Rampe oder Aufzug? Das ist eine Frage, mit der es die Deutsche Bahn entlang der Hochrheinstrecke in den nächsten Jahren noch sehr viel häufiger zu tun bekommen wird. Denn im Zuge der Elektrifizierung der Hochrheinstrecke sollen alle 17 bestehenden Bahnhöfe auf der 130 Kilometer langen Strecke barrierefrei umgerüstet werden.
Barrierefreiheit per Aufzug
Wie die neue Konzernbevollmächtigte Clarissa Freundorfer jetzt bei einem Besuch in Waldshut-Tiengen auf Einladung der Parlamentarischen Staatssekretärin im Innenministerium und Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) darstellte, sei die Bahn dabei vor allem an einer „möglichst resilienten Lösung“ interessiert, sprich: „Wir planen in der Regel mit Rampen, denn diese sind mit geringem Aufwand zu betreiben.“
Eine Anbindung der beiden Mittelgleise 2 und 3 per Rampe ist auch die von der Stadt Waldshut-Tiengen favorisierte Lösung. Die Alternative wäre ein Aufzug. Und damit sind die Erfahrung der Kommune alles andere als gut. Ein Test von Oberbürgermeister Martin Gruner bei dem Vorort-Termin mit Vertretern der Bahn unterstrich dies, denn wiederum war der Aufzug zwischen Unterführung und den Einkaufsmärkten an der Robert-Gerwig-Straße defekt.
Dennoch wird als Erschließung der Mittelgleise ein Aufzug kommen, wie die Bahn-Vertreter nun bekannt gaben. Aufgrund rechtlicher Vorgaben und der baulicher Gegebenheiten vor Ort gebe es dazu keine Alternativen, so Freundorfer.
Warum eine Rampe ausscheidet
Wie Dirk Krumpietz, Projektleiter des neuen DB-Tochterunternehmens Infrago, näher ausführte, muss demnach unter anderem die bestehende Treppe erhalten bleiben, um einen zweiten Zugang bzw. Fluchtweg für den Notfall zu gewährleisten. Die Rampe müsste folglich in die entgegengesetzte Richtung gebaut und mit einer Wende in Richtung Bahnsteig geführt werden. Da eine Rampe mindestens 2,50 Meter breit sein müsse, wäre eine erhebliche Verbreiterung des Bahnsteigs notwendig, um die Vorschriften bezüglich des Neigungswinkels der Rampe zu erfüllen, so Krumpietz.
Ein Eingriff in die Gleisanlage wäre auch notwendig, wenn die Lösung in Form des Aufzugs kommt. Auch hier würde die Treppe als Zweitzugang erhalten bleiben. Die Aufzugsanlage wäre auf der gegenüberliegenden Seite der Unterführung. Der Ausstieg auf Bahngleis-Niveau ist nach Osten vorgesehen. Das weiterhin bestehende Treppenhaus soll mit einem Weg umgangen werden. „Um dies zu ermöglichen, wird das Gleis drei weiter nach Norden verlegt“, schildert Krumpietz.
Das bislang vierte Gleis werde entfernt, das bisherige Gleis 5 am nördlichen Rand des Bahnhofs, das bisher gar nicht für Bahnkunden zugänglich ist, werde über einen separaten Bahnsteig erschlossen, der über die dort befindliche Rampe zugänglich sein werde.

Zufriedenheit, aber auch erhebliche Verwunderung
Die Haltung der anwesenden Vertreter aus Stadtverwaltung und Kommunalpolitik schwankte angesichts der Bekanntgabe zwischen Zufriedenheit und Unverständnis. „Die Möglichkeiten sind eingeschränkt, das müssen wir akzeptieren. Ein Aufzug wäre eine hundertprozentige Verbesserung zum jetzigen Zustand“, betonte Martin Gruner, indes zeigten die bisherigen Erfahrungen der Stadt, dass ein erheblicher Instandhaltungs- und Störungsaufwand mit einem Aufzug verbunden sei. Bei einem Ausfall vergingen unter Umständen mehrere Stunden, ehe Monteure vor Ort seien. All das gelte es zu berücksichtigen.
SPD-Stadtrat und Feuerwehrmann Dieter Flügel sah das genauso: „Wir haben in diesem Bereich ein gewisses Vandalismus-Problem“, gab er zu bedenken. Das müsse bei allen weiteren Planungen berücksichtigt werden. Nicht geringes Unverständnis äußerte er derweil mit Blick auf den vorgeschriebenen Erhalt der Treppe. Diese gestalte im Ernstfall nach seinem Dafürhalten eine Räumung des Bahnsteigs eher gefährlicher als dass sie sie erleichtere.
Schwarzelühr-Sutter: Sicherheit muss gewährleistet sein
Rita Schwarzelühr-Sutter würdigte den Lösungsansatz, wenngleich es nicht die Wunschlösung der örtlichen Vertreter sei: „Die jetzige Situation ist ein Problem für viele Reisende“, betonte sie. Längst nicht nur Gehbehinderte stünden hier vor einer echten Hürde, sondern auch Eltern mit Kinderwagen oder Reisende mit viel Gepäck. Insofern sei es ein Akt der Daseinsvorsorge für die Stadt Waldshut-Tiengen, wenn es endlich Barrierefreiheit gebe. Denn: „Das ist ja so etwas wie der erste Eindruck, den Reisende von der Stadt bekommen.“ Dass derweil für Hauptbahnhöfe dieselben baulichen Standards gelten wie für Bahnhöfe im ländlichen Raum, leuchte dennoch nicht ein, so Schwarzelühr-Sutter.
Den Bahnvertretern schrieb sie derweil noch einige Aufgaben ins Arbeitsbuch. Die Einhaltung sicherheitsrelevanter Aspekte – insbesondere die Aufhellung der Zugänge und der Unterführung zum Beispiel.
Und die Stadtverwaltung? Die hat schon sehr viel weiter reichende Vorstellungen davon, was einen guten ersten Eindruck und ein gefälliges Bild von der Stadt betrifft, wie Martin Gruner darstellte. Dabei spielt das Bahnhofsgebäude, eine zentrale Rolle, das durchaus eine Sanierung vertragen könnte. Bislang hat die Stadt keinen Einfluss darauf, denn die Immobilie gehört der Bahn und diese hat einen Verkaufsstopp für Bahnhofsgebäude verhängt. „Aber sobald sich die Gelegenheit bietet, stehen wir Gewehr bei Fuß“, so Gruner. Im Übrigen plant die Stadt auch weitere Maßnahmen wie die Schaffung von Fahrradabstellanlagen, um das Areal am Bahnhof aufzuwerten.