Das gab es noch nie: ein Narrenblättle für die Wollmatinger, endlich mal etwas Schriftliches für die Chronisten unter den Närrischen. Zusatzleistung für den nicht ausgelasteten Narrenrat? Wohl nicht, eher schon die Verzweiflung einer seit zwei Jahren in ihrer Bestimmung ausgebremsten Narrenzunft.
„Es ist noch schwieriger als letztes Jahr“, sagt Sebastian Späth, Betriebsleiter im Narrenrat der Wollmatinger Giraffen, „da war wenigstens klar, dass gar nichts stattfindet.“ Dieses Jahr hingegen stehen alle Zünfte vor demselben Dilemma. Die Corona-Schutzmaßnahmen verbieten nicht jeden Spaß, aber es gilt höchste Vorsicht. Auch wenn ein Narrenbaumstellen erlaubt wird, ist es angesichts von Omikron sinnvoll, sich fröhlich mit vielen auf einem Platz zu treffen?
Deshalb haben die Giraffen aus der Not eine Tugend gemacht: „National Giraffia“ heißt das Ergebnis, ein ernstzunehmendes Magazin fasnächtlichen Inhalts mit Beiträgen über die Giraffen und ihre Geschichte von Historiker Daniel Groß, Rezepten von Lemmi von Köstlichkeiten wie Kutteln oder dem Wollmatinger Lumpensalat. Das hochwertige Druckerzeugnis sei für 3,11 Euro an diversen zentralen Stellen erhältlich, etwa bei Edeka oder beim Wollmatinger Wochenmarkt. Die Giraffen rechnen mit reißendem Absatz.
Die Kassen sind leer
Das sei auch nötig, findet Giraffen-Präsident Krischa Malow: „Es fehlen nun seit geraumer Zeit die Einnahmen aus den Narrenkonzerten, dem Dorffest, dem Kinderball. Die Giraffen-Kasse ist leer wie schon lang nicht mehr.“ Allmählich werde der finanzielle Engpass zum Problem. Die Giraffen nutzen mehrere Räume im alten Rathaus in Wollmatingen, dafür zahlen sie Miete.
Die Beträge seien zwar überschaubar, trotzdem sind es laufende Kosten. Fehlen über eineinhalb Jahre jegliche Einnahmen, ist es für eine kleine Zunft nur schwer möglich, die Kosten noch lang zu decken. Immerhin habe die Stadt ihre Unterstützung zugesagt, berichten beide Zunftmitglieder. Mit dem Problem der leeren Kassen stehen die Giraffen nicht alleine da.
Die kleineren Narrenzünfte sind noch mit anderen Problemen konfrontiert. „Die Narrenkonzerte haben ohnehin einen schweren Stand“, sagt Krischa Malow. Die Konkurrenz durch die Narrenspiele in der Innenstadt sei groß und nicht jeder, der sich für Fasnacht begeistert, fühle sich dem Ortsteil Wollmatingen zugehörig. In den dörflichen Ortsteilen wie Dettingen oder Dingelsdorf sei das anders, bestätigt auch Sebastian Späth. Dort treffe man sich zu den bunten Abenden der Dorffasnacht vor allem, weil es eine Gelegenheit sei, sich zu sehen und jeder den anderen kenne.
Hohe Erwartungen ans urbane Wollmatingen
Wollmatingen habe demgegenüber stärker städtischen Charakter. „Die Erwartungshaltung den Auftritten gegenüber ist dementsprechend hoch“, sagt Sebastian Späth. Hier kommt die Konkurrenz nicht nur aus der Konstanzer Altstadt. Die Menschen sind YouTube-Gags und Fernsehsatire gewöhnt, ein einfacher Sketch wie vor Jahren reicht nicht mehr, um Wollmatinger oder Konstanzer zu einer Veranstaltung zu locken.
Dann stehen alle Zünfte vor der Herausforderung, auch ihre eigenen Mitglieder während der Pandemie bei guter Stimmung zu halten und zu motivieren. „Wir sind in der günstigen Lage, dass nicht viele aktive Mitglieder abgesprungen sind“, sagt Krischa Malow. Ein paar junge Frauen, die sonst das Narrenkonzert mitgestaltet hätten, seien nicht mehr dabei. Leicht sei es nicht, die Motivation hochzuhalten. „Viele wirken bei uns wegen des Narrenkonzerts mit. Sie kommen dann nicht wegen einer Narrenzeitung dazu.“
Trotz allem: Die Giraffen sind zuversichtlich, dass sie an der Fastnacht 2022 genügend Aktivitäten vorbereitet haben, um irgendwie zu feiern und ihre Mitglieder zufrieden zu stellen. Neben „National Giraffic“ ist die Zunft multimedial unterwegs und kündigen optimistisch einen „Blockbuster aus Konstanz“ an, der auf YouTube laufen soll. Es sei eine Geschichte voller Superhelden, handele von Poserwoman und „Heizman“. Heizman habe Superkräfte, so viel sei hier verraten, mehr wollen die beiden zur Handlung jedoch nicht sagen.
Für die Kinder halten die Giraffen 300 Tüten für einen „Kinderball dehom“ bereit. Darin enthalten sind Luftschlangen, Konfetti, Bilder zum Ausmalen und Spiele für die Partys zuhause. Kein Ersatz für den großen Kinderball in der Wollmatinger Halle, den die Zunft sonst am Rosenmontag ausrichtet und an dem etwa 300 Kinder teilnehmen, aber immerhin ein kleiner Trost. Die Tüten werden an Wollmatinger Kindergärten und der Grundschule verteilt.
Und was wird es sonst noch geben?
Da sind Krischa Malow und Sebastian Späth um eine Antwort auch mal verlegen. Ein kleiner Hemdglonker-Umzug in kleinen Gruppen und großen Abständen? Narrenbaumstellen? Es sei zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, was erlaubt sei und was nicht, sagt Malow. Im Moment liefen die Abstimmungen mit den anderen Wollmatinger Fasnachtsvereinen, man sei sich einig, die Aktionen gemeinsam zu gestalten. „Viele haben sich auf eine Nicht-Fasnacht eingestellt“, sagt Malow. Nun sei es für alle spannend, wie spontan die Fasnacht 2022 noch werden könne.