Herr Maier, die Netzbetreiber haben kürzlich entschieden, die Umspannwerke im Tal am jetzigen Standort zu belassen. Ihr Einsatz über fünf Jahre für deren Verlegung auf den Hungerberg scheint verloren, wie fühlen Sie sich?

Zunächst möchte ich noch einen Sachverhalt richtigstellen: Entgegen eines Berichts im SÜDKURIER bin ich nicht erst nach Vorstellung der Umbaupläne durch den Netzbetreiber Amprion am 22. Januar 2018 in der Sache aktiv geworden, sondern bereits ein Jahr früher, damals noch in Unkenntnis der internen Planungen der Netzbetreiber. Bereits Mitte Januar 2017 stellte ich meine Idee, die Umspannwerke auf den Hungerberg zu verlagern, der damaligen Ortsvorsteherin Marina Schlosser, danach dem Ortschaftsrat Gurtweil und Anfang Mai 2017 Oberbürgermeister Dr. Frank persönlich vor. Nun zu Ihrer Frage wie ich mich fühle: Ich bin sehr enttäuscht, dass von der Stadtverwaltung die städtebaulichen Chancen und das Entlastungspotenzial für die Bürger, welche in unmittelbarer Nähe zu den Hoch- und Höchstspannungsleitungen wohnen, viel zu gering eingeschätzt wird. Die angebotene Lösung der Netzbetreiber bietet einerseits eine gewisse Entlastung für den Ortskern, andererseits werden die Randgebiete im Osten von Gurtweil durch den Ausbau der Leitungen von 220 kV auf 380 kV und damit höhere und massivere Masten stärker belastet werden.

Haben Sie mehr Engagement von der Stadt erwartet?

Ja. Bereits bei meiner Präsentation der Idee Anfang 2018 bei Amprion in Dortmund wurde ich von der Stadtverwaltung nicht unterstützt. Ich war auf eigene Kosten allein dort. Den Netzbetreibern signalisierte die fehlende Präsenz des Oberbürgermeisters, dass dem Projekt seitens der Stadtverwaltung nur unzureichende Bedeutung beigemessen wird. Es war und ist immer noch deprimierend, dass ein Oberbürgermeister solch ein Projekt nicht als „Chefsache“ einstuft. Statt der lobenden Worte des OB über meine Person kürzlich in dieser Zeitung, hätte ich es viel mehr geschätzt, wenn er die Sache aktiver unterstützt hätte. So wie Ortsvorsteherin Marina Schlosser und ihr Nachfolger Claudio Helling es getan haben und auch Bürgermeister Baumert, der mich zu den Vorstellungen bei den Netzbetreibern TransnetBW und ED Netze begleitet hat.

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Hat die Stadt mit der 2018 in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie nicht gezeigt, dass sie die Verlegung ernsthaft prüft?

Der Gemeinderat brachte damit eine wohlwollende Haltung zum Ausdruck. Nach Vorlage der Ergebnisse, die die Machbarkeit ausdrücklich bestätigten, fehlten aber die klaren Signale und Handlungen seitens der Stadt. Stattdessen überließ man das Heft den Betreibern.

Wie begründen die Netzbetreiber eigentlich ihre Entscheidung, die Umspannwerke im Tal zu belassen?

Es sind hauptsächlich ökonomische und zeitliche Kriterien, welche die Netzbetreiber TransnetBW und Amprion anführen. Bei den ökonomischen Kriterien sind keinerlei gesamthafte Zahlen bekannt gegeben worden, was der Umbau an der jetzigen Stelle kostet im Vergleich zum Neubau auf dem Hungerberg. Dies führt natürlich zu Fragen, zum Beispiel inwieweit der mögliche Verkaufswert für die freiwerdenden Flächen der Umspannwerke am alten Standort, wir reden von einer sehr großen Fläche von überschlagen zwölf Hektar, bei der ökonomischen Bewertung mit eingeflossen ist. Die Betreiber stehen unter Druck, den Netzausbau von 220 kV auf 380 kV im vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu bewerkstelligen. Weil sie für die Variante Hungerberg zusätzliche zeitliche Hürden bei Genehmigungsverfahren und Flächensicherung sehen, nehmen sie Abstand von der Standortverlegung. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass Herr Ohr von TransnetBW während seiner Präsentation beim Gemeinderat ausdrücklich bemängelte, dass ihm die Eigentumsverhältnisse auf dem Hungerberg bis heute unbekannt seien. Dies ist eine Aufgabe, welche die Stadtverwaltung nach meinem Dafürhalten als projektunterstützende Zuarbeit schon längst hätte erledigen müssen. Jahre sind vergangen, in welchen die Stadtverwaltung es versäumt hat, dieses Projekt aktiv voranzutreiben, zum Beispiel durch Vorgespräche mit den Grundbesitzern, Erarbeitung von Standortvarianten, Informationsgesprächen mit den einzelnen Netzbetreibern und so weiter.

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Hat die Stadt Ihrer Ansicht nach eine große Chance vergeben?

Für eine zukunftsorientierte städtebauliche Entwicklung entlang der heutigen Trassen und den Standorten der Umspannwerke ist der Verbleib der Umspannwerke im Tal ein sehr großer Störfaktor. Die durch eine Verlegung frei werdenden Flächen könnten sehr gut genutzt werden für stadtnahen Wohnraum für junge Familien oder auch für Gewerbegebiete. Stattdessen wird der Standort des Umspannwerkes Tiengen noch gefestigt, durch den geplanten Bau einer Umrichterstation an diesem Ort seitens der Deutschen Bahn für die Elektrifizierung der Hochrheinbahn. Dabei gäbe es für die Umrichterstation alternative Standorte, zum Beispiel in Albbruck. Außerdem sollte es selbstverständlich sein, dass unsere Nachkommen in der großen Kreisstadt so leben können, dass sie möglichst wenig durch Umspannwerke, Hoch- und Höchstspannungstrassen in der Nähe ihrer Häuser und Wohnungen belastet werden.

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Sehen Sie weitere Gründe, die für eine Verlegung sprechen?

Heute wird der Strom vom Berg ins Tal geführt, dort umgespannt und dann wieder zurück auf den Berg geführt. Das ist völlig unnötig. Stellen Sie sich vor, Sie wollen mit dem Auto von Waldshut nach Tiengen, dann fahren sich doch auch nicht zuerst für eine Kehrtwende nach Weilheim. Mit der Verlagerung der Umspannwerke auf den Hungerberg kommt es nicht nur zu einer Einsparung von Stromtrassen und rund 100 Strommasten, sondern auch zu einer enormen Entlastung der bestehenden Wohngebiete. Auch Weilheim könnte durch eine Verlagerung entlastet werden, weil bestehende Trassen von der Wohnbebauung weiter entfernt verlegt werden könnten.

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Die Netzbetreiber wollen die vorgesehene neue Schaltanlage weiter von Gurtweil entfernt bauen und stellen zukünftig weniger Leitungen über Gurtweil in Aussicht, kann Sie dies ein bisschen versöhnen?

Mit ihrem Planungsvorschlag setzen die Netzbetreiber lediglich um, was heute Stand der Technik ist. Es ist richtig, dass der geplante Rückbau dreier 220 kV-Leitungen für einen bestimmten Bereich von Gurtweil eine deutliche Entlastung bringen würde. Wie der Umbau anderer 220 kV-Leitungen auf 380 kV erfolgen wird, und wie die zusätzliche Einschleifung einer weiteren 380 kV-Leitung in das neue Umspannwerk erfolgen soll, wurde leider nicht weiter ausgeführt. Eine wirkliche Entlastung möglichst vieler Bürger sehe ich nur in einer Verlagerung der Umspannwerke und der gleichzeitigen Optimierung und Bündelung der Trassen.

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Wie kamen Sie eigentlich dazu, sich sozusagen „auf eigene Faust“ mit dem Umspannwerk und seinem Standort zu beschäftigen?

Bei einem Rückflug von einer Geschäftsreise konnte ich beim Landeanflug auf Zürich ein Foto aus dem Flugzeug von der ausufernden Bergstadt (Arberg) aufnehmen. Es wurde damals schon davon gesprochen, dass die Bergstadt weiterwachsen soll, ohne dass ein Konzept für eine vernünftige Verkehrsanbindung vorliegt. Dies hat mich bewogen, nach Alternativen zu suchen. Ich habe mir die Frage gestellt, welches die Gründe dafür sind, dass die Umspannwerke solch wertvolles Gelände zwischen zwei Stadtteilen, Gurtweil und Tiengen, belegen. Nach einer Analyse der vorhandenen Netzstrukturen kam ich zu der Überzeugung, dass sich die Umspannwerke völlig unnötigerweise im Tal befinden und sie auf den Hungerberg gehören, dort wo die Haupttrassen bereits vorhanden sind. Das Potenzial einer Verlegung, also freiwerdende Flächen und weniger Masten und Leitungstrassen, hat mich sehr motiviert, für die Sache zu kämpfen.

Sehen Sie doch noch eine Chance für eine Verlegung der Umspannwerke auf den Hungerberg?

Ja. Ich werde weiterhin Bürger, Parteien, Gemeinde- und Ortschaftsräte sachlich über die Vorteile eine Verlagerung informieren. Aus meiner Sicht besteht hierfür weiterhin eine Chance, wenn eine entsprechende Streitbarkeit der Bürger zu erkennen wäre und wie kürzlich in einer Lesermeinung im SÜDKURIER treffend dargestellt, das „Heft des Handelns“ von der Stadtverwaltung aktiv aufgenommen wird. Wir sollten alle Kräfte einsetzen, um ein Optimum für unsere Stadt und das Umland zu erreichen. Und das ist der Standort Hungerberg für eine Umspannstation in moderner gasisolierter Technik, welche möglichst wenig Platz einnimmt.