Ein Vorbote der kommenden Kriegsjahre zeigte sich bereits im Februar 1939: Statt eines großen Umzuges am Fasnachtssonntag fand damals mit Rücksicht auf die angespannte politische Lage nur ein magerer „Gänsemarschumzug“ durch die Konstanzer Altstadt statt.

Einige Blätzlebuebe, gefolgt von den Narrenräten verschiedener Gesellschaften mit Kappe und in zivilen Mänteln, zogen wie die Gänse hintereinander aufgereiht vom Schnetztor zur Niederburg. In den Monaten darauf intensivierte das nationalsozialistische Regime die Propaganda gegen Polen.

Fast täglich waren auch in der hiesigen NS-Zeitung „Bodensee-Rundschau“ und in der „Deutschen Bodensee-Zeitung“ Hetzartikel über den angeblichen polnischen Terror gegen die dortige deutsche Minderheit zu lesen. Hitlers Regierung baute das Nachbarland Polen zum gefährlichen Aggressor auf.

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Mit Kriegsbeginn wird die Fasnacht untersagt

Am Ende stand der fingierte Überfall angeblich polnischer Soldaten auf den deutschen Sender Gleiwitz, der den Vorwand zum Angriffskrieg liefern sollte. Doch den Überfall hatten bekanntlich deutsche Soldaten in polnischen Uniformen inszeniert. Am 1. September 1939 sprach Hitler im Reichstag die berühmten Worte, seit 5.45 Uhr morgens werde nun „zurückgeschossen“. Parallelen zum aktuellen russischen Überfall auf die Ukraine sind nicht von der Hand zu weisen.

Mitte August 1939 wurden die 27-jährigen Männer einberufen. Das NS-Regime untersagte mit Kriegsbeginn jedes fasnächtliche Treiben, nachdem in den Jahren zuvor die Fasnacht als angeblich germanisches Erbe stark gefördert worden war. Auch die schulfreien Tage und der halbe freie Schmutzige Donnerstag für die Angehörigen der Konstanzer Stadtverwaltung stammen aus dieser Zeit.

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2000 Konstanzer sahen ihre Heimat nie wieder

Nach Kriegsende blieb die Fasnacht verboten, die Franzosen wollten jede Form von Aufmärschen unterbinden. Vor 75 Jahren wurde erstmals wieder etwas Fasnacht gefeiert: Es gab einen kleinen Umzug und sogenannte „Hausbälle“. In fast jeder Familie fehlte ein Mann, 2000 Konstanzer waren gefallen, Hunderte waren kriegsversehrt oder saßen in Kriegsgefangenschaft, nur wenige waren wegen begangener Verbrechen in Haft. Die jüdischen Konstanzer waren vertrieben oder ermordet.

Die Wiederanfänge waren bescheiden: Der frühere Kamelia-Präsident Walter Martin erzählte einst von einer Korbflasche Most und einer Ecke Speck, um die man sich in privaten Wohnungen versammelte. Jemand hatte ein Schifferklavier, man drehte ein Tänzchen. Viele hatten sich in der Nazi-Zeit kompromittiert, schüttelten jetzt das braune Hemd ab. Auch die Täter schlüpften bald wieder ins Narrenhäs, als wäre nichts gewesen. Eigene Taten sind bekanntlich schnell vergessen.

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Dieser Artikel erschien erstmals im März 2022.