Die Richterin unterbricht die Verhandlung. Für 20 Minuten bleibt sie verschwunden. Als sie in den Sitzungssaal des Konstanzer Amtsgerichts zurückkehrt, steht fest, was sich zuvor bereits abgezeichnet hatte: Die Anklage wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 52 Fällen wird fallen gelassen. Das ergab ein Telefonat mit dem leitenden Staatsanwalt, nachdem der Hauptbelastungszeuge sich wiederholt in Widersprüche verstrickt hatte.
Doch ganz ungeschoren davon kommt der 26-jährige Angeklagte nicht. Wegen unerlaubten Drogenbesitzes, Anklagepunkt 53, verurteilt die Richterin den einschlägig vorbestraften Konstanzer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten – jedoch erneut auf Bewährung.
Was aber war bis dahin passiert?
Der Angeklagte, so warf ihm die Staatsanwaltschaft zu Beginn der Verhandlung vor, soll zwischen Januar 2016 und März 2018 einem jungen Studenten monatlich mehrere Gramm Marihuana verkauft haben. Bei einer Wohnungsdurchsuchung Ende 2018 hatten Polizisten dann 13,3 Gramm Marihuana gefunden – sowie eine Pille der Party-Droge Ecstasy.
Den Besitz von Marihuana räumt der 26-Jährige ein. Aufgrund einer schweren Verletzung habe er damals die Wohnung nicht verlassen können, weshalb ihm nach und nach „die Decke auf den Kopf gefallen“ sei, erzählt er. Aus diesem Grund habe er zu der Droge gegriffen, wie er es seit dem 15. Lebensjahr immer wieder getan habe.
In der Vergangenheit hatte der heute 26-Jährige deshalb wiederholt auf der Anklagebank des Konstanzer Amtsgerichts Platz nehmen müssen. Zuletzt 2017, als er zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden war – damals wegen des Besitzes von mehr als 70 Gramm Marihuana. Woher im aktuellen Fall die Party-Pille stammte, wisse er nicht. Und verkauft, so betont er, habe er auch nie etwas.
Hauptbelastungszeuge ändert seine Aussage
Widerlegen sollte das der Hauptbelastungszeuge, der junge Student und Kunde, auf den sich die Anklage stützte. Der war 2018 unter anderem wegen des Kaufs von Cannabis beim Angeklagten verurteilt worden. Damals hatte er angegeben, von ihm von Januar 2016 bis März 2018 monatlich Marihuana im Wert von etwa 100 Euro erworben zu haben.
In dieser Verhandlung ändert er diese Aussage jedoch. Der Zeitraum könne nicht stimmen, müsse sich stattdessen auf Sommer 2015 bis März 2016 belaufen, ist er sich nun sicher. Die Polizeibeamten hätten ihn damals im Verhör zu einer Aussage gedrängt, begründet er den Widerspruch gegenüber der erstaunten Richterin.
Da auch die Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten keinen Hinweis auf einen Handel mit Betäubungsmitteln geliefert hatten, wie ein Polizeibeamter der Ermittlungsgruppe Rauschgift bestätigt, folgt das Telefonat der Richterin mit dem leitenden Staatsanwalt.
Der Anklagepunkt wegen unerlaubten Drogenbesitzes bleibt
Das Urteil, mit dem die Richterin dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt, begründet sie mit dem Bruch der Bewährungsauflage: „Das mit den Drogen sollte man sich dann zweimal überlegen“, mahnt sie an.