Franz Klaiber ist erfahrener Richter. Verhandlungen wegen Marihuana-Verkaufs sind eher alltäglich als außergewöhnlich für ihn. Auch an diesem Tag geht es vor dem Amtsgericht Konstanz um den Handel von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, so der juristische Fachbegriff.
Was machte die Verhandlung ungewöhnlich?
Dass zeitgleich über Vater und Sohn geurteilt wird, erlebt jedoch auch Klaiber nicht alle Tage. Am Ende der Verhandlung wird ein 17-Jähriger verwarnt, erhält 60 Arbeitsstunden und muss regelmäßig zur Urinkontrolle. Sein 54-jähriger Vater wird wegen Beihilfe zu einer 15-monatigen Freiheitstrafe verurteilt, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Hinzu kommt eine Zahlung von insgesamt 4000 Euro, jeweils zur Hälfte an die Drogenberatung und die Staatskasse.
Wie lautete der Hauptvorwurf im Verfahren?
Zuvor hatte Franz Klaiber den 54-Jährigen eindringlich gefragt: „Warum gehen Sie ein solches Risiko ein, war Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie sich strafbar machen?“ Gemeint ist eine Zugfahrt von Konstanz zum Openair Frauenfeld im Sommer 2018. Im Gepäck des 54-Jährigen: etwa 200 Gramm Marihuana, das er zuvor in Konstanz im Auftrag seines Sohnes gekauft hatte und diesem am Eingang zum großen Hip-Hop-Festival übergab. Der 17-Jährige wiederum verkaufte dies auf dem Gelände mit Gewinn weiter. Mit dem Ziel, wie Sohn und Vater einräumen, ihren Eigenkonsum zu finanzieren.
Welche Strafe stand im Raum?
Richter Franz Klaiber sagte in der Urteilsbegründung in Richtung des Vaters: „Sie haben sowohl Konsum und Handel von Drogen gefördert, haben dazu beigetragen, dass diese an Jugendliche Festival-Besucher verkauft werden.“ Ob das noch Beihilfe sei – wegen der der 54-Jährige schließlich verurteilt wurde – sei grenzwertig, so Klaiber.
Die Staatsanwältin sprach dagegen von einem „gemeinsamen Geschäft“ und forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe. Zuvor zeigte sie dem Angeklagten noch auf, dass der Fall sich auch in Richtung Anstiftung Jugendlicher zum Handel mit Betäubungsmitteln hätte entwickeln können. Das Strafmaß dann: mindestens fünf Jahre in Haft.
Warum hat der Vater seinen Sohn beim Dealen mit Drogen unterstützt?
Der Angeklagte hatte zuvor erklärt, er wollte seinem Sohn mit dem Botengang „einen Gefallen tun“. Er habe ihn gleichzeitig stets zu einem verantwortungsvollen Gebrauch mit Rauschmitteln geraten. Außerdem habe er mit seinem Sohn über die vor Gericht dokumentierten WhatsApp-Nachrichten nicht nur das Drogengeschäft ausgemacht, sondern den 17-Jährigen dort auch gemaßregelt – hauptsächlich wegen dessen nach und nach steigenden Konsums.
Der 54-Jährige hatte die Hoffnung, dass er mit einer lockeren Erziehung Nähe zu seinem Sohn herstellen könne. Er spricht vor Gericht von Schuldgefühlen, die er empfinde und gibt zu: „Ich war zu nachlässig, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Das war falsch.“
Vater und Mutter des jungen Mannes trennten sich, als dieser noch im Grundschulalter war. Aus dem Bericht der Jugendgerichtshilfe wird deutlich: Damals zerbrach eine Welt, die wegen häufigerer Streits zwischen den Eltern nie wirklich als heil bezeichnet werden kann; die aber im bessersituierten Rahmen stattfand.
Beide Elternteile verdienten gut, der angeklagte Vater heute einen fast sechsstelligen Betrag in der Schweiz, wo er neben seinem Zweitwohnsitz in Konstanz hauptsächlich lebt. Mit Beginn der Pubertät distanzierte sich der heute 17-jährige Angeklagte zusehends von seiner Mutter, erst aktuell finde laut Jugendgerichtshilfe wieder eine Annäherung statt.
Wie hat sich der jugendliche Angeklagte vor Gericht erklärt?
Regelmäßig Marihuana konsumiert habe er, seit er 16 Jahre alt war, sagte der junge Mann aus. Irgendwann „immer, wenn etwas da war, am Wochenende täglich schon nach dem Aufstehen“. Schlechter werdende Schulnoten, der Wunsch nach dem Führerschein und schließlich die Hausdurchsuchung, die zur Anklage geführt hatte, habe ihn umdenken und die Finger von den Drogen fernhalten lassen.
Nachweislich und glaubhaft, wie alle Prozessbeteiligten bestätigen und was das negative Ergebnis eines Drogentests vor Gericht belegt. Die Folge: Ein glimpfliches Urteil mit einer Verwarnung und ermutigenden Worten seitens des Gerichts, den nun eingeschlagenen Weg des Abiturs im nächsten Schuljahr weiterzuverfolgen.
Wie bewertete der Vorsitzende Richter die Rolle des Vaters?
Deutlichere Worte erhielt sein Vater zum Abschluss des Prozesses: Mit seiner Laissez-Faire-Erziehung bei der Unterstützung der Drogengeschäfte seines Sohnes „spielten Sie eine problematische Rolle“, sagte Richter Franz Klaiber. Denn: Der Versuch der positiven Einflussnahme auf seinen Sohn „war völlig falsch“.
Einerseits per WhatsApp zu schimpfen, gleichzeitig aber die Drogengeschäfte dort zu organisieren, passe schwer zusammen. Beide Angeklagten verzichteten noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel. Die Staatsanwaltschaft hat beim Urteil gegen den Vater noch keine endgültige Entscheidung getroffen.