Unglücklich war der Vorstand der Narrengesellschaft Niederburg, denn die Nutzung der Turmstube wurde zunächst untersagt, dann limitiert. Der Grund: Es war kein zweiter Fluchtweg vorhanden. Eine Lösung zu finden, gestaltete sich für die beteiligten Fachämter schwierig, „weil das Gebäude schwierig ist“, stellt Denkmalpfleger Frank Mienhardt fest. Der Pulverturm steht unter Denkmalschutz. Rechtsgültige Brandschutzbestimmungen in einem historischen Wehrturm umzusetzen, war eine große Herausforderung.

Eigentlich war der Plan, eine Spindeltreppe an die Westseite des Turms zu bauen, berichtet Hochbauamtsleiter Thomas Stegmann. So hätte der Barbereich im Falle eines Brandes geräumt werden können. Menschen im darüberliegenden Turmzimmer hätten über einen Notausstieg mit der Drehleiter gerettet werden können. „Wir hatten auch eine Baugenehmigung bekommen“, so Stegmann.

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Es braucht eine Lösung, aber wie?

Das Hochbauamt habe in Abstimmung mit dem Denkmalamt loslegen wollen, doch Einschätzungen weiterer Fachämter hatten sich zwischenzeitlich geändert. Der Knackpunkt sei der Ausstieg aus dem Turmzimmer gewesen, wie Thomas Stegmann berichtet. Die vorhandenen Fenster seien nämlich als Ausstieg zu klein. Es musste eine andere Lösung her.

Aber wie? Rettungswege müssen gesetzlich vorgegebenen Maßen entsprechen. Der Eingriff in die Substanz des denkmalgeschützten Gebäudes muss schonend sein. Und die Räume müssen für die Narrengesellschaft nutzbar sein. Wie bekommt man das und noch viel mehr unter einen Hut? Darüber zermarterten sich alle Beteiligten ihr Hirn.

Der Barbereich, der unter dem Turmzimmer liegt, verfügt bereits über eine Tür (Bildmitte), die auf die Interims-Feuertreppe führt.
Der Barbereich, der unter dem Turmzimmer liegt, verfügt bereits über eine Tür (Bildmitte), die auf die Interims-Feuertreppe führt. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Es gab zig Varianten, schätzungsweise um die 15“, so Stegmann. Eine Überlegung sei eine Rauchkapsel gewesen. „Eine Art Rauchfang“, erklärt Julia Hahn vom für die Ausführung zuständigen Architekturbüro Rheinform. Dieser war für den Barbereich vorgesehen.

Über eine Leiter wären die Besucher des Turmzimmers eben in diese Rauchkapsel gestiegen und von dort aus über die Feuertreppe ins Freie gelangt. Aber auch diese Variante war nicht das Gelbe vom Ei, zumal das Problem und die möglichen Lösungen stets aus „unterschiedlichen Blickwinkeln“ betrachtet worden sei, so Mienhardt.

Wie sieht das Ergebnis aus?

In den südlichen Teil des Dachs wurde jetzt ein 70 auf 140 Zentimeter großes Dachfenster eingebaut. Aus Denkmalschutzsicht problemlos, da es sich hier nicht um historische Bausubstanz handle.

Auch vom Erscheinungsbild her – die Einfassung und die Lamellen bestehen aus Kupfer – werde sich dieser Notausstieg bald einfügen. „Noch glänzt das Kupfer“, so Stegmann, aber es werde oxidieren und in einem halben Jahr habe es sich farblich angepasst.

Jetzt wurde ein Notausstieg in das Dach des Pulverturms eingebaut. Wie kommt man dort hoch? Eine Leiter kann im Bedarfsfall ...
Jetzt wurde ein Notausstieg in das Dach des Pulverturms eingebaut. Wie kommt man dort hoch? Eine Leiter kann im Bedarfsfall heruntergezogen werden, erklärt Julia Hahn vom Architekturbüro Rheinform. | Bild: Scherrer, Aurelia

Der Notausstieg liegt allerdings einige Meter über Fußbodenhöhe. Wie kommen die Menschen dort hoch? Am Gebälk werde ein kleines Metallpodest und eine Leiter angebracht, die im Bedarfsfall heruntergezogen werden könne, erläutert Julia Hahn. Die Feuerwehr könnte die Personen dann mittels Drehleiter retten. Da im Turmzimmer ohnehin nicht viel Platz ist, könnten sich nicht viele Menschen dort aufhalten.

Im darunterliegenden Barbereich ist bereits eine Tür eingebaut, die auf das Gerüst als provisorische Treppe führt. Das Gerüst wird allerdings bald abgebaut. Dessen Funktion wird dann dauerhaft eine sandsteinfarbene Feuerleiter übernehmen, so Julia Hahn.

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Noch müsste die Statik genau geprüft werden, aber Julia Hahn geht davon aus, dass die Leiter nach Ostern angebracht werden könne. Direkt darunter auf dem Boden werde noch eine kleine Plattform gebaut.

Die Konstanzer lieben ihre Denkmäler

„Die Eingriffe in die Substanz sind minimal“, sagt Frank Mienhardt und fügt an: „Es ist ein schonendes Konzept und eine stimmige Lösung.“ Als der Ausstieg im Dach gebaut wurde, hätten einige Bürger aus Sorge um das Baudenkmal angerufen, berichtet er. Mienhardt sieht das positiv: „Es ist schön, dass die Konstanzer den Turm und die anderen Baudenkmäler lieben.“

„Es ist ein schonendes Konzept und eine stimmige Lösung“, erklärt Denkmalpfleger Frank Mienhardt.
„Es ist ein schonendes Konzept und eine stimmige Lösung“, erklärt Denkmalpfleger Frank Mienhardt. | Bild: Aurelia Scherrer | SK-Archiv

Er beruhigt: Die Eingriffe seien abgestimmt und würden optisch kaum in Erscheinung treten. Auf jeden Fall ist das scheinbar unlösbare Problem gelöst. Und wie sieht es mit den beiden anderen Wehrtürmen aus? Gibt es dort Nachholbedarf in Sachen Flucht- und Rettungswege? „Der Pulverturm ist massiv, die anderen sind Schalentürme“, sagt der Denkmalpfleger. Dort gebe es keine Probleme.