Angesichts sinkender Einnahmen bei anhaltend großen Pflichtaufgaben und zunehmenden Herausforderungen, müssen Städte und Gemeinden künftig bei ihren Ausgaben genauer hinschauen und müssen zunehmend priorisieren. Aus Sicht der meisten Gemeinderatsfraktionen macht die Stadt Waldshut-Tiengen in dieser Hinsicht einen guten Job, auch wenn unter dem Strich der aktuellen Haushaltsplanung ein Minus von 5,6 Millionen Euro klafft. Am Ende einer intensiven Haushaltsberatung stimmte das Gremium dem Planwerk einhellig zu.
Einig zeigten sich die meisten Fraktionen in ihren Haushaltsreden, dass es angesichts der aktuellen Entwicklungen an der Zeit sei, Ansprüche herunterzuschrauben. Doch die Verwaltungsspitze musste gerade von der Neutralen Liste auch deutliche Kritik einstecken.
CDU: „Sind am Limit angekommen“

„Der Haushalt 2025 hat es in sich und weist Besonderheiten auf“, hielt Philipp Studinger (CDU) in seiner Haushaltsrede fest. Das gelte für die Höhe der Ausgaben, für Verpflichtungsermächtigungen und auch das Minus, das nur mithilfe der Reserven ausgeglichen werden kann. Klar sei daher auch: „Wir sind am Limit angekommen“, so Studinger weiter. Es sei also notwendig, „dass wir effektiv wirtschaften und gut überlegen, wie wir weiter das Beste für Waldshut-Tiengen herausholen“.
Dabei zeige sich, dass es durchaus Fälle gebe, da genügten kleine Investitionen, um eine Hebelwirkung zu erzielen. Bestes Beispiel sei die Beteiligung an der Umgestaltung des Pater-Jordan-Hauses in Gurtweil. Gleichzeitig würdigte Studinger aber auch Fortschritte bei den großen Themen wie dem Klettgau-Carré, das er gemeinsam mit der Neugestaltung der Unteren Hauptstraße als Baustein für die „Rettung der Tiengener Innenstadt“ einstuft.
Gleichzeitig appelliert die CDU, auch „weiche Faktoren“ besser im Blick zu behalten, vor allem die Ärzteversorgung: „Denn es geht darum, die Lebenssituation der Menschen in unserer Stadt zu verbessern.“
FW: „Haushalt ist an die Situation angepasst“

Als „an die Situation angepasst“ und „von der Verwaltung wohldosiert“ werten die Freien Wähler den Haushalt. Die geplanten Investitionen setzten am richtigen Punkt an, denn weiterhin werden Schulsanierungen und Neubauten favorisiert. Ein „hervorragender Bildungsstandort Waldshut-Tiengen“ biete attraktive Möglichkeiten für Lehrer, sei aber auch Argument für Familien, sich hier niederzulassen, so FW-Fraktionssprecher Harald Würtenberger.
Zugleich betrachten die Freien Wähler die steigenden Ausgaben der Stadt mit großer Sorge. Vieles davon sei darauf zurückzuführen, „dass Bund und Land den Kreisen und Kommunen immer mehr Aufgaben auflasten, diese aber nicht ausreichend finanzieren“, so Würtenberger. Es sei an der Zeit, gerade die junge Generation wieder daran zu gewöhnen, dass es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gebe.
Vor diesem Hintergrund sei es ein Vorteil, dass in der Stadt „ein neuer Geist“ eingezogen sei, der anstehende Projekte und Maßnahmen von energetischer Sanierung städtischer Immobilien bis zur Umgestaltung des Spitalstandorts „nicht mehr ganz so herausfordernd erscheinen“ lasse.
Grüne: „Entwicklungsmöglichkeiten bleiben gewahrt“

Dass die Stadt trotz steigender Kosten gerade im Bereich Kinderbetreuung und verlässliche Grundschule einiges tue, wertet die Grünen-Fraktionssprecherin Petra Thyen als wichtiges Signal. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, seien solche Angebote aber unerlässlich. Verbesserungen würden im Bereich Mobilität erreicht. Aber noch immer sei an vielen Stellen Luft nach oben. Dass der Radwege-Anschluss zwischen Bahnhof und Gewerbepark stagniere, werten die Grünen beispielsweise als „weniger erfreulich.“ Auch im Bereich Fotovoltaik gelte es bei allen erreichten Fortschritten noch viel zu tun.
Im Gegenzug können Thyen und ihre Mitstreiter dem geplanten Landkauf zwecks Straßenverbreiterung zwischen Obi-Kreisel und Tiengen wenig abgewinnen, zumal Erleichterungen allenfalls mit großem zeitlichem Verzug zu erwarten sei.
„Eine Stadt muss sich weiterentwickeln dürfen, und sie tut es auch“, fasst es Thyen zusammen. Und trotz aller Sparbemühungen soll positiv auf das Jahr geblickt werden, das auch den 50. Geburtstag der Doppelstadt Waldshut-Tiengen markiert. Die Vorteile des Zusammenschlusses, so Thyen, zeigten sich heute an vielen Stellen.
SPD: „Jetzt auch unkonventionelle Möglichkeiten in Betracht ziehen“

Trotz begrenzter Mittel investiere die Stadt an den richtigen Stellen, betont SPD-Fraktionssprecherin Claudia Hecht: im wichtigen Sektor Schulwesen. In den Innenstädten gehe es mit den Sanierungsprogrammen weiter, eine Reihe von städtischen Gebäuden wird mit PV-Anlagen ausgestattet.
Sichere Radwege, zentrale Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und E-Bikes – diesbezüglich habe Waldshut-Tiengen derweil noch einiges zu tun und sollte dazu auch kompetente Partner ins Boot holen, so Hecht. Personell gebe es ebenfalls Lichtblicke, etwa in Form der Besetzung des Stadtplaners, so Hecht.
Doch die finanziellen Rahmenbedingungen erforderten auch ein generelles Umdenken: „Wir sollten nicht nur an Vorhandenem festhalten, sondern auch völlig neue, ungewohnte und unkonventionelle Möglichkeiten in Betracht ziehen“, fordert Hecht. Es gelte, möglichst viele Synergieeffekte zu erzielen.
NL: „Große Linie nicht erkennbar“

Für die Neutrale Liste übte Harald Langfeld (NL) indes die deutlichste Kritik an der Rathausspitze und auch den Ratskollegen: „Wir sehen die große Linie noch nicht, an der sich die Verwaltung messen lassen will, um die Stadt nachhaltig zukunftssicher zu machen.“ Auch blieben die anderen Fraktionen die Umsetzung der im Wahlkampf vorgebrachten Ziele bislang schuldig.
Dass in dieser Situation Projekte wie das Wohnbauvorhaben Von-Kilian-Straße und Klettgau-Carrées der Firma Schleith regelrecht durchgewinkt würden, sehe die Neutrale Liste mit Skepsis. Dass die Stadt sich an den Investitionskosten für den Bau eines Parkhauses in Tiengen beteilige, halte die NL für fragwürdig, so Langfeld. Seine Fraktion fordere daher eine jährliche Rentabilitätsprüfung des Parkhauses. Derweil fordert die NL auch, Projekte wie die Sanierung der Schlossgarage in Tiengen zügig anzugehen.
Den Personalmangel bezeichnete er derweil als „zum Großteil hausgemacht“. Von der Spitze der Stadtverwaltung fordert die Fraktion mehr Führungskompetenz, um das Problem in den Griff zu bekommen.
FDP: „Spielräume vollständig ausgereizt“

Die vorliegende Planung zeige, dass es immer schwieriger werde, einen ausgeglichenen Haushalt zu erstellen, der auch noch genehmigungsfähig sei. Zu diesem Schluss kommt FDP-Fraktionssprecher Harald Ebi. Er sei sich dennoch sicher, dass die damit verbundenen Herausforderungen zu schaffen seien: „Aber nur, wenn der Bürger einsieht, dass er nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens sitzen kann.“
Denn „soziale Rundumversorgung“ von Kinderbetreuung bis Straßenunterhaltung kostet Geld. „Die finanziellen Spielräume sind vollständig ausgereizt. Es muss mit knappen Mitteln gestaltet werden“, so Ebi. Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die „Hängemattenmentalität“ in dieser Situation nicht mehr angebracht sei, sei eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.
Dennoch gebe es genügend Gründe, positiv in die Zukunft zu blicken, denn in den nächsten Jahren werde sich auf städtischer und Kreisebene vieles weiterentwickeln.