„Herr Doktor, Sie haben doch so viel zu tun.“ Diese Antwort hört Peter Haarmann in letzter Zeit immer öfter von Patienten auf seine Frage, warum sie sich erst so spät an den Arzt gewandt haben.
Der Internist und Allgemeinmediziner führt mit seiner Kollegin Stefanie Kau eine Gemeinschaftspraxis in Stühlingen. Mit zunehmender Verbreitung des Coronavirus haben die beiden Ärzte festgestellt, dass sich immer weniger Patienten mit Nicht-Corona-Beschwerden melden.
Welch schwerwiegende Folgen dies haben kann, erläutert Haarmann an einem aktuellen Beispiel: Eine seiner Patientinnen musste diese Woche mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen werden, nachdem sie über längere Zeit Schmerzen in der Brust ignoriert hatte.
Eine andere Patientin mit einer Thrombose hatte ebenfalls tagelang ihre Beschwerden verschleppt. „Die Welt dreht sich gerade um Corona, und das möchte ich nicht bagatellisieren“, betont der 52-Jährige. Das Tagesgeschäft müsse dennoch weitergehen.
Peter Haarmann richtet einen eindringlichen Appell an Patienten, die derzeit den Gang zum Arzt scheuen, weil sie möglicherweise annehmen, ihr Anliegen sei weniger wichtig als das von Corona-Infizierten oder weil sie ihren Hausarzt während der Corona-Krise schonen wollen: „Bitte melden Sie sich bei uns. Wir sind auch weiterhin für Sie telefonisch erreichbar“, wendet der Mediziner sich direkt an die Patienten – auch im Namen seiner Berufskollegen, die seinen Angaben nach derzeit die gleichen Erfahrungen machen. „Wir können bei telefonischem Kontakt gegebenenfalls auch Probleme oder Fragen direkt klären, ohne das der Patient persönlich in der Praxis erscheinen muss“, fügt er hinzu.
„Jeder Patient ist mit seinem Problem wichtig“, fährt Haarmann fort, und wer nicht gleich am Telefon durchkomme, solle noch mal anrufen, „bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Denn viele Krankheitsverläufe könnten ambulant behandelt werden – sofern die Krankheit rechtzeitig diagnostiziert wird.
Treten dann schlimmere Beschwerden oder Komplikationen auf, weil der Patient den Arztbesuch aufschiebt, drohen dem Betroffenen ein Klinikaufenthalt und möglicherweise sogar die Intensivstation. „Und das würde das System Krankenhaus noch mehr belasten“, warnt der gebürtige Westfale angesichts der zu erwartenden Flut an Corona-Patienten, die in den kommenden Wochen stationär behandelt werden müssen.
Anlaufstellen für Patienten
Peter Haarmann weist außerdem darauf hin, dass kein Patient befürchten müsse, sich in seiner Praxis mit dem Coronavirus anzustecken. Zwar bieten nach seinen Angaben seine Kollegin Stefanie Kau und er neben zwei weiteren Praxen in Erzingen und St. Blasien als bislang einzige niedergelassenen Ärzte im Landkreis Waldshut eine sogenannte Covid-Sprechstunde für Corona-Verdachtsfälle an. Doch sei dieses Angebot zeitlich losgelöst von den regulären Sprechstunden.
Patienten mit Verdacht auf eine Corona-Infektion bekommen auf telefonische Anfrage einen Termin für die Covid-Sprechstunde zugewiesen. Feste Uhrzeiten gebe es nicht. „Die Frequenz gestalten wir flexibel“, sagt Peter Haarmann und erklärt das Prozedere: „Vor dem Termin fährt der Patient auf den Parkplatz der Praxis und ruft von dort aus bei uns an.“ Das Praxisteam bereitet dann alles für die Untersuchung vor. „Der Patient kommt nicht mit anderen Patienten in Kontakt“, betont er.