Normalerweise hätten sich die Gäste des traditionellen Heringsessens der Narro-Zunft Waldshut am Mittag des Schmutzigen Donnerstags dicht gedrängt in der Stadtscheuer versammelt, um in geselliger Runde das namensgebende Fischgericht zu verspeisen und den meist pointierten Wortbeiträgen der Gastredner zu lauschen. Doch in Corona-Zeiten ist bekanntlich nichts normal.
„Gemeinsam schunkeln, witzeln, lachen – das alles darfst zurzeit nicht machen“, reimte Stephan Vatter bei der digitalen Alternative des Heringsessens. Kurzerhand hatte der Zunftmeister der Narro-Zunft Waldshut den närrischen Termin abends ins Internet verlegt. Während sich die Gäste vor den Bildschirmen ihren selbst angerichteten Hering schmecken ließen, bot Vatter seinem Publikum eine knapp einstündige Ein-Mann-Show, die vom Unterhaltungsfaktor her dem üblichen Heringsessen in nichts nachstand.
So fehlten die Spitzen gegen die Nachbarn in Tiengen und gegen die Stadtverwaltung genauso wenig wie die Wortbeiträge der Gastredner. Da diese coronabedingt nicht wie sonst in die Bütt steigen konnten, schlüpfte der Zunftmeister kurzerhand selbst in die Rollen von Oberbürgermeister Philipp Frank, Landrat Martin Kistler sowie in die der Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner und Rita Schwarzelühr-Sutter inklusive Kostümwechsel. Für letztere Imitation zwängte sich der Waldshuter Obernarr sogar in ein hauchenges Paillettenkleid.

Weil die meisten Programmpunkte wegen der Pandemie ausfielen, bot Vatter eine Zusammenfassung der Fasnacht im Schnelldurchlauf. „Vom Wecken bis zur Verbrennung“, sagte er und hielt dabei ein Körnerbrötchen mit der einen und ein Feuerzeug mit der anderen Hand in die Kamera. Wobei sich Vatter gar nicht mal so traurig zeigte, dass er dieses Jahr am Schmutzigen Donnerstag länger als sonst schlafen konnte. „Wecken ist verboten. Wir nehmen‘s hin. So isches halt. 5 Uhr ist es eh zu kalt“, reimte er mit Blick auf die derzeit frostigen Temperaturen. „Nächstes Jahr lassen wir es doppelt krachen“, drückte die Zunftmeister seine Hoffnung aus, dass die Fasnacht 2022 dennoch wie gewohnt stattfinden kann.
Nichtsdestotrotz gefiel den Zuschauern das digitale Heringsessen: „Super gemacht! Narri Narro“, grüßte Sparkassenchef Heinz Rombach per Chatfunktion in die virtuelle Runde. Und Narrenfreund Klaus Danner lobte: „So etwas nennt man kreativ.“
Der Heringsesserorden, der jedes Jahr an eine einzelne Person verliehen wird, die sich um die Waldshuter Fasnacht verdient gemacht hat, geht 2021 übrigens an alle Mitglieder der Narro-Zunft Waldshut. Schließlich sorge jeder einzelne Geltentrommler, Hansele und Ranzengardist auch in Corona-Zeiten, dass die Waldshuter Fasnacht lebendig bleibt, erklärte der Zunftmeister.