In vielen Schweizer Städten ist das Brückenspringen schon lange etabliert. In Diessenhofen, Flurlingen (von der A4-Brücke ist es streng verboten) und auch in Stein am Rhein gehört es seit Generationen zum Sommerbild. Stadtpräsidentin Corinne Ullmann bestätigt: „In Stein am Rhein ist das Brückenspringen eine alte Tradition der Steiner. Es ist erlaubt, und auf der Brücke machen Schilder darauf aufmerksam, dass jeder Sprung auf eigene Gefahr geschieht.“ Unfälle seien der Stadt in den letzten Jahren keine bekannt. Dennoch verweist auch Ullmann indirekt auf die Eigenverantwortung der Springer – ein Punkt, den auch die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) immer wieder betont.

Zwei Wochen lang blaue Flecken

Die Steiner Einwohnerrätin Nicole Lang wagte in diesem Sommer zum ersten Mal den Sprung von der Brücke – aus purem Spaß, wie sie betont. „Wir waren bei einem Event, und dann meinte irgendjemand: ‚Du kannst ja von der Brücke springen.‘ Ich dachte mir, das ist wohl so etwas wie eine Einbürgerung in Stein am Rhein – und gehört einfach dazu“, erzählt sie schmunzelnd. Insgesamt waren fünf Personen dabei, die sich gemeinsam ins Wasser stürzten.

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Die anderen vier kamen unversehrt davon, Nicole Lang jedoch nicht. Reflexartig zog sie beim Sprung die Beine an und landete mit dem Gesäß zuerst im Wasser, während ihre Beine ausgestreckt blieben – was ihr zwei Wochen lang blaue Flecken bescherte, vor allem an den hinteren Oberschenkeln und Waden. Für sie war der Sprung kein Mutbeweis, sondern ein einmaliges Abenteuer – ein spontaner Spaß, der ihr zugleich den offiziellen Ritterschlag zur „echten Steinerin“ in Stein am Rhein einbrachte. „Es war ein tolles Erlebnis, aber ob ich das noch einmal mache, weiß ich nicht“, erzählt sie lachend.

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Die Gefahren: Strömung, Temperatur, Wassertiefe

Christoph Merki, Mediensprecher der SLRG, weist auf mehrere Risiken hin, die leicht unterschätzt werden. So bestehe die Gefahr, auf Schwimmer oder Boote zu springen – mit möglicherweise tödlichen Folgen. Besonders heikel sei auch die Wassertiefe. „Bei zu geringer Wassertiefe können Verletzungen resultieren, die je nach Sprungart bis zu einer Querschnittslähmung oder zum Tod führen können“, erklärt Merki.

Zudem verweist er auf die Strömung: Anders als im Schwimmbad tauchen die Springenden selten dort wieder auf, wo sie ins Wasser gesprungen sind. Nur geübte Schwimmerinnen und Schwimmer sollten sich überhaupt in Flüsse wagen. Ein weiteres Risiko liege in der Temperatur: Da sich die Springenden auf einer Brücke nicht „annetzen“ können, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Springenden direkt ohne vorherigen Wasserkontakt in den Fluss springen.

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Dadurch habe der Körper keine Zeit, sich an die kälteren Temperaturen zu gewöhnen. Ist der Körper im Sommer stark aufgeheizt, können bei solchen Unternehmungen Krämpfe oder im schlimmsten Fall ein Kälteschock auftreten. „Darum sollte man, wenn man unbedingt von einer Brücke springen muss, sich vorher im Fluss annetzen und den Körper an die kälteren Wassertemperaturen gewöhnen.“

Prävention statt Verbot

In den letzten 15 Jahren seien laut Merki in der Schweiz keine tödlichen Unfälle beim Brückenspringen registriert worden. Allerdings gebe es keine verlässlichen Zahlen zu Verletzungen, die nicht tödlich verliefen. Beinahe-Zusammenstöße mit Booten oder Schwimmenden kämen wahrscheinlich immer mal wieder vor.

Ein generelles Sprungverbot befürwortet die SLRG nicht. „Von generellen Verboten halten wir nicht wirklich viel. Wir appellieren an die Eigenverantwortung und den gesunden Menschenverstand“, so Merki. Entscheidend sei, die SLRG-Regeln einzuhalten: nicht überhitzt oder unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ins Wasser springen, die Wassertiefe prüfen, den Flussabschnitt vorher erkunden und mögliche Gefahrenstellen im Blick haben.

Beim Brückenspringen heißt es Vorsicht, es könnte immer jemand unter der Brücke durchfahren.
Beim Brückenspringen heißt es Vorsicht, es könnte immer jemand unter der Brücke durchfahren. | Bild: Thomas Martens/Schaffhauser Nachrichten

Zusätzlich bietet die SLRG Gemeinden sogenannte Risk Assessments an – eine Art Sicherheitsanalyse, bei der Fachleute Gefahrenstellen einschätzen und Empfehlungen aussprechen.

Zwischen Nervenkitzel und Vernunft

Während in den sozialen Medien das Brückenspringen als Mutprobe inszeniert wird und Experten vor den Gefahren warnen, bleibt es in vielen Regionen eine gelebte Sommertradition. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Brückenspringen kann aufregend und harmlos sein – wenn es mit Respekt vor den Gefahren, guter Vorbereitung und Verantwortungsbewusstsein geschieht. Oder wie Merki es zusammenfasst: „Vorsicht und ein richtiges Verhalten ist beim Brückenspringen definitiv angebracht.“

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Übrigens: In Schaffhausen, zwischen der Feuerthaler-Brücke und dem Kraftwerk, besteht ein striktes Bade- und Tauchverbot – dies schließt auch das Springen von der Brücke ein.

Jurga Wüger ist Reporterin unserer Partnerzeitung, den ‚Schaffhauser Nachrichten‘.