutter, der Grüne Jan-Lukas Schmitt und der Linke Julian Besemann dafür, die FDP-Bewerberin Nathalie Wagner enthielt sich hier. Schreiner, Schwarzelühr-Sutter, Schmitt und Besemann schlossen einen Wiedereinstieg in die Atomkraft aus, anders Wagner und Zürcher.
Felix Schreiner (CDU)
Geradezu wie die Personifizierung einer Volkspartei wirkte Felix Schreiner (CDU). Der bereits zweimal im Wahlkreis direkt in den Bundestag gewählte 38-jährige Wirtschaftsjurist aus Lauchringen blieb bei manchen Aussagen lieber unscharf, als durch frühe Festlegungen Optionen auszuschließen.
Stellen die Grünen auch auf Bundesebene einen möglichen Koalitionspartner dar? „Ich kämpfe für ein starkes CDU-Ergebnis“, so Schreiners Antwort. Bau von Windparks Südschwarzwald und auf dem Hotzenwald? „Am Ende muss Windkraft dort gewonnen werden, wo das Sinn macht und wo das akzeptiert wird. Aber Ängste schüren ist der falsche Weg.“ Schreiner outete sich als Fan der Schuldenbremse: „Eine großartige Erfindung!“
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD)
Die politisch erfahrenste Teilnehmerin in der Runde war Rita Schwarzelühr-Sutter. Die 62-jährige Parlamentarische Staatssekretärin, gelernte Diplom-Betriebswirtin und zweifache Mutter aus Lauchringen bewirbt sich bereits zum sechsten Mal um das Direktmandat im Wahlkreis, dem Bundestag gehört sie mit kurzer Unterbrechung seit 2005 an.
Zahlen aus Studien und Akten schüttelte sie wie nebenbei aus dem Ärmel und trug sie mit leichter alemannischer Dialektfärbung vor. Die Sozialdemokratin bezeichnete sich als bekennende Christin, die auf ein Miteinander setze, nicht auf Hass und Hetze. Sie verteidigte die Regierungsbilanz der Großen Koalition: „Wir haben über die acht Jahre viel hingekriegt.“ Dies gelte auch für die durch Corona und die russische Aggression gegen die Ukraine geprägten Jahre der Ampel.
Jan-Lukas Schmitt (Grüne)
Bereits zum zweiten Mal tritt Jan-Lukas Schmitt als Direktkandidat im Wahlkreis an. Der 29-jährige gelernte Redakteur aus Waldshut-Tiengen ist derzeit im Bundesvorstand der Grünen Referent für Finanz- und Haushaltspolitik.

Noch mehr als Schreiner und Schwarzelühr-Sutter bewies Schmitt auf dem Podium, dass er im akademischen Stil glasklar argumentieren und druckreif formulieren kann. Wie selbstverständlich baute er dabei den gendergerechten Glottisschlag ein – die kleine Sprechpause zwischen der Grundform und der weiblichen Endung „-innen“. „Wir sind eine pragmatische Partei“, sagte Schmitt zur Forderung seines Parteivorsitzenden Robert Habeck, 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung bereitzustellen. Die Umsetzung der Energiewende sei Sache des Staates und dürfe die Bürger nicht belasten, erklärte Schmitt.
Nathalie Wagner (FDP)
Nathalie Wagner (30) kandidiert zum ersten Mal für die FDP für den Bundestag. Doch bei den Europawahlen vor etwas mehr als einem halben Jahr bewarb sie sich bereits für das Europaparlament.
„Ich mache das, um die Partei zu unterstützen, nicht mit Aussicht auf ein eventuelles Amt“, so die Unternehmensberaterin aus Waldshut-Tiengen. Als die FDP als „Ärztepartei“ bezeichnet wurde, widersprach sie nicht. Auf dem Podium vertrat Wagner klassische liberale Positionen, beispielsweise die Technologieoffenheit bei der Energiegewinnung oder Marktlösungen bei der Energiewende. Den Ausstieg aus der Atomenergie nannte sie einen „historischen Fehler“. Für das Funktionieren der Demokratie sei es wichtig, dass das Versprechen von Aufstieg über Bildung und Leistung funktioniere.
Andrea Zürcher (AfD)
Für Andrea Zürcher von der AfD ist es bereits die zweite Direktkandidatur für den Bundestag, aber die erste Teilnahme an einer SÜDKURIER-Wahlarena. Die 41-jährige kaufmännische Angestellte und Mutter zweier Kinder aus Stühlingen widersprach sie als AfD-Kreisvorsitzende vehement der Vorstellung, dass in den Reihen der AfD auch Rechtsextreme sein könnten.

„Wir haben keine Rechtsextremen im Kreisverband. Wir sind ein sehr liberaler Kreisverband.“ Bei der Forderung nach Wiedereinführung obligatorischer Grenzkontrollen teilte Zürcher die Haltung ihrer Partei: „Auch Grenzgänger müssen das auf sich nehmen, damit sie sicher im Landkreis leben können.“ Klimaschutzpolitik bezeichnete Zürcher als „ideologischen Schwachsinn“, den Grünen warf sie „Vernichtungspolitik“ vor.
Julian Besemann (Linke)
Schon optisch setzte Julian Besemann, Direktkandidat der Linken einen Kontrapunkt zu den anderen Bewerbern. Die 35-jährige Pflegekraft aus Wehr, Vater zweier Kinder, saß in Sweatshirt und Jeans auf dem Podium. Über den Zustand seiner Partei nahm er kein Blatt vor den Mund: „Unser Kreisverband war inaktiv, was mit inneren Querelen zusammenhing.“

Besemann vertrat klassische linke Positionen: Mit Gesundheit dürfe kein Geschäft gemacht werden, Geld zur Finanzierung sozialer Projekte sei da, es müsse nur von oben nach unten umverteilt werden. Gar nicht wie ein klassischer Politiker klang Besemann auch, als er einmal in der Gesprächsrunde erklärte: „Jetzt habe ich den Faden verloren.“
Über die weiteren Themen und den Verlauf des Abends werden wir noch ausführlich berichten.
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