Als ich mich am vergangenen Mittwoch von meiner Kollegin in ein langes Wochenende verabschiede, meint sie: „Ist doch toll, dass das Wetter so schön ist für die Kinder, die aufs Campus-Festival gehen.“ „Ich gehe auch!“, meine ich und ernte hierfür einen irritieren Blick. Wie ist das, mit Mitte 50 aus Campus-Festival zu gehen? Fühlt man sich fremd, inmitten junger Leute? Wird man komisch angeschaut? Ich starte das Experiment.
Der Veranstalter, Xhavit Hyseni, erklärt mir, dass das Campus-Festival nicht nur junge Menschen ansprechen soll, sondern ein Festival für jedes Alter sei. So habe man dieses Jahr zum Beispiel die Südwestdeutsche Philharmonie für einen Auftritt engagiert. Außerdem beziehe man Konstanz mit ein, habe verschiedene Konstanzer Künstler und Initiativen dabei und die Verpflegungsstände würden von vielen Konstanzer Vereinen betrieben.
Mit einem so jungen Publikum hatten sie nicht gerechnet
Ältere Besucher sieht man dennoch eher selten. Katrin (51) ist zum ersten Mal auf einem Festival. Sie hat das Ticket geschenkt bekommen, sie wollte auch mal die Atmosphäre eines Festivals erleben. Anette (53) und Elke (51) aus Rosenheim verbinden einen Besuch bei Freunden mit dem Campus-Festival. Sie sind etwas erstaunt, dass eher wenige Besucher älter sind.

Sie erzählen, dass sie letztes Jahr bei Rock im Park gewesen seien, da sei das Publikum gemischter. Dennoch geht es ihnen sehr gut, es sind alle total nett und freundlich zu ihnen, lauter entzückende junge Menschen seien auf dem Festival. Sie selbst sind wegen der Bands und der guten Stimmung hier.
Lothar Juhrich (54), Susanne Bolz (54) und Orri Reimann (58) sind schon zum zweiten Mal auf dem Festival. Lothar schätzt die entspannte Atmosphäre und dass es so viele ihm unbekannte Bands zu entdecken gibt. Komisch angeschaut werden sie auf dem Festival nicht.

Aus ihrem Bekanntenkreis wären noch mehr Freunde mitgekommen, aber eine hat Rücken, der andere Knie. Manche jedoch kannten die Bands nicht und hatten daher kein Interesse. Orri meint, es würde ihm schon auffallen, dass die Musik jünger ist als er. Und wenn man keine Band kennt, die auftritt, macht es vielleicht auch nicht so Spaß. Er selbst ist aber gerne hier.
Und irgendwo in Stadion feiert auch der Nachwuchs
Auffallend ist, dass alle, die ich befrage, Kinder haben, die ebenfalls gerade auf dem Campus-Festival sind. Die Kinder sind zwar alle um die 20, also aus dem Alter raus, in dem sie beaufsichtigt werden müssen und sind auch unabhängig von den Eltern unterwegs.


Aber anscheinend sind sie dennoch ein Magnet für Eltern, sich den Festival-Spaß ebenfalls zu gönnen. Und ich selbst bin erst durch den Musikgeschmack meiner Kinder Fan von manchen Bands geworden, die dieses Jahr auf dem Campus-Festival auftreten.
Und was meint die jüngere Generation zu Menschen in meinem Alter auf dem Festival? Merlin Wagner (24) sagt, er findet es cool, wenn Leute jeden Alters auf dem Campus Festival sind. Sein Bruder Javin (18) ergänzt, es sei ein bisschen wie an Fasnacht. Das Alter trete in den Hintergrund, es geht darum, gemeinsam zu feiern, und er habe noch nie mitbekommen, dass jemand dumm angemacht wurde, weil er alt sei.

Philharmonie verbindet Genres und Generationen
Spannend wird es, als die Philharmonie Konstanz auftritt. Für mich unerwartet ist der Platz vor der Bühne brechend voll. Ein absolut begeistertes junges Publikum feiert einen fulminanten Auftritt des Orchesters, das Songs von Taylor Swift spielt.
Chefdirigent Gabriel Venzago (35 – und damit gerade noch so in der Campus-Festival-Kernzielgruppe) erklärt, dass es ihm darum geht, Brücken zu schlagen und ein Miteinander zwischen Jung und Alt zu schaffen. Wichtig sei ihm, dass die Musik begeistert, egal zu welcher Kategorie sie gehört.

Der Cellist Ruslan Malkov (52) ergänzt, dass es für ihn fantastisch war, dass sie dazu beitragen konnten, dass die Leute Spaß haben. So viel Lebensfreude zu sehen, war für ihn unglaublich schön. Sie seien für ganz Konstanz da, nicht nur für Leute, die Klassik hören, und spielten auch immer wieder Rock, Pop und Jazz.
Mein persönliches Fazit: Es war großartig! Eine super Stimmung, tolle Bands, ausschließlich freundliche und offene Menschen, ob andere Besucher, Security, Crew, Künstler. Beeindruckt hat mich, wie jeder auf den anderen aufgepasst hat, und es jedem wichtig war, dass es dem völlig unbekannten Menschen neben ihm gut geht.
Kleiner Seufzer: Wie schön wäre es, noch mal jung zu sein
Etwas Wehmut schleicht sich ein zwischendurch, denn natürlich wird mir bewusst, dass ich nicht am Aufbruch meines Lebens stehe, wie die meisten um mich, sondern, sagen wir mal positiv, eher in der Mitte. Aber vielleicht ist das gerade ein Grund, nochmals Neues auszuprobieren.
Wenn ihr also Lust habt auf das Campus-Festival zu gehen, egal in welchem Alter, traut euch. Oder, um mit einem Zitat der Band Juli zu schließen, die einen wunderbaren Auftritt auf dem Festival hatte: „Es war ‚ne geile Zeit!“