„Vorruckti Lüt hät´s z´Gurtwiel immer scho g´ha“, so eine listig-ironische Antwort eines Altbürgers anlässlich des 33. Narrenrat-Geburtstages auf die Frage, wie es mit der Fasnacht in Gurtweil angefangen habe. Und in der Tat, bereits in der Gurtweiler Dorfordnung von 1572 steht zur Fasnacht folgender Hinweis drin: „An Fasnacht musste der Haushalt, außer es war eine Kindbetterin darin, das Fasnachtshuhn oder dafür sechs Kreuzer (an die Herrschaft) entrichten.“
Narrenratsgründung 1967
Nun, über närrische Schwangerschaftsbeschwerden oder über die „Niederkunft der Gurtweiler Fasnacht“ ist nur noch wenig bekannt. Sicher scheint jedoch, dass der „Narrenrat Gurtweil“ ein Nachkömmling der schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Gurtweil existierenden „Narrenzunft“ ist. In den 50er Jahren bezeichneten sich dann die Fasnachtsmacher als „Elferrat“. Schon damals wurden Narrenumzüge durchs Dorf mit närrischen Vorträgen auf der Bühne vor der alten Schule abgehalten.

Das „Rats-Protokoll“ verrät folgendes: Am Freitag, den 14. Juli 1967 wurde der närrische Zunft-Nachwuchs im damals noch existierenden Gasthaus Thiesbrummel aus der Taufe gehoben.
Als Taufzeugen waren je zwei Vertreter des Männer- und Kirchenchores, des Musik-, Sport und damaligen Verkehrsvereins, sowie der Land- und Turnfrauen bei der Narrentaufe dabei. Diese 14 Ratsmitglieder wählten dann Ewald Maier zum ersten „Gurtweiler Narrenpräsident“. Die ersten gelben Fasnachtskutten wurden von den Narrenratsmitgliedern selbst gefertigt und auch finanziert.

Narren-Losung und erste Gehversuche
„Mir machet wieder Fasnacht wie mer´s vo üsere Vätter übernoh hän.“ Die ersten Schritte wagte dann das junge Fasnachtsgremium an einem für Narren zauberhaften Datum, nämlich am 11.11. 1967 um 11.11 Uhr.
Nachdem sich das gelbgewandete „Narrenkind“ wiederholt mit einer urgurtweilerischen Mehl- oder Nudelsuppe mutig gegessen hatte, publizierten die Jungfasnächtler schon bald die ersten närrischen Schreibversuche in der Erstausgabe im „Gurtwieler Schwätzer“ im Februar 1968. Bereits im zarten Alter von 15 Monaten wagte sich dann „Ewaldo und seine Jünglinge“ erstmals am 11.11.1968 mit dem „Bunten Abend“ in das fasnächtliche Rampenlicht und später am „Fasnachtsmändig“ auf die Narrenbühne vor dem alten Schulhaus.
Während der nachfolgenden närrischen Lehr- und Wanderjahre mit Gehversuchen beim Tiengener Umzug und am oberrheinischen Narrentreffen 1969 in Waldshut entwickelte sich nach und nach die über jahrzehnte gültige Grundform der Gurtweiler Fasnacht.
Jährlicher Fasnachtsritus
Zu den närrischen Ritualien gehörte einst die Fasnachtseröffnung am 11.11., der jährliche „Bunte Abend“, der Narrenzittigsverkauf, das gruuslige Wecken und der Hemdglunkiumzug am Schmutzige Dunschdig, der Kinderball und als jährlicher Höhepunkt die Straßenfasnacht mit großem Umzug und „Rämmi-Dämmi“ am „Fasnachtsmändig“ in und rund um die Gemeindehalle.
Völlig klar, dass der Narrenrat mit seiner Anhängerschar auch bei der Behindertenfasnacht und Seniorenfasnacht eine Aufwartung machte und regelmäßig auch seine Ehren- und Passivnarren mit einem „Hungerliider-Streik“ belagerte. Ebenso zählte das sogenannte „närrische Behördenschließen“ am Schmutzige Dunschdig, die Pfarrfasnacht und die Seniorenfasnacht zum jährlichen Fasnachtsprogramm.
Die Höhepunkte in den Jahren
Zu den Höhepunkten eines jeden Narrenrat-Jahres gehören die hunger- und durststillenden Auftritte an der „Hoorige Mess“ und am Erntedankfest in der benachbarten Narrenhochburg in Tiengen. Außergewöhnlich war auch der Narrengeburtstag 1990: Gemeinsam mit den „Gurtwieler Schellehexe“ – Mitglied der Schlüchttal-Narrenvereinigung“ – lud der Narrenrat Gurtweil zum Schlüchttal-Narrentreffen und zum 23. Geburtstagsfest nach Gurtweil ein und läutete damit gleichzeitig für die Gurtweiler Fasnacht das „goldene Mittelalter“ ein. Eine große Gratulantenschar drängelte nach Gurtweil, um die „Verruckte Gurtwieler“ mit einem dreifachen „Narri-Narro“ hochleben zu lassen.

Legendär wurden die zugkräftigen Fasnachtsbälle in den 70er und 80er Jahren, die zum Beispiel beim Buure-, Hexen- und Kehrausball des Musikvereins für eine teils übervolle Gemeindehalle mit Nonstopstimmung sorgten. Später bewirkte die Oldie-Night des Männerchores eine überörtliche hohe Anziehungskraft. Weitere erfolgreiche Bälle veranstalteten der Sportverein, der Kirchenchor, der Badminton-Club und das Schlüchttal-Akkordeon-Orchester.


Fasnachtsfeuer und Scheibenschlagen
Auf einen heidnischen Ritus zurückgehend, sollen die Fasnachtsfeuer den Winter vertreiben, andererseits bieten die Flammen auch Trost im Dunkeln und Schutz gegen die bösen Geister und gegen Kälte.
Am ersten Sonntag nach Fasnacht wird in vielen Dörfern, so auch in Gurtweil, ein Fasnachtsfeuer entfacht und so der Winter symbolisch „verbrannt“. Dann werden mit langen, biegsamen Haselruten kleine, eckig geschnitzte Scheiben aus Buchenholz, die im Fasnachtsfeuer glühend gemacht wurden, über ein schräggestelltes Brett, den Scheibenstuhl, über die Schlücht (früher vom Steggelebuck hinab ins Tal) geschlagen.
Beim Scheibenschlagen wurden früher uralte Sprüche und Wünsche gerufen, so zum Beispiel: „Schibi, schibo, Schiibe über de Rhy. Wem söll denn au die Schiibe sii? Die Schiibe söll de Sofie un im Franz sii!“ Je weiter dann die im Nachthimmel aufglühende Scheibe fliegt, desto länger soll das „Liebesglück“ der Ausgerufenen halten.