Wo einst Kunststoffteile für Haushaltsgeräte hergestellt wurden und Lastwagen geschäftig hin und her fuhren, ist seit einigen Jahren Stille eingekehrt. Das Veeser Plastic Werk am Haidelmoosweg 23-25 ist stillgelegt, das Unternehmen zog 2018 nach Steißlingen um. Seitdem liegen dort mehrere Industriegebäude brach.

Obwohl es seit Jahren unterschiedliche Planungen für Wohngebäude an dieser Stelle gibt, rückten bislang keine Bagger an. Warum? Wie an vielen anderen Stellen in Konstanz, erhoben Nachbarn Widersprüche gegen die Pläne, ein Anwohner klagte.

Der zuletzt eingereichte Bauantrag der Wohnbau- und Immobilienfirma Gnädinger und Mayer aus Radolfzell sieht dort den Bau von 15 zweigeschossigen Reihenhäusern plus Dachgeschoss vor. „Dem Grundstück liegt kein rechtsgültiger Bebauungsplan zugrunde“, teilt die städtische Pressestelle mit. Somit muss sich der Neubau nach Paragraf 34 in die Umgebung einfügen.

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Nach Ansicht der Stadt tut er das auch. „Größe, Maßstab und Struktur der Häuser überzeugen im städtebaulichen Kontext. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen das Vorhaben keine Bedenken, sodass die Baugenehmigung am 16. März 2021 erteilt werden konnte“, schreibt die städtische Pressestelle.

Doch neun Nachbarn sahen das anders und legten Widerspruch ein. Einer davon ist Werner Maier, 71-jähriger ehemaliger Bauingenieur. Er stößt sich daran, dass für das Gebiet kein Bebauungsplan aufgestellt wurde. „Wir sind grundsätzlich nicht gegen eine Wohnbebauung, aber das Vorhaben passt so überhaupt nicht in unsere Straße“, so Maier.

Werner Maier, Bruno Deiringer und andere Anwohner sind der Meinung: 15 Reihenhäuser mit zwei Vollgeschossen plus Dachgeschoss passen ...
Werner Maier, Bruno Deiringer und andere Anwohner sind der Meinung: 15 Reihenhäuser mit zwei Vollgeschossen plus Dachgeschoss passen nicht in den Haidelmoosweg mit seinen zweigeschossigen Häusern mit Satteldach. Links ist eines der Veeser-Gebäude zu sehen. | Bild: Kirsten Astor

Immerhin würden nun nicht, wie ursprünglich geplant, 36 Wohnungen entstehen. Aber auch 15 dreigeschossige Reihenhäuser mit Wohnfläche zwischen 140 und 180 Quadratmetern, mit Dachterrasse, ohne Keller und die meisten mit nur einem Stellplatz, das sei auf diesem Grundstück nicht zumutbar, meint er.

Verschattung, Lärm und Parkplatz-Chaos

„Erstens werden unsere Häuser, die direkt gegenüber liegen, verschattet. Zweitens werden hier sicher im Sommer auf den Dachterrassen jeden Tag Feste gefeiert. Und drittens fehlen im Haidelmoosweg jetzt schon Stellplätze. Wer sich hier ein Haus leisten kann, hat doch nicht nur ein Auto!“, erbost sich der ehemalige Bauingenieur.

Der ohnehin schon enge Haidelmoosweg werde Parkplatzprobleme bekommen, wenn dort 15 neue Reihenhäuser mit wenigen Stellplätzen ...
Der ohnehin schon enge Haidelmoosweg werde Parkplatzprobleme bekommen, wenn dort 15 neue Reihenhäuser mit wenigen Stellplätzen entstehen, meint Anwohner Werner Maier. | Bild: Kirsten Astor

Und schließlich geht es, wie so oft, um Tiere und Bäume. Bei den Veeser-Erweiterungsbauten sei in den Hang des angrenzenden Fürstenbergs eingegriffen worden. „Die Abstandsvorschriften zum dort wachsenden Wald wurden auch nicht eingehalten“, so Werner Maier. In dem Grünstreifen sei im Lauf der Jahre ein Biotop gewachsen, das viele Vogelarten, Insekten und Fledermäuse beherberge.

Das bestätigt Anwohner Bruno Deiringer. Der 70-Jährige wohnt seit 50 Jahren in einem Haus, das seit 1991 direkt an eine Veeser-Halle grenzt. „Wir Mieter kümmern uns um die Igel in dem Biotop, auch Eidechsen leben dort. Das darf nicht entfernt werden!“, sagt Deiringer. Grundsätzlich sei er schon für Neubauten: „Ich bin froh, wenn die alten Hallen endlich wegkommen.“ Doch die Art und Weise stört ihn. „Andere Nachbarn wurden bei ihren Bauplänen total gegängelt, aber auf dem Veeser-Areal darf sowas gebaut werden?“, fragt er sich.

Laut Anwohnern erweiterte das Unternehmen seine Gebäude nach und nach ohne Baugenehmigung. Diese sei erst nachträglich erteilt worden. ...
Laut Anwohnern erweiterte das Unternehmen seine Gebäude nach und nach ohne Baugenehmigung. Diese sei erst nachträglich erteilt worden. Unter anderem seien ein drittes Stockwerk und ein hoher Aufzugsturm entstanden. | Bild: Kirsten Astor

Regierungspräsidium gibt der Stadt Recht

Aufgrund der Widersprüche landete der Fall beim Regierungspräsidium (RP) Freiburg, das im März 2022 der Stadt Recht gab. „Die Widersprüche waren unbegründet“, schreibt RP-Pressesprecherin Heike Spannagel. „Insbesondere stellte sich das Bauvorhaben gegenüber den Widerspruchsführern (also den Nachbarn; Anm. d. Red.) nicht als rücksichtslos dar.“

„Das Bauvorhaben stellte sich gegenüber den Widerspruchsführern (also den Nachbarn; Anm. d. Red.) nicht als rücksichtlos ...
„Das Bauvorhaben stellte sich gegenüber den Widerspruchsführern (also den Nachbarn; Anm. d. Red.) nicht als rücksichtlos dar“, sagt Heike Spannagel, Sprecherin des Regierungspräsidiums Freiburg. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Das ließ Werner Maier nicht auf sich sitzen und zog vor das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg, verlor aber auch dort im Mai 2023. Parallel ging auch die Bauherrin den rechtlichen Weg. Die Radolfzeller Immobilienfirma störte sich an Auflagen in der Baugenehmigung und ging im August 2022 ebenfalls vor das VG Freiburg.

Derzeit ruht das Klageverfahren, weil die Stadt Konstanz und das Immobilienunternehmen sich im vergangenen Sommer auf ein Mediationsverfahren eingelassen haben. Sie sind um eine einvernehmliche Lösung bemüht.

Im Lauf der Jahre entstand hinter dem Veeser-Werk ein Grünstreifen. Was mit ihm passieren soll, ist derzeit Gegenstand eines ...
Im Lauf der Jahre entstand hinter dem Veeser-Werk ein Grünstreifen. Was mit ihm passieren soll, ist derzeit Gegenstand eines Mediationsverfahrens zwischen Stadt Konstanz und der Bauherrin. | Bild: Kirsten Astor

Laut Pressestelle der Stadt zeichnet sich ein Ende des Mediationsverfahrens ab. „Der Zeitpunkt des Baubeginns liegt im Ermessen des Bauträgers“, schreibt Pressesprecher Benedikt Brüne. Ob Gnädinger und Mayer wirklich demnächst mit dem Bau beginnen, ist unklar. Geschäftsführer Andreas Mayer möchte sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht äußern.

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Ursula Grüninger, die schräg gegenüber den Industriebauten lebt, ist positiv gestimmt: „Ich finde es gut, wenn da Wohnhäuser hinkommen, ich hatte viele Umstände durch die immer größer werdenden Hallen und Lastwagen, die die Straße versperrten. Und die Maschinen liefen teilweise rund um die Uhr.“ Derzeit haben die Anwohner ihre Ruhe. „Hoffentlich bleibt das vorerst so“, sagt Bruno Deiringer. „Für viele Investoren ist das Bauen derzeit ohnehin zu teuer.“