Die süßen Cerealien zum Frühstück, mal ein Stück Schokolade zwischendurch und am Nachmittag noch ein Eis – für Kinder kann es oft nicht genug Zucker sein. Das, sagt Andreas Böckmann vom Klinikum Konstanz, ist nicht unbedingt schlecht: "Zucker ist vor allem bei kleinen Kindern ein wichtiger Energielieferant", so Böckmann.

Er ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderdiabetologie. Das heißt: Er sieht täglich, was Zucker auch in jungen Jahren für Folgen haben kann. "Kindliches Übergewicht bleibt ein anhaltendes Problem", sagt er. "Das entsteht auch durch zu viel Süßes."

Andreas Böckmann ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderdiabetologie.
Andreas Böckmann ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderdiabetologie. | Bild: Wiebke Wetschera

Trotzdem sagt er deutlich: "Aus medizinischer Sicht ist Zucker erst mal nicht schädlich." Denn vom Zuckermolekül gehe grundsätzlich keine Gefahr für den Körper aus. Im Gegenteil, für Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit ist er zwischen den Mahlzeiten überlebenswichtig. "Idealerweise wird dieser aber über Kohlenhydrate aufgenommen", sagt Böckmann.

Der dadurch gewonnene Zucker setzt sich nur langsam im Körper frei und hat dadurch eine längere Wirkung. Bei älteren Kindern ist die Zuckerzufuhr außerhalb der Mahlzeiten nicht mehr wichtig: "Da hat das Pausenbrot seine medizinische Wirkung verloren", sagt Böckmann.

Der empfohlene Zuckerwert wird permanent überschritten

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt etwa 25 Gramm Zucker pro Tag. Mit seiner Capri-Sonne in der Pause, einem Schokocroissant zwischendurch und ein paar Gummibärchen am Abend ist der Wert allerdings schnell mal höher.

Ernährungsberaterin Sybille Bruderhofer schätzt den Wert auf etwa 100 bis 150 Gramm pro Tag: "Wir überschreiten den Wert permanent", sagt Bruderhofer. Sie ist gemeinsam mit ihrer Kollegin Karin Beume für die Kinder- und Jugendzahnpflege im Landkreis Konstanz tätig.

Ernährungsfachfrau Sibylle Bruderhofer und Gesundheitspädagogin Karin Beume sind für die Jugendzahnpflege und klären Eltern und Kinder ...
Ernährungsfachfrau Sibylle Bruderhofer und Gesundheitspädagogin Karin Beume sind für die Jugendzahnpflege und klären Eltern und Kinder darüber auf. | Bild: Wiebke Wetschera

Für die beiden steht fest: Der Zuckerkonsum muss durch die Eltern kontrolliert und beeinflusst werden. "Die Kinder müssen den Umgang mit Zucker und Süßem lernen", sagt Gesundheitspädagogin Karin Beume.

Eltern als Vorbilder

Die Eltern nehmen dabei eine Art Vorbildrolle ein: Sie müssen es vorleben und erklären. Das erleichtere ihnen die Erziehung des Kindes: "Wenn die Kinder es von Anfang an lernen, profitieren auch die Eltern davon", sagt Bruderhofer. Das heißt für die Eltern zum Beispiel: Wasser statt Limonade. "Das ideale Getränk von Anfang an ist Wasser", sagt Bruderhofer. Auch solche Kinder würden dann gerne mal eine Limonade trinken. "Sie sind aber an Wasser als Durstlöscher gewöhnt."

Bei Süßigkeiten sei Kindern oft klar, dass diese zuckerhaltig seien. Anders hingegen ist es beim morgendlichen Frühstück. "Sie bringen das nicht mit Zucker in Verbindung", sagt Bruderhofer. Von speziellen Kinderprodukten raten die beiden ab. "Kinderkekse sind oft zuckerhaltiger als normale Kekse", sagt Bruderhofer. Das sei auch bei Joghurts der Fall. Beume vermeidet in ihrer Arbeit in Kindergärten das Wort "Gesund". "Dann sagen die Kinder: Das schmeckt mir nicht", sagt sie. Sie bietet stattdessen ein buntes oder rotes Frühstück an, bei dem es Obst und Gemüse in den passenden Farben gibt.

Süßigkeiten als Belohnung – erlaubt oder verpöhnt?

Die Expertinnen raten außerdem dazu, die Kinder mehr einzubinden. Eltern könnten beispielsweise fragen: Willst du eine Birne oder einen Apfel mitnehmen? "Wenn Kinder miteinscheiden dürfen, stehen sie mehr dahinter", sagt Bruderhofer. Nicht zielführend sei es, wenn Eltern ständig Süßes bereitstellen würden.

"Sie können nicht ständig Süßigkeiten kaufen, aber es schlecht finden, wenn das Kind diese dann isst." Die Belohnung mit Süßigkeiten halten die Expertinnen für falsch. "Das ist denkbar schlecht für das Gehirn", sagt Beume. Wenn die Kinder das lernen, würden sie auch später immer zu Süßigkeiten greifen, wenn es ihnen schlecht geht.

Zucker reduziert Schmerzstress

In der Kinderklinik hingegen bekommen viele der jungen Patienten bei ihrem Besuch Süßigkeiten – als Belohnung. Dafür hat Böckmann einen einfachen Grund: "Die Kinder sind hier in Extremsituationen", sagt er.

Die Ärzte nutzen den positiven Effekt des Zuckers auf das Wohlbefinden des Kindes – "Zucker reduziert den Schmerzstress", sagt Böckmann. Er sieht keine Probleme dabei, Kinder mit Süßigkeiten zu belohnen. "Es muss aber eine Ausnahme bleiben", so der Mediziner. "Regelmäßig zu viel Zucker ist Gift."

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"Die einzige Möglichkeit ist Prävention"

Das Problem dabei: "Der freie Zucker ist meist positiv belegt", so Böckmann. Deshalb sollte man diesem gegenüber aber besonders kritisch sein: "Freier Zucker ist eine Sackgasse der Ernährung", sagt Böckmann. Habe die ungesunde Ernährung erstmal zum Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen geführt, sei es meist schon zu spät. "Die einzige Möglichkeit, Übergewicht zu verhindern, ist Prävention", sagt er.

Denn bei der anschließenden Therapie sei die Absprungrate sehr hoch. "Es ist für viele schwer, das durchzuhalten", sagt Böckmann. Eben deshalb sei es umso wichtiger, ein Bewusstsein für Zucker zu schaffen. Beim Rauchen habe man es durch Überteuerung der Zigaretten und die Verschlechterung des gesellschaftlichen Rufs geschafft, viele Menschen zum Aufhören zu Bringen. "Das könnte auch ein Modell für Zucker sein", sagt Böckmann.

Schritt für Schritt weniger Süßes

Eine zuckerfreie Erziehung sei nicht das Ziel – auch nicht in der Kinder- und Jugendzahnpflege. "Wenn Zucker verboten ist, bekommen die Kinder Heißhunger darauf", sagt Beumer. Spätestens wenn die Kinder Süßigkeiten bei anderen sehen, würden sie auch Süßes haben wollen. Nach dem Mittag kann etwas Süßes mal ein Nachtisch sein.

Für den Alltag hat Bruderhofer einen Tipp: "Manchmal fängt es auch damit an, dass die Apfelschorle zunächst einfach verdünnt wird", sagt sie. So könne das Getränk nach und nach zu Wasser werden. Auch ein Fruchtjoghurt kann nach und nach mit Naturjoghurt verdünnt werden. "Wenn meinem Kind sein Nutellabrot wichtig ist, kann ich es vielleicht mit frischem Obst ergänzen", sagt sie.