Die Corona-Pandemie hat auch den Wahlkampf für die baden-württembergischen Landtagswahlen am 14. März eingeschränkt. Mit seiner Wahlarena bietet der SÜDKURIER den Wahlberechtigten eine seltene, wenn nicht gar einzige Möglichkeit, die Kandidaten des Wahlkreises 59 Waldshut direkt kennenzulernen.

„Auch wenn wir ohne Publikum aufzeichnen, bleibt die Wahlarena das, was Sie vom SÜDKURIER gewohnt sind: Ein Prüfstand für die Kandidaten, bei denen sie sich kritischen Fragen stellen und ein Stück ihre Belastungsfähigkeit beweisen müssen“, sagte Moderator und SÜDKURIER-Redakteur Markus Baier aus Bad Säckingen über die Veranstaltung, die unter strengen Hygiene-Auflagen im Stadttheater Konstanz aufgezeichnet wurde und im Internet in voller Länge abrufbar ist.

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Das sind die Kandidaten

Gleich zu Beginn konfrontierte Markus Baier die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller aus Rheinfelden mit der unbequemen Frage, ob es ihr gelungen sei, aus dem Schatten von Felix Schreiner zu treten, für den sie 2017 in das Landesparlament nachgerückt war. „Ich habe mir ein eigenes Profil erarbeitet“, entgegnete die 58-Jährige und verwies auf ihre Mitgliedschaft in den Ausschüssen für Soziales, Verkehr und Wirtschaft sowie ihr Amt als pflegepolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion.

Sabine Hartmann-Müller (CDU).
Sabine Hartmann-Müller (CDU). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Susann Duygu-D‘Souza, Moderatorin und SÜDKURIER-Redakteurin aus Waldshut, wollte von Niklas Nüssle von Bündnis 90/Grüne wissen, was er persönlich für den Umweltschutz tue. „Ziemlich viel“, gab der 26-jährige Kandidat aus Wutöschingen zur Antwort und zählte auf, dass er sich meistens vegan ernähre und die meisten Strecken mit dem öffentlichen Personennahverkehr zurücklege – auch zur Wahlarena nach Konstanz. „Und wenn es nicht mit dem ÖPNV klappt, habe ich ein Elektroauto, das ich mit dem Strom meiner Photovoltaikanlage aufladen kann“, fügte Nüssle hinzu.

Niklas Nüssle (Grüne).
Niklas Nüssle (Grüne). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Ob Peter Schallmayer sich als Kapitalismus-Kritiker in der SPD wirklich heimisch fühle, fragte Markus Baier den SPD-Kandidaten aus Höchenschwand. Dieser erklärte, dass ihm die klare Haltung des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering gegen die Auswüchse des Finanzkapitalismus imponiert habe. Seit der Finanzkrise Mitte der 2000er-Jahre habe die soziale Ungleichheit zugenommen. „Wir müssen für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit sorgen“, sagte Schallmayer.

Peter Schallmayer (SPD).
Peter Schallmayer (SPD). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Von Bernhard Boll, AfD-Kandidat aus Waldshut-Tiengen, wollte Susann Duygu-D‘Souza wissen, warum er sich mit seinen 69 Jahren für den Landtag bewerbe. „Der Ruhestand entspricht nicht meinem Naturell. Ich glaube, ich würde eingehen wie eine Primel, wenn ich nichts zu tun hätte“, erklärte Boll. Durch seinen Beruf habe der frühere Pilot die Entwicklung in vielen Ländern mitbekommen. „In Deutschland sehe ich Stillstand. Daran will ich etwas ändern“, begründete der Rentner sein politisches Engagement.

Bernhard Boll (AfD).
Bernhard Boll (AfD). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Thema Corona-Krise

Wie wirkt sich die Corona-Krise konkret auf die Menschen am Hochrhein aus? In einem kurzen Video-Einspieler kamen Vertreter des Hotelgewerbes, der Veranstaltungsbranche und der Obdachlosenhilfe zu Wort und berichteten von ihrer schwierigen Lage. Arbeitet die Landesregierung an einer Ausstiegsstrategie für den Corona-Lockdown, wollte Markus Baier von Sabine Hartmann-Müller wissen. Die CDU-Abgeordnete dazu: „Es wird für ganz Baden-Württemberg eine Sichtweise geben.“ Sie könne sich nicht vorstellen, dass die Landkreise trotz unterschiedlicher Inzidenzen gesondert behandelt werden.

„Bei den aktuellen Maßnahmen fehlt in vielen Bereichen die Akzeptanz in der Bevölkerung, weil sie in sich nicht schlüssig sind“, bemerkte Bernhard Boll und nannte ein Beispiel: „Wieso darf ich nicht mit meiner Frau jemanden besuchen, der alleinstehend ist, aber umgekehrt schon?“

Boll betonte, dass er im Gegensatz zu anderen Mitgliedern seiner Partei kein Corona-Leugner sei und die Krankheit für gefährlich halte. Gleichzeitig sprach sich der Kandidat gegen die Schließung von Handel, Kitas und Schulen aus. „Dieser totale Lockdown ist nicht zielführend“, findet Boll und verwies auf entsprechende Hygienekonzepte. Sabine Hartmann-Müller verteidigte die Corona-Maßnahmen von Bund und Land: „Wir wollen viele Tote vermeiden.“

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Bei dem politischen Schlagabtausch der vier Kandidaten – der fünfte Bewerber, Harald Ebi (FDP) aus Waldshut-Tiengen – hatte sich entschuldigt, herrschte einerseits Konsens auf dem Podium, andererseits rieben sich die Teilnehmer auch aneinander. So widersprach SPD-Kandidat Schallmayer beispielsweise vehement Bernhard Bolls Ansicht, die Meinungsfreiheit sei zuletzt in der Corona-Debatte unterdrückt worden. „Wir haben hier als Beispiel einen AfD-Kandidaten, der seine Meinung frei äußern darf“, erklärte der 40-jährige Berufsschullehrer.

Grünen-Kandidat Niklas Nüssle findet: „Die Impfung ist der Weg aus der Krise.“ Der studierte Chemie- und Bioingenieurswissenschaftler zeigte sich in der Wahlarena zuversichtlich, dass die Probleme mit der Terminvergabe und der Lieferung des Impfstoffs zügig gelöst werden. Nüssle lobte zudem die Infrastruktur des Kreisimpfzentrums in Tiengen, gleichwohl es ihm nicht gelungen sei, für seine Großeltern einen Termin im Kreis Waldshut zu ergattern. Die beiden über 80-Jährigen seien stattdessen in Freiburg geimpft worden, wie der 26-Jährige berichtete.

Themen Gesundheit und Bildung

Ein weiterer Themenblock drehte sich um die Gesundheitsversorgung. Damit Pflegeberufe wieder attraktiver werden, würde Peter Schallmayer, falls er an einer Regierungsbildung teilnimmt, „als Erstes daran arbeiten, dass ein Krankenhaus nicht mehr Gewinn erzielen muss“. Ziel seiner Partei sei es, den Mensch wieder in den Vordergrund zu stellen.

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Beim Themenblock Bildung kritisierte der Berufsschullehrer, dass die Landesregierung nicht „aus den Fehlern und Versäumnissen während des ersten Lockdowns gelernt hat“. Als Beispiel nannte Schallmayer die flächendeckende Ausstattung mit FFP2-Masken und Luftreinigungsgeräten an den Schulen.

Moderation: Markus Baier (Redaktion Bad Säckingen) und Susann Duygu-D‘Souza. (Redaktion Waldshut).
Moderation: Markus Baier (Redaktion Bad Säckingen) und Susann Duygu-D‘Souza. (Redaktion Waldshut). | Bild: Rau, Jörg-Peter

Die CDU-Abgeordnete Hartmann-Müller entgegnete der Kritik mit den Worten: „In den Sommerferien wurde ein hervorragendes Konzept an die Schulen gegeben, wie weiter zu verfahren ist.“ Susann Duygu-D‘Souza wollte von den Kandidaten wissen, ob der Kita-Besuch kostenlos sein sollte. Während Schallmayer, Boll und Nüssle sich dafür aussprachen, erklärte Hartmann-Müller: „Ich und die CDU sind dagegen.“

Antwort in einem Atemzug

Die Wahlarena endete mit einer Fragerunde, bei der die Kandidaten genau einen Atemzug Zeit hatten, ihren Standpunkt zu einem Thema darzulegen. Der zügige Ausbau der Hochrhein-Autobahn 98 ist das, was sowohl Boll als auch Hartmann-Müller als Erstes in Angriff nehmen würden, wenn sie könnten.

Für Schallmayer hat die Lehrerversorgung im Wahlkreis oberste Priorität, und Nüssle würde sofort eine Photovoltaikpflicht auf allen Neubauten und die Elektrifizierung der Hochrheinbahn umsetzen. Die kürzeste und letzte Antwort in der Wahlarena gab der AfD-Kandidat auf die Frage, welche Partei er wählen würde, wenn er wechseln würde: „Parteilos“, erklärte Boll knapp.

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