Ursula Freudig

Herr Eichkorn, Winterdienst heißt in der Regel früh aufstehen, oder?

Ja, wenn die Straßen geräumt und gestreut werden müssen, werde ich so gegen halb vier Uhr morgens benachrichtigt. Etwa 15 Minuten brauche ich von zu Hause zum Baubetriebshof, wenn ich problemlos durchkomme. Eisregen ist das Schlimmste, was mir in diesen 15 Minuten passieren kann, weil es dann sehr glatt ist. In ein paar Minuten ist der Pflug angehängt und der Salzstreuer auf der Ladefläche gefüllt. Etwa um 4 Uhr fahre ich los. Insgesamt sind wir bei Einsätzen im gesamten Stadtgebiet mit fast zehn Fahrzeugen unterwegs, darunter auch drei Schmalspurfahrzeugen, mit denen hauptsächlich Gehwege geräumt werden.

Wie sieht Ihre Tour aus und wie lange dauert sie?

Rund 100 Kilometer fahre ich zusammen mit meinem Beifahrer bei einer kompletten Tour. Wir sind dabei nur in Waldshut unterwegs. Ich fahre zunächst über den Gurtweiler Berg ins Waldshuter Schulzentrum, von dort aus nach Schmitzingen bis zum ersten Wendeplatz, dann zurück nach Waldshut Richtung Wildgehege und Hungerberg, die Kalvarienbergstraße hoch zur Bergstadt, dort muss auch das ganze Friedhofsareal geräumt werden. Als letzte Station geht es in die Schmittenau. Rund drei Stunden dauert eine Tour. So um 7 Uhr bin ich fertig, wenn alles nach Plan läuft. Manchmal, wenn es weiter schneit, muss ich die Tour mehrmals fahren. Nach 21 Uhr abends räumen wir aber in der Regel nicht mehr, auch wenn es weiter schneit. Erst wieder am Morgen sind wir dann unterwegs.

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Die B 34 gehört nicht zu Ihrer Tour?

Für die B 34 ist der Landkreis mit seiner Straßenmeisterei in Lauchringen zuständig. Aber bei extremen Bedingungen helfen wir als Stadt dem Landkreis.

Fällt es Ihnen schwer, mitten in der Nacht aufzustehen und hinaus in die Kälte zu müssen?

Nein, ich bin ein Frühaufsteher, auch im Urlaub, zum Leidwesen meiner Frau. Ich brauche, bevor ich losgehe, nur als Energiespender ein Müsli mit Milch und Haferflocken. Kaffee trinke ich so gut wie nie, für dieses Interview habe ich eine Ausnahme gemacht. Ich nehme immer ein Vesper mit. Wenn ich frühzeitig weiß, dass ich um halb vier raus muss, richte ich es mir schon vorher her.

Wie viele Einsätze haben Sie im Schnitt pro Winter?

So 15 bis 20 Einsätze im Schnitt mache ich in einem Winter. Vergangenes Jahr waren es 14. Rekord waren vor einigen Jahren 35 Einsätze. Und einmal, das ist aber auch schon einige Jahre her, hatte ich nur zwei. Der Trend ist schon eher, dass es immer weniger Schnee gibt.

Ist dem Baubetriebshof auch schon einmal das Salz ausgegangen?

Ja, 1985, in meinem ersten Winter dort. Wir hatten damals das große Salzsilo noch nicht und unser Vorrat war nicht groß genug. Wir mussten Splitt streuen, den wir dann im Frühjahr mit der großen Kehrmaschine wieder einsammeln mussten. Split zählt zu Sondermüll und darf nicht draußen bleiben. Bei extremer Kälte kommt er auch zum Einsatz, weil Salz bei über zehn Minusgraden nicht mehr wirkt.

Was sind so die kleinen und großen Albträume eines Schneepflugfahrers?

Wenn mein Lkw kaputt gehen würde, wäre das ein Albtraum, aber das ist noch nie passiert. Was vorkommt und schlimm ist, sind Staus, sodass wir mit den Räumfahrzeugen nicht mehr durchkommen. Der Verkehr muss fließen, deshalb haben stark befahrene Straßen und auch Buslinien beim Räumen und Streuen immer Priorität und Wohngebiete wie die Schmittenau kommen zum Schluss dran. Es gibt mittlerweile viele Gemeinden, die in der Ebene in Wohngebieten gar nicht mehr räumen. Mit einem winterfesten Auto kommt man dort so gut wie immer durch. Ab und zu gibt es etwas Unmut bei Hausbesitzern, die verpflichtet sind, morgens bis 7 Uhr die Gehwege zu räumen. In der Schmittenau warten sie zum Beispiel immer schon auf uns, denn wenn wir es nicht vor 7 Uhr schaffen, müssen sie gleich wieder raus und Schnee schippen. Aber irgendwo muss der Schnee halt hin und wir können leider nicht überall gleichzeitig sein. Ich versuche aber immer, den Schnee gerecht zu verteilen und soweit als möglich kommen wir auch den Wünschen der Hausbesitzer entgegen.

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Was machen Sie außer Straßen räumen sonst noch in der kalten Jahreszeit?

Viele denken, im Winter ist außer Schnee räumen und streuen nichts zu tun für uns Fahrer, aber das stimmt nicht. Das fängt schon mit den Vorbereitungen an. Die Schneepflüge und Salzstreuer müssen in die Ortsteile gefahren werden, wo sie über den Winter stationiert sind. 60 Salzkisten müssen gefüllt und im Stadtgebiet und den Ortsteilen verteilt werden und wenn sie leer sind, nachgefüllt werden. Sie sind ganz wichtig für den Handdienst, der beispielsweise Treppen damit streut. Mein Lkw hat einen Kranaufsatz, der auch im Winter drauf bleibt. Mit seiner Hilfe stellen wir die Weihnachtsbäume in Tiengen und Waldshut auf und sammeln sie nach den Festtagen wieder ein. Wir fahren Friedhöfe an, um Plastikmüll und Grünabfälle zu holen. Vor ein paar Tagen habe ich Äste, die Leute von uns von Bäumen an Straßenrändern weggeschnitten haben, weggefahren. Und was zurzeit noch viel anfällt, ist das Einsammeln und Entsorgen von Laub. Irgendwas ist immer für mich zu tun.

Ihre Arbeit macht Ihnen auch nach 35 Jahren immer noch Spaß?

Ja, wenn ich mitten in der Nacht durch einen einsamen, verschneiten Wald fahre, ist das Postkartenidylle pur. Ich kann es jedes Jahr aufs Neue genießen, im Winter entspannt in der warmen Kabine meines komfortablen Lkws mit Servolenkung zu sitzen und von hoch oben – ich sitze rund zwei Meter hoch – Übersicht und Weitblick zu haben. Ich fahre generell einfach gern, auch privat, zum Beispiel im Urlaub mit dem Wohnmobil bis hinauf nach Skandinavien.