Mit gespannter Stille, Tränen und einer ausführlichen Erläuterung des Urteils ist gestern der Prozess um ein Tötungsdelikt im Hohenfelser Ortsteil Liggersdorf zu Ende gegangen. Das Landgericht Konstanz hat den angeklagten 36-Jährigen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Totschlags und versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt.

Der Mann hatte am 16. Januar dieses Jahres seinen ehemaligen Arbeitgeber mit einem Beil getötet und dessen beiden Söhne schwer verletzt. Er muss laut Urteil auch 50.000 Euro Schmerzensgeld an den älteren Jungen, 70.000 Euro an das jüngere Kind und 15.000 Euro an die Mutter bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Plädoyers

In ihren nichtöffentlichen Plädoyers hatten die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage jeweils eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen für den 36-Jährigen gefordert, wie der SÜDKURIER auf Nachfrage erfahren hat. Die Verteidigerin hatte auf eine Körperverletzung mit Todesfolge plädiert und auf eine gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen. Zur Höhe der Strafe hatte sie keinen konkreten Antrag gestellt.

Die Tat war nicht als Mord geplant

Das Verfahren habe die Strafkammer schwer betroffen gemacht, sagte der Vorsitzende Richter Arno Hornstein: „Wir sind hier viel gewöhnt, aber diesen Fall kann man durchaus als herausragend bezeichnen.“ Es lasse einen nicht kalt, es sei eine abscheuliche Tat. „Wir dürfen nur harte Fakten zugrunde legen, uns nicht von Wahrscheinlichkeiten leiten lassen und auch nicht dem Druck der Öffentlichkeit nachgeben. Wir müssen alles rein juristisch abarbeiten und Feststellungen treffen.“ Man dürfe auch nicht einfach irgendwelche Motive unterstellen.

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Habgier treffe nicht zu, obwohl der Mann sehr auf Geld fixiert gewesen sei. Der 36-Jährige habe Geld wollen, von dem er geglaubt habe, es stehe ihm zu. Aufgrund der Rekonstruktion des Tat-Tages sagte Hornstein, dass der Mann die Axt als Einbruchswerkzeug dabei gehabt habe. Es sei nicht ganz klar, ob er gewusst habe, dass die Söhne im Haus waren. Sein Plan sei durch die Kinder ein Stück weit über den Haufen geworfen worden und in einer spontanen Tat resultiert: „Wir gehen nicht davon aus, dass er von Anfang an so geplant hatte.“

Der Angeklagte beim Prozessauftakt im Landgericht Konstanz.
Der Angeklagte beim Prozessauftakt im Landgericht Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Tötung des Vaters war Totschlag, nicht Mord

Hornstein sprach ausführlich über den schwierigen Weg der Urteilsfindung, wie die Bewertung der Taten ablief und wie die Gesamtstrafe zustande kam. Den Angriff auf den Vater wertete das Gericht als Totschlag, da letztendlich die Mordmerkmale gefehlt hätten. Dafür gab es 13 Jahre Haft im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten von fünf bis 15 Jahren.

Dies kombinierte das Gericht mit zehn Jahren bei den Taten am älteren Sohn und zu lebenslänglich wurde die Gesamtstrafe schließlich aufgrund der Tragweite der Verletzungen beim jüngeren Kind.

Warum es bei den Söhnen versuchter Mord war

Bei den Söhnen kam das Gericht zu dem Schluss, dass es sich jeweils um versuchten Mord mit gefährlicher Körperverletzung handelt. Hier träfen verschiedene Mordmerkmale zu, so Hornstein. Beim 13-jährigen Sohn nannte er das Merkmal Heimtücke, da der Junge arglos sowie wehrlos gewesen sei und die Axt nicht sehen habe können. Auch niedrige Beweggründe und die Ermöglichungsabsicht einer weiteren Tat kamen hinzu. Das bedeutet: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 36-Jährige den 13-Jährigen töten wollte, um an sein Ziel zu gelangen – Geld im Haus der Familie.

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Beim neunjährigen Jungen treffe ebenfalls beides zu, Heimtücke jedoch nicht, da das Kind die Waffe schon gesehen hatte. Die rechtlichen Definitionen seien sehr schwierig, so Hornstein. Fakt sei aber, dass der Angeklagte in Tötungsabsicht auf den Schädel des Jungen eingeschlagen habe. Beide Jungen hätten aufgrund ihrer Verletzungen in akuter Lebensgefahr geschwebt. Der jüngere Sohn habe sehr schwere Folgeschäden.

Immer noch offene Fragen

Trotz des langwierigen Prozesses bleiben noch immer viele Fragen offen. Viel geredet hat der Angeklagte nicht – nicht während der insgesamt neun Prozesstage, nicht in seinem Arbeitsumfeld, sagen die Angehörigen des Getöteten, seines ehemaligen Arbeitgebers. Und nicht mit dem psychiatrischen Sachverständigen, der den 36-Jährigen Anfang des Jahres untersuchte.

Trotzdem – oder gerade deswegen – sagt der Gutachter am vorletzten Prozesstag: „Er ist sehr kalkulierend, sehr abwägend und misstrauisch in seinen Antworten gewesen. Von Wut, Trauer oder Betroffenheit war da keine Spur.“

Der psychiatrische Sachverständige hat Anfang des Jahres mit ihm stundenlange Gespräche geführt, hat den Prozess begleitet und sich dort Notizen gemacht. Für das Gericht geht es dabei um drei Fragen, Wer ist der Angeklagte, wie schätzt der Gutachter ihn ein? Geht vom 36-jährigen eine Gefahr ist aus? Denn: Das wäre eine Voraussetzung für eine Sicherheitsverwahrung gewesen. Und: Gibt es Hinweise auf ein Tatmotiv?

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Der 36-Jährige stellte die Tat anders dar

Nur: Zur Tat sagt der Angeklagte auch vor dem Gutachter wenig. Und dass, was er ihm erzählt habe, klinge angesichts der Zeugenaussagen und dem Stand der polizeilichen Ermittlungen wenig plausibel. „Mir hat er erzählt, er sie zum Getöteten gefahren, um nach Arbeit zu fragen“, sagt der Gutachter. „Er sei dabei ins Haus gebeten und dann von ihm mit attackiert worden.“ Als der Angeklagte in die Garage geflüchtet sei und sich etwas zur Verteidigung gesucht habe, sei er auf die Axt gestoßen. Auch von den Kindern sei der 36-Jährige angegriffen worden.

Zeugenaussagen zeichnen anderes Bild

Die Zeugenaussagen vor Gericht und die Überwachungskameras zeichneten jedoch ein ganz anderes Bild: Der 36-Jährige sei am 16. Januar dieses Jahres in das Haus des Getöteten eingedrungen, als dieser gerade einkaufen gewesen war. Er habe sich am Tresor im Keller zu schaffen gemacht, vermutlich nach Geld gesucht, und dessen beide Söhne mit der Axt schwer verletzt und deren Vater auf brutalste Weise und mit mindestens acht Axt-Schlägen getötet.

Der Angeklagte trägt im Gerichtssaal Hand- und Fußfesseln.
Der Angeklagte trägt im Gerichtssaal Hand- und Fußfesseln. | Bild: Hanser, Oliver

Der Mann fuhr immer wieder am Haus vorbei

Videos verschiedener Überwachungskameras auf dem Grundstück des Getöteten sowie Ausschnitte von einer Dashcam, einer Frontalkamera am Auto eines Nachbarn, stützen die Zeugenaussagen. Videosequenzen, die vor Gericht gezeigt wurden, zeigen, wie ein Wagen, den Polizisten als Auto des Angeklagten identifiziert haben, am Abend vor der Tat und am Tattag immer wieder und langsam am Haus vorbeifährt: um 10.38 Uhr, um 11.03 Uhr, um 11.08 Uhr. Um 11.21 Uhr rennt der Angeklagte eine Straße entlang.

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„Man erkennt, dass er seinen linken Arm beim Rennen und Gehen nicht schwingt. So, als ob er darunter etwas versteckt hält“, sagte ein ermittelnder Polizist. Es sei womöglich die Axt. Um 11.56 Uhr fährt der Vater zum Einkaufen. Um 12.02 Uhr nähert sich der Angeklagte, der Socken über den Schuhen trägt. Sein Gesicht hat er mit einer Sturmhaube vermummt. „Das ist ziemlich widersprüchlich zu seinen Aussagen der Tat“, sagte der Gutachter.

Während der Urteilsbegründung fasste Hornstein den rekonstruierten Tatablauf zusammen, wobei nicht ganz sicher sei, ob der Vater und beide Söhne nacheinander oder abwechselnd angegriffen worden seien.

Der Angeklagte hat eine Persönlichkeitsstörung

Wie aber schätzte der Gutachter den Angeklagten ein? Gibt es Anzeichen für eine psychische Erkrankung? „Ich konnte keine Hinweise auf eine kognitive Störung oder Anzeichen des Wahnhaften finden“, sagte der Sachverständige. Wohl aber: Hinweise auf eine kombinierte antisoziale, paranoide und schizoide Persönlichkeitsstörung. Ob vom 36-Jährigen eine erneute Gefahr ausgehe, sei schwer einzuschätzen, „wenn man das Motiv nicht kennt“.

Anmerkung der Redaktion: Im Lauf des Tages wurden in diesem Artikel weitere Informationen aus der Urteilsbegründung und vom letzten Prozesstag ergänzt.