Verena Pichler

Herr Eberhardt, hatten Sie während der Krise schlaflose Nächte?

Niemand ist gerne Überbringer schlechter Nachrichten, das wirkt schon über den Arbeitstag hinaus nach. Aber geschlafen habe ich trotzdem noch einigermaßen entspannt.

Schlechte Nachrichten gab es schon vor der Corona-Pandemie, weil die Stadt einen Millionenbetrag an Gewerbesteuer zurückzahlen musste. Dann kam die Krise. Wie geht es Ihnen damit?

Die vergangenen Jahre haben wir daran gearbeitet, die Stadt wirtschaftlich gut aufzustellen, was gelungen ist. Das rutscht mit einem Mal alles weg. Neulich habe ich gedacht: Das Geld hätte ich auch in die Spielbank tragen können, das Ergebnis wäre das gleiche gewesen.

Klaus Eberhardt
Klaus Eberhardt | Bild: Verena Pichler

Im Ergebnishaushalt klafft ein Loch von fünf Millionen Euro; weitere Mittel, die für Investitionen auf der hohen Kante lagen, sind weg. Was heißt das für die Zukunft der Stadt?

Um mittelfristig wieder auf Kurs zu kommen, bedeutet das, dass wir Korrekturen anbringen müssen – in allen Bereichen. In der Vergangenheit haben wir gerade im sozialen Bereich sehr viel aufgelegt, was natürlich auch mit einem entsprechenden Personalaufwand verbunden war. Den können wir uns in dieser Form nicht mehr leisten.

Heißt das, die Stadt Rheinfelden wird Stellen abbauen?

Nein, wir werden keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen. Aber wir werden bescheidener werden müssen und auch eine Aufgabenkritik vornehmen, verbunden mit Umstrukturierung in den einzelnen Ämtern. Was sind unsere Pflichtaufgaben? Welche Projekte gehen noch, welche nicht mehr? Zur Verdeutlichung: Die vergangenen Jahre haben wir pro Jahr zehn bis zwölf neue Stellen geschaffen. 2021 wird es eine Nullrunde geben, das ist klar. Wir haben intern eine Kommission gebildet, die aus mehreren Abteilungen und dem Personalrat besteht, diese wird den Prozess begleiten.

Das bedeutet aber auch Mehrarbeit für die verbleibenden Mitarbeiter. Sie sind als Oberbürgermeister auch Chef der Verwaltung – wie geht es Ihrer Mannschaft im Rathaus mit diesen Aussichten?

Sicher sind die Mitarbeiter wegen der Krise stärker belastet. Aber ich muss ein Lob aussprechen: Wir sind eine sehr gut aufgestellte Mannschaft, alle haben sehr schnell reagiert und Pläne umgesetzt: Das Schwimmbad läuft, die Schulen laufen, der gesamte IT-Bereich steht vorbildlich. Die Baustellen in der Stadt sind auf Kurs geblieben und auch innerhalb des Rathauses wurde alles Notwendige getan, um trotz der Krise handlungsfähig zu bleiben.

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Und dazu hat federführend das Hauptamt noch eine Oberbürgermeisterwahl gestemmt, für die es keine Blaupause gab.

Das wurde hervorragend gemeistert. Ich bin froh, dass der Wahlausschuss so entschieden hat. Es gab Ideen, alle Wahlen im Land erst nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 durchzuführen. Das widerspricht meinem demokratischen Grundverständnis.

Ihre zweite Amtszeit dürfte ungleich härter werden als die erste. Als politisches Oberhaupt tragen Sie Verantwortung für die gesamte Stadt. Wie geht es den Betrieben?

Ich habe systematisch alle Betriebe aufgesucht und Gespräche geführt. Die Reisebranche hat es sicher am stärksten getroffen, aber auch für die Einzelhändler und Gastronomen war es nicht leicht. Immerhin können die durch den schönen Sommer vielleicht noch ein wenig aufholen. Bei den produzierenden Betrieben ist die Lage gespalten. Es gibt stabile Betriebe, die sehr flexibel reagieren konnten, und für die meisten waren personelle Freisetzungen die Ultima ratio. Bei den Unternehmen mit globalen Verflechtungen, etwa in der Automobilbranche, sieht das anders aus.

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Die Aluminium streicht am Standort Rheinfelden 30 Stellen.

Ja, diese Nachricht hat mich betroffen gemacht. Ich hoffe sehr, dass das Unternehmen einigermaßen unbeschadet aus der Krise kommt. Rheinfelden ohne Alu ist nicht vorstellbar.

Ohne soziales Engagement auch nicht. Wird es auch hier Abstriche geben?

Wir müssen Prioritäten setzen, dazu zählen an erster Stelle Schulen und Kitas. Bei den vielen freiwilligen Tätigkeiten wollen wir natürlich auch weiterhin unterstützen. Dafür ist zum Beispiel die Crossiety-Plattform ein gutes Instrument. So sind wir noch näher an den Bürgern und die können sich noch besser vernetzen.

Vernetzen mussten Sie sich auch mit Ihren Bürgern – auf bislang unbekannte Weise. So haben Sie Facebook-Sprechstunden angeboten. Kann das echte Kontakte mit den Menschen vor Ort ersetzen?

Nein. Die Bürgersprechstunde, aber auch Fasnacht, Feuerwehrsitzungen, Fußballspiele und Feste – da kriegen Sie enorm was mit und wertvolle Hinweise. Man muss als Oberbürgermeister diese Außenansicht haben, um die DNA einer Stadt zu begreifen. Ein städtisches Leben ohne Kultur geht auf Dauer nicht, da müssen die Hygienevorschriften so angepasst werden, dass diese wieder möglich sind. Meine schönste Rückkopplung während der Krise waren übrigens Besuche bei Jubilaren. Damit wollte ich so früh wie möglich wieder anfangen, natürlich auf Abstand. Die Herzlichkeit und Rührung dieser Menschen hat gezeigt, wie notwendig diese Kontakte sind.

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Wie lange uns das Virus noch begleitet, ist unklar. Wann und wie könnte aber die finanzielle Krise überwunden sein?

Auch das ist schwer vorherzusagen. Das Jahr 2021 wird noch schlecht, 2022 wahrscheinlich auch. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass wir 2023/24 wieder das Niveau von vor Corona erreicht haben. Wir haben in der Klausurtagung mit dem Gemeinderat eine umfassende Prüfliste aufgestellt, um den Haushalt zu konsolidieren. Ab Herbst werden wir darüber beraten. Das braucht Zeit, weshalb wir jetzt schon beschlossen haben, die Haushaltsberatungen um einen Monat zu verschieben und den Beschluss wohl im Februar zu fassen.

Ist auch die Erhöhung von Steuern und Gebühren ein Thema?

Zunächst gilt für die Stadt, was auch für Unternehmen gilt: Der Betrieb muss von alleine laufen, da müssen wir zuerst hinschauen. In der jetzigen schwierigen wirtschaftlichen Situation sind Steuererhöhungen unangebracht.

Sie gelten als Gestalter, nun kommt Ihnen eher die Rolle eines Verwalters zu.

Auch die Krise kann man gestalten. Sicher, es ist immer schöner, wenn der Bewegungsradius größer ist. Aber jetzt bieten sich auch Chancen, Anpassungen vorzunehmen und gewisse Abläufe zu reflektieren.

Sie spielen auf die Rolle der Stadtwerke an.

Auch, es ist ja kein Geheimnis, dass ich die Stadtwerke anders aufstellen möchte. Begonnen haben wir mit dem Ausbau des Nahwärmenetzes, aber da sind noch andere Sparten denkbar.

Was haben Sie ganz persönlich aus der Krise mitgenommen?

Man freut sich wieder mehr auf Begegnungen, wenn diese länger nicht möglich waren. Auch in der Familie rückt man stärker zusammen. Meine Frau zum Beispiel hat ganz selbstverständlich den Enkel gehütet, sodass die Tochter wieder arbeiten konnte. Eine weitere Tochter, die in München lebt, ruft jeden Tag an (lacht). Man ist sich wieder näher gekommen.